01 Uhr 44 in Berlin –
Allmählich kehrte Ruhe ein, in die trauten Ecken rund um den Helmholtzplatz. Seitdem unsere Marenga, die Eingefleischten wissen, unsere Oberzensorin, endlich ne Fernbrille hat, erkennt sie Leute. Unglaublich. Doch, es hat sich abgekühlt. Du kannst zwar noch um diese Uhrzeit ohne Jacke draußen sitzen, aber da ist dieses Lüftchen, das lange vermisste, das frische Atemzüge erlaubt…Die wie immer erstaunlich fitten Kellnerinnen und Kellner, im Hauptberuf angehende Schauspieler, Wissenschaftler, Pädagogen und so – erlauben sich auch ne kleine Zwischenpausen-Kippe, ehe es ans große Aufräumen geht. Die nicht gerade kleinen Sonnenschirme einholen, die Tische abräumen und die last order, links und rechts die Sprachen der Welt, die Linden duften, oder ist das ein Verzweiflungsruf, weil sie ausgetrocknet…Stille neigt sich mit der Frische über den Helmholtzplatz. Im Späti, das um 2 Uhr schließt, über die Danziger gibt es ein 24 Stunden-offen-Späti, Familienbetrieb, Türken, mit fast ohne Akzent, so lange sind sie schon in Berlin, der Sohn macht Abi oder hat es hinter sich. Manchmal dieser Schauspieler, der tatsächlich auch in real eher düster blickt, aber umwerfend gut aussieht, ja, das Katzenfutter, und – dann in der Küche, zurück.
Dauerpraktikantin Crissie ruft – als sie die kleine Grell-Lampe über der Arbeitsplatte aus wasserfestem Holz anknipst – :
„Vorsicht, hier hockt der Falter. Aber ist es nicht derselbe, dem wir mittags sanft die offene Balkontür wiesen..?“
Natürlich, tierlieb, wie sie ist, knipst sie sofort das Licht aus. Schiebt die Sachen mit dem Restlicht aus dem Flur in den Kühlschrank – hoppla, nicht den SPIEGEL, aber selbst das Katzenfutter – nicht, dass es sonst nichts noch für Madame le Chat gäbe, aber man muß ja auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, denn Miez-Miez ist nicht mehr so appetit-freudig, seit sie mit diesem – woher bloß? Herzleiden zu tun hat, und not amused die täglichen Mini-Injektiönchen – kleine Spritze ins Mäulchen, über sich ergehen lassen muß, Entwässerung wegen Wasser in Lunge und StärkungsMedikament fürs Herzi, –
ja, ruft Crissie erneut – „Der Falter scheint nach draußen geflogen zu sein (of course ist die Balkontür, sie besteht aus zwei Flügeln, weit offen! ) , will noch jemand was essen oder so?“
Nein danke. Noch ein Teelicht vielleicht? Auf den Balkon? Da fliegt gewiss kein Nachtfalter hinein. Da passen alle auf….
Okay. Wir tun so, als sei es eine ganz normale Sommernacht. Dabei brennen Häuser, dabei finden Anschläge statt – ja, in diesem Land. Nein, es sind keine fernländigen Terroristen, es sind gewöhnliche Deutsche. Woher kommt all diese braune Brut? In welchen Sümpfen hatten sie sich versteckt, hatten sich ausgebrütet? Dieser Sommer, dieser August 2015, und gestern war der 13. und wir gedachten den erschrockenen und bangen Gefühlen, als damals – 1961 war es, nicht wahr? die Mauer gebaut wurde. Nun ist es dieser so einst bedauerte „Osten“ – wo sich, nach 25 Jahren „Mauer gefallen“ – eine Brut zeigt, die wohl im Verborgenen nur darauf gewartet hat, etwas abzulassen, das sich – hochverlogen, damals als „Sozialismus“ bezeichnet hat, in Wirklichkeit eine Diktatur der Unterdrückung von allem – und nun brennen sie FlüchtlingsUnterkünfte nieder und nun sogar eine Kulturscheune – eines engagierten KünstlerEhepaars gegen RECHTSRADIKALE.
Das geht zu weit. Und Crissi fragt Marenga, fragt die zurückgekehrte Gwendolyn – „Habt Ihr Erklärungen? Habt Ihr Antworten ? Da haben wir doch seit Jahrzehnten den „Soli“ bezahlt, die Städte sind aufgerüscht, sogar die Dörfer -und nu – zeigt sich, dort, im einstigen sogenannten Sozialismus-DDR-Dings- ne üble Diktatur – da haben sie eine Brut versteckt, die nun zuschlägt, gewachsen, und von der durch und durch rechtsblinden Merkel-Group – es kann nicht wahr sein, aber ist es – ÜBERSEHEN wird. Sie beißen sich lieber an der Vernichtung Griechenlands fest, als dass sie die HäuserNiederBrenner im eigenen Land stoppen!“
Das ist unsere Crissie. Unsere Dauer- , unsere Treu-Praktikantin, die alles überblickt, während Gwendolyn ihrer Leidenschaft, nachts zu kochen, während sie alles andere als ein Kochbuch in der Hand hält, während sie kocht, meist eine Literatur, die irgendwie vergessen, zuweilen summt sie auch ein Lied vor sich hin – aber nun, genug – bitte – das Teelicht – und – auf den Balkon, noch, für ein paar – längere Minütchen, so tun, für ein paar Atemzüge der Nacht, als sei alles nur Sommer, August, abkühlend, endlich, ach, wir haben es doch gut….Jajaja…
Kommt gut durch die Nacht…!