klasse geschrieben!
Und nicht so emotionslos trocken, nicht Fisch, nicht Fleisch, wie inzwischen die Langweiler-Nachrichten von TAGESSCHAU und HEUTE….meist noch mit NULL-Info-Gehalt, hier ist das anders, bei der FRANKFURTER-RUNDSCHAU:
Irrfahrt auf dem Kasernenhof
Soldat aus Afghanistan zurück
Von Matthias Thieme
Kasernenalltag (Bild: rtr)
Wenige Stunden nach dem Schock herrscht am Tor der Werratalkaserne schon fast wieder Normalbetrieb. Fahrzeuge mit Soldaten passieren die rot-weißen Schranken, an denen Wachsoldaten mit ihren Gewehren im kalten Nieselregen ausharren. Bad Salzungen in Thüringen ist hier, am Stadtrand, ein grauer Mischmasch aus Kasernengebäuden und Plattenbauten. Die Bürger in Uniform sind hier eher abseits der Zivilgesellschaft untergebracht.
Raus muss der Soldat nicht: Es gibt einen riesigen Sportplatz, eine Turnhalle, ein Schwimmbad, einen Friseur und sogar ein Kino – alles in der Kaserne. „Die Ausbildung war teilweise schon ziemlich hart“, berichtet ein Rekrut im Internet: „Besonders die Märsche durch die bergige Gegend mit Verwundetentransport, ABC-Übung, Feuerüberfall.“ Es gebe aber auch „inkompetente und machtgeile Ausbilder, realitätsfremde Zugführer“ und dergleichen mehr.
Jetzt gibt es 13 Verletzte und einen großen Schock in Bad Salzungen – und trotzdem Normalitäts-Simulation vor dem Kasernentor. Salutierende Wachsoldaten. Fahrzeugkontrolle. Eine nasse Deutschlandfahne hängt schlapp vom Mast. „Achtung, Schrittgeschwindigkeit fahren“, warnt in großen Buchstaben ein Schild. Hier musste auch der Soldat durch, der am frühen morgen in eine Gruppe Rekruten fuhr. Mit seinem Privatfahrzeug, einem Mercedes, sei der 26-jährige zum Dienst gekommen, heißt es. Was dann geschah, ist noch nicht restlos geklärt. Fest steht, dass der Mann um 6.35 Uhr mit seinem Wagen in eine Gruppe Kameraden hineinfährt. Es ist noch dunkel, die Rekruten, die erst im Oktober ihren Wehrdienst angetreten hatten, haben sich gerade nahe der Waffenkammer zum Ausrücken für eine Übung außerhalb des Geländes aufgestellt, als das Unerwartete sie trifft.
13 Rekruten werden durch den Aufprall verletzt, sieben von ihnen schwer. Umstehende Soldaten leisten erste Hilfe, dann treffen Rettungshelikopter und Krankenwagen ein, die die Verletzten in umliegende Krankenhäuser fahren. Die verletzten Soldaten seien nicht in Lebensgefahr, wird später ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mitteilen.
Unfallverursacher nicht vernehmungsfähig
Warum steuerte der Soldat seinen Wagen ausgerechnet in die Menschenmenge? War es ein Anschlag, oder hat er seine Kameraden in der Dunkelheit schlicht übersehen?
Vor dem Kasernentor treffen die Fernsehsender mit ihren Übertragungswagen ein. Antworten werden verlangt, immer wieder das Kasernentor gefilmt. Dann tritt der Kommandeur des Panzerbataillons, Oberstleutnant Philipp Leyde vor die Kameras. Man gehe von einem Unfall aus und nicht von einem Anschlag oder gar einer Amokfahrt, sagt er. Doch genau weiß das niemand. Der Unfallverursacher stand auch Stunden nach dem Zwischenfall noch unter Schock und war nicht vernehmungsfähig.
Die unklare Lage nährt Spekulationen über den psychischen Zustand der stationierten Soldaten, die auch an Auslandseinsätzen beteiligt waren. Der Unfallverursacher selbst ist erst vor sechs Monaten von einem Einsatz in Afghanistan zurückgekehrt. Zwei Zeitsoldaten des in Bad Salzungen stationierten Panzergrenadierbataillons waren am 23. Juni bei einem Anschlag im afghanischen Kundus getötet worden. Eine Belastung für die Kameraden, eventuell mit Spätfolgen?
Nein, sagt die Bundeswehr, es war ein Unfall. Der Soldat, der den Unfall verursachte, wurde nach Polizeiangaben nicht verletzt, erlitt aber einen Schock. Der Soldat sei berechtigt gewesen, mit seinem Privatwagen aufs Kasernengelände zu fahren. Dort gilt ein Tempolimit von 30 km/h. Nach Angaben von Polizeisprecher Eberhard Wagner fuhr der Mann seitlich in die Gruppe Wehrdienstleistender, die nahe der Waffenkammer aufgestellt war. Die Kaserne, in der rund 2000 Soldaten stationiert sind, wurde nach dem Unfall weiträumig abgesperrt. Die Ermittlungen dauerten an, hieß es. Auch das Fahrzeug soll auf mögliche technische Mängel untersucht werden.
Die Werratalkaserne geriet im Jahr 2008 schon einmal in die Schlagzeilen, als ein 18-jähriger Wehrpflichtiger sich dort am 3. April das Leben nahm. Der junge Mann stürzte sich aus dem vierten Stock der Kaserne und starb an den Folgen im Krankenhaus. Er hinterließ einen Abschiedsbrief. Es dauerte mehr als eine Woche, bis dieser Vorfall außerhalb der Kaserne bekannt wurde. Gibt es in der Werratalkaserne eventuell doch eine Parallelwelt, die einmal genauer beleuchtet werden müsste? Regelmäßig starten von Bad Salzungen Bataillonsteile in schwierige Auslandsmissionen. Wird für die rund 2000 Soldaten genug getan, wenn sie von diesen Einsätzen heimkehren?
Ja, es ist alles normal, sagt die Bundeswehr am Nachmittag.