Netzwelt schneller&kritischer als TV

Frank Patalong, der findigste WEB-WEB-Autor von spiegel-online – hat hinter die Kulissen und in die www.Welt der ANTI-KRIEGS-BEWEGUNG geblickt – FEM stellt sein jüngstes spiegel-online-Werk als „Presse-Stimme“ vor ..

nicht zuletzt als Kontrast zu all der Zensur, die im hiesigen „Televischen“ grassiert und sich sogar jobkillend auswirkt, wenn denn öffentlich-rechtlich mal der Hauch eines Gefühls live..zu erahnen..FEM serviert Euch nur rasch TEIL I der Story. Den zweiten Teil solltet ihr selbst, mit all den Direkt-Links denn bei spiegel-online – oki?
WARBLOGGING

Ganz andere Kriegsnachrichten

Von Frank Patalong

Der Krieg wird zur Qual. Auf allen Kanälen wird gebombt und gestorben, die Kampfmaschine rollt entfesselt. Ein Skandal sei es, meinen US-Politiker, wenn gezeigtwerde, dass der Krieg auch Opfer fordert: Der Mensch sei kein Thema. Im Web ist das anders. Millionen von Menschen suchen dort, was ihnen das Fernsehen nicht bietet.

„Wir zählen keine Toten“ soll General Tommy Franks gesagt haben. „Body Count“ übernimmt das nun für die Zahl toter Zivilisten

„Krieg“, behauptet das britische Internetunternehmen Freeserve, sei zurzeit das populärste Suchwort im Internet. „Sex“ oder „Britney“ lägen abgeschlagen zurück.

Andere Unternehmen bestätigen zumindest den Trend: Yahoos! Buzzword-Index zählt „Iraq“ als populärste Websuche, Googles Zeitgeist-Index sieht „MOAB Bomb“ immerhin auf Platz Drei. Hinter dem Kürzel verbirgt sich der „Massive Ordnance Air Burst“, doch der wird von Teilen der amerikanischen Presse gern auch salopp „Mother of all Bombs“ übersetzt – dem beim Militär gebräuchlichen Spitznamen folgend.

Der passt zumindest für den Augenblick. Die MOAB ist eine 9525 Kilogramm schwere konventionelle Bombe, mit einer Sprengstoffladung von 8164,5 Kilogramm, zu der sich US-Militärs durch die eindrucksvollen Erfolge des „Daisy Cutters“ inspirieren ließen. Das raketenförmige Geschoss explodiert knapp über dem Boden und – Originalton CNN – „plättet alles um sich herum“.

So kann man das sagen: Der Satz enthält alle für Fernsehnachrichten typischen Kerninformationen.

Man könnte auch erklären, dass MOABs Stärke unter anderem darin besteht, dass selbst noch die Druckwelle im Umkreis von mehr als 350 Metern Lungen zerreißt und als absolut tödlich gilt, dass kein nicht-nukleares Explosivgeschoss derzeit einen größeren Wirkungskreis hat und das Monstrum darum nirgendwo eingesetzt werden sollte, wo sich möglicherweise Zivilbevölkerung befindet.

Das Web geht tiefer

Dafür lassen sich damit ganze Kompanien bequem und außerordentlich kostengünstig evaporieren. MOAB trifft dank eines kleinen GPS-gesteuerten Leitwerks auf einige Meter genau und kostet trotzdem nur knapp 500.000 Dollar pro Stück: Im Kern ist dieses Sonderangebot ein Stück brachiale Steinzeittechnik. Die Opfer gehen in einer gigantischen, pilzförmigen Wolke unter, die man leicht mit dem Explosionsbild einer anderen bekannten Bombe verwechseln könnte. Ideal ist das, und wenn es nicht reicht fürs „shock and awe“, ist das Nachfolgemodell schon in Mache. Das soll dann 13.600 Kilogramm konventionellen Sprengstoff enthalten.

REUTERS

MOAB-Bombe im Einsatz: die „Mutter aller Bomben“ produziert eine Pilz-förmige Rauchwolke

Wenn man solche Dinge derzeit in den Medien erfährt, dann allenfalls sehr beiläufig und mit Sicherheit nicht so detailliert. Sie rauschen durch in der Dauerberieselung letztlich grundsätzlich katastrophaler Nachrichten. Der Krieg selbst ist die größtmögliche Katastrophe, egal wie er verläuft, und der Hunger danach, ihn genau aus dieser Perspektive zu betrachten, scheint enorm.

Millionen von Menschen, unbefriedigt mit der um „Sachlichkeit“ bemühten Berichterstattung der Medien, suchen zurzeit im Web nach Sinn und Hintergrund, nach gesundem Menschenverstand, nach Gefühlen und nach dem anderen Blickwinkel auf die Ereignisse.

Vor allem aber suchen sie Augenzeugen, denen sie glauben können oder wollen. Weil alle Medien am Tropf der Propaganda-Maschinerien hängen, erscheinen die Nachrichten quer über die Angebote als zu uniform, um die ganze Wahrheit sein zu können. Seriöse Medien glänzen schon darum, weil sie dies ab und zu zumindest laut sagen. Andere Anbieter haben im Krieg den quotenreichen Event entdeckt: Nonstop-Action zum Mini-Tarif, das Pentagon zahlt den Kameramann.

General Tommy Franks Analysen? Donald Rumsfelds Drohreden? George W. Bushs Endzeit-für-den-Irak-Parolen?

Viel interessanter scheint die Nachricht hinter der Nachricht. Was richtet die Waffe an, von der die da schwafeln? Was passiert mit den Menschen? Wie sehen andere das alles? Einmal mehr entfaltet das Internet seine ganz eigenen Qualitäten, indem es Nachricht mit Hintergrund mit Kommunikationsplattform verbindet.

Die Stunde des Warblogging

Als ideales Format dafür entpuppt sich das „Weblog“. Seit rund einem Jahr boomt die Szene der „Blogger“, die das Web ohne Unterlass durchstreifen, es kommentieren, Inhalte und Links erschließen. Infos zu MOAB-Bomben findet man schlicht über Google, so einfach ist das. Laufende Kommentare zum Kriegsgeschehen aber, bis hin zu Web-Tagebüchern von Augenzeugen, bietet die frisch entstandene Szene der „Warblogger“.

Die Zahl der Kriegs-Blogs geht mittlerweile in die Hunderte, doch die populärsten unter ihnen sind natürlich die, die von sich behaupten, echte Vor-Ort-Berichte zu enthalten. Ungekrönter König unter diesen Warbloggern ist seit Wochen „Salam Pax“, angeblich ein junger Iraki, der sein Blog von Bagdad aus führt. Längst gibt es andere Weblogs, die sich vornehmlich mit der Frage beschäftigen, ob dies echt, oder ob es ein Teil der allgegenwärtigen Propaganda sei.

Im zweiten Teil: Nachrichten, völlig anders: Privatleute sammeln, tragen zusammen, vergleichen und kommentieren. Profis erzählen online mehr, als sie vor der Kamera können oder dürfen. Und natürlich versucht auch der Propaganda-Apparat, das Blog für sich zu nutzen. Weiter…