Jahrzehntelang war Das Erste auch die Nummer eins im deutschen Fernseh. Kein Sender hatte mehr Publikum. 1993 dann der Kulturschock für die ARD-Oberen: Der Privatsender RTL überholte erstmals das öffentlich-rechtliche Flaggschiff. 2010 war das wieder der Fall.
Einschaltquoten 2010: RTL überholt ARD als Marktführer
Jahrzehntelang war Das Erste auch die Nummer eins im deutschen Fernseh. Kein Sender hatte mehr Publikum. 1993 dann der Kulturschock für die ARD-Oberen: Der Privatsender RTL überholte erstmals das öffentlich-rechtliche Flaggschiff. 2010 war das wieder der Fall.
Berlin (dpa) – Olympia, Fußball-WM, Lena und „Tatort“ haben der ARD nicht geholfen: Der Privatsender RTL hat das Erste in diesem Jahr als Nummer eins in der Zuschauergunst überholt. Damit liegt der Kölner Kanal erstmals seit 2003 wieder vor der ARD.
Zwar konnten RTL, ARD und das Drittplatzierte ZDF allesamt zulegen, doch bei RTL war der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr gewaltig: Um 1,1 Prozentpunkte auf 13,6 Prozent wuchs der Marktanteil im Jahresdurchschnitt 2010. Das Gemeinschaftsprogramm der ARD liegt mit 13,2 Prozent (plus 0,5) knapp dahinter. Es folgen das ZDF mit 12,7 Prozent (plus 0,2) und Sat.1, das auf 10,1 Prozent (minus 0,3) Marktanteil in der Gruppe aller Zuschauer ab drei Jahre kommt.
Das geht aus einer vorläufigen Erhebung der Einschaltquoten vom 1. Januar bis einschließlich 28. Dezember hervor, die die GfK Fernsehforschung im Auftrag der Sender ermittelt.
Im Jahr 2009 hatte die ARD mit 12,7 Prozent noch hauchdünn vor RTL und dem ZDF gelegen, die beide auf 12,5 Prozent Marktanteil kamen; Sat.1 lag vor Jahresfrist mit 10,4 Prozent etwas besser als in diesem Jahr.
Zwar dominieren ARD und ZDF bei den absoluten Top-Sendungen des Jahres: Das WM-Halbfinale Deutschland-Spanien am 7. Juni war mit 31,10 Millionen Zuschauern das meistgesehene Programm des Jahres, das Finale des Eurovision Song Contests am 29.5. mit 14,73 Millionen die quotenstärkste Unterhaltungssendung – beides lief in der ARD. Und in den beiden Top-Ten-Ranglisten der erfolgreichsten Unterhaltungs- und Sportprogramme finden sich sogar 19 mal die öffentlichen-rechtlichen Sender und nur einmal Sat.1.
Doch hat RTL eine größere Kontinuität bei den Zuschauerströmen im gesamten Programmablauf und erreicht vor allem am Nachmittag mit seinen umstrittenen Dokusoaps einen hohen Marktanteil – eine Tageszeit, in der die Öffentlich-Rechtlichen traditionell schwächeln. Das machen auch die Erfolgsmeldungen von ARD und ZDF deutlich, die zwischen den Jahren verschickt wurden: Das ZDF sei Marktführer in der Zeitspanne von 17.00 bis 1.00 Uhr, die ARD zwischen 20.00 und 23.00 Uhr – also öffentlich-rechtliche Vorherrschaft am Vorabend und in der Primetime; dennoch reichte es aufgrund des quotenschwachen Restprogramms nicht zur Spitzenposition.
Zudem konnte RTL wieder einmal seine Casting- und Realityformate exzellent platzieren: „Deutschland sucht den Superstar“, „Das Supertalent“ und nicht zuletzt „Bauer sucht Frau“ waren auch 2010 Erfolgsgaranten mit Rekordquoten und bis zu über 8 Millionen Zuschauern. Dauerbrenner wie Günther Jauchs Quiz „Wer wird Millionär?“, eigenproduzierte Serien wie „Alarm für Cobra 11“ oder „Lasko“ und US-Reihen à la „CSI: Miami“ und „Dr. House“ tun ihr übriges.
Die ARD hingegen hat einige Baustellen im Programm: Außer dem Nachmittag schwächelt auch der Vorabend, der demnächst aber umgebaut wird – Krimikomödien in Serie sollen Zuschauer in die eng begrenzte Werbezeit der öffentlich-rechtlichen ARD (18 bis 20 Uhr) locken. So will sie ARD 2012 wieder Marktführer sein: „Im nächsten Jahr werden wir es noch nicht schaffen, aber dann…“, sagte Programmdirektor Volker Herres Anfang Dezember in Berlin.
Gleichzeitig reagiert er jedoch gereizt, wenn die Sprache auf den (neuen) Marktführer RTL und dessen Erfolgsprogramme kommt. Die Scripted-Reality-Formate im Nachmittagsprogramm des Konkurrenten nannte er „Sozialpornos“, die mit der Realität nichts zu tun hätten. „“Scripted Reality“ hat in unserem Programm nichts verloren“.
Fernsehkritiker und Feuilletonisten begrüßen das, ein bestimmtes Publikum hingegen schaltet bei diesen von Laiendarstellern nach Drehbuch gespielten Möchtegern-Dokus immer wieder gern ein – vor allem jüngere Zuschauer.
So fällt der RTL-Vorsprung bei den Zuschauern in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen noch deutlicher aus als im Gesamtpublikum: Auf einen Marktanteil von 18,1 Prozent (plus 1,2 Prozentpunkte) kommt der Sender aus der Bertelsmann-Gruppe; dahinter liegen abgeschlagen die Konkurrenten ProSieben mit 11,6 Prozent (minus 0,3) und Sat.1 mit 10,7 Prozent (minus 0,1). Die ARD (7,3 Prozent, minus 0,7) und das ZDF (6,7 Prozent, plus 0,4) rangieren in der jüngeren Zielgruppe sogar noch hinter dem Viertplatzierten, dem RTL-Schwestersender Vox, der auf 7,7 Prozent (plus 0,2) kommt.