Fluss-Hochwasser verwandelt Landstrich in der Prignitz in Seen-Landschaft
Umweltministerin Tack leitet kontrollierte Flutung eines Polders bei Lenzen ein
Lenzen (dapd) Das Hochwasser hat das Gebiet zwischen Elbe und Löcknitz in der Prignitz in eine Seen-Landschaft verwandelt. Seit Tagen steigen die Pegel der Flüsse. Um den Druck von den Deichen zu nehmen, sind zwei Polder bei Lenzen im Norden Brandenburgs geflutet worden. Umweltministerin Anita Tack (Linke) avancierte am Freitag zur obersten Katastrophen-Managerin und öffnete in der Ortschaft Seedorf ein Verbindungsbauwerk zwischen der Löcknitz und einer Überflutungsfläche.
Bis zu zwei Kubikmeter Wasser je Sekunde strömen in den kommenden zwei bis drei Tagen in die Landschaft, um den Pegel der Löcknitz zu senken. „Erstmals seit dem Bau des Polders Lenzer Wische im Jahr 1974 ist diese Maßnahme notwendig“, sagte Hans Lange (CDU), Landrat im Landkreis Prignitz. Die kontrollierte Flutung des 20 Quadratkilometer großen Geländes war notwendig geworden, weil sich die Hochwasserlage auf der Elbe und vor an ihrem Nebenfluss Löcknitz in den vergangenen Tagen zugespitzt hat.
Das Wehr an der Löcknitz-Mündung zur Elbe ist nach Angaben des Landesumweltamtes seit Tagen geschlossen, weshalb durch den Rückstau Straßenüberflutungen drohten. Das Wasser der Löcknitz stand laut Behördenangaben nur noch 40 Zentimeter unterhalb der Deichkrone und drohte um weitere 20 Zentimeter zu steigen.
Bereits am Donnerstag war der Eldenburger Polder an der Löcknitz geflutet worden. 174 Hektar Landschaft werden seitdem unter Wasser gesetzt. Bei dem seit Freitagnachmittag gefluteten Überschwemmungsgebiet Lenzer Wische handelt es sich um landwirtschaftliche Nutzfläche, auf der sich auch Stallanlagen befinden. Um diese nicht zu gefährden, werde die Maßnahme streng kontrolliert und reguliert, versicherte Bodo Schwiegk, Leiter des Hochwasserlagenzentrums in Lenzen.
Acht Kilometer Deich werden noch erneuert
Für den Präsidenten des Landesumweltamtes, Matthias Freude, wird die Flutung auch einen Erkenntnisgewinn liefern. „Es heißt, dass Wiesen auch unter Wasser wachsen. Mal sehen, ob das stimmt“, sagte er. Der Elb-Pegel werde nach dem Wochenende wieder sinken, erst dann könne das Landesumweltamt Entwarnung geben. „Wir sind in Alarmbereitschaft“, betonte Freude. Am Freitagmittag sei der Scheitel der Hochwasserwelle bei Wittenberge angekommen. Aktuell liege der Pegel bei 7,24 Meter. Beim sogenannten Jahrhundert-Hochwasser im Jahr 2002 lag der Höchstpegel bei 7,37 Meter.
Im Gegensatz zur Löcknitz sei die Lage an der Elbe weniger dramatisch, sagte Freude, da die Elb-Deiche seit 2002 für 75 Millionen Euro zu 90 Prozent erneuert worden seien. „Acht Kilometer fehlen noch, dann können wir uns den Deichen der Nebenflüsse widmen“, sagte Freude. Allerdings seien in zwei Bereichen in der Nacht zum Freitag Böschungen abgerutscht. „Da dies an zwei noch unsanierten Deichabschnitten passiert ist, nehmen wir das sehr ernst“, sagte Einsatzleiter Schwiegk. Die abgerutschten Bereiche seien mit Sand aufgeschüttet und gesichert worden.
In der Bevölkerung vertraut man auf die Qualität der neuen Deiche. „Wir sehen die Sache gelassen und überstehen das?, sagte Waltraud Reinert aus Lenzen. In unmittelbarer Elb-Nähe stünden zwar einige Gärten unter Wasser, aber seit am „Bösen Ort“ der Elb-Deich nach dem vergangenen Hochwasser von 2006 erneuert wurden, sei die Zuversicht groß, die derzeitige Lage unbeschadet zu überstehen. Dies sei auch im Lagezentrum zu spüren, wo der Krisenstab rund um die Uhr im Einsatz sei und „die Lenzener am gelassensten sind“, wie Krisen-Chef Schwiegk feststellte.