PRESSE-SCHAU: SZ: QUELLE auf der Reste-Rampe

„Die Ignoranz des Großsprechers“ titelt SZ-online.
Und meine damit Seehofer, CSU:
Ignoranz des Großsprechers
Aus für Quelle20.10.2009, 23:34
Ein Kommentar von Marc Beise

Quelle war längst nicht mehr zu retten, doch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer übertönte das Totenglöckchen – denn es war Wahlkampf.

Quelle auf der Resterampe – es bleibt nur noch die Abwicklung. (Foto: AP)

Jedes Jahr scheitern in Deutschland mehr als 30.000 Unternehmen, viele von ihnen endgültig. Das Schicksal macht dabei vor großen Namen nicht halt: Borgward, Kreidler, Nixdorf, Dual Plattenspieler und bald auch Quelle – vertraute Marken sind nur noch Erinnerung. Jeder Fall für sich ist bitter: für die Angestellten, die fast ihr ganzes Berufsleben eingesetzt haben. Für Eigentümer und Gläubiger, die ihr Geld verlieren. Für die Region, deren Jobmotor stottert. Was im Einzelfall schmerzt, ist indes grundsätzlich völlig normal. Das Leben besteht aus Veränderungen, keine Struktur ist für die Ewigkeit; die Wirtschaft macht da keine Ausnahme. Haarsträubend sind Unternehmensuntergänge nicht an und für sich, haarsträubend sind die vermeidbaren Katastrophen – so wie jetzt in der Region Nürnberg/Fürth.

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Schuld an dem Desaster sind andere. Zunächst und vor allem die Eigentümerfamilie, der Schickedanz-Clan. Was die Eltern Gustav und Grete aufgebaut haben, ist der Erbin Madeleine nun zerbrochen. Anders als Maria-Elisabeth Schaeffler hat Schickedanz das Unternehmen nicht durch größenwahnsinnige Aktivitäten gefährdet, sondern im Gegenteil durch fahrlässige Passivität.

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Statt einen klaren Schnitt zu machen, vertraute sie ihren Ehemännern und hievte diese in Führungspositionen, denen sie nicht gewachsen waren. Als Krönung allen Übels verfiel sie dem Geldjongleur Thomas Middelhoff, einem smarten Großmanager, dem die sensiblen Bertelsmänner in Gütersloh misstraut hatten, je größer das Rad geworden war, das er drehte. Madeleine Schickedanz war das keine Warnung, sie machte den geschassten Medienmanager zum großen Bellheim; sie gab ihm alle Freiheiten und hielt fest zu ihm, auch dann noch, als klar war, dass er nicht der Richtige war für das mittlerweile mit Karstadt verwobene Fürther Unternehmen.

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Was gehört eigentlich alles zum Arcandor-Konzern? Klicken Sie hier, um die Grafik zu vergrößern. (SZ-Grafik)
Wieder zog Middelhoff alle Register. Er versprach viel, lieferte wenig. Er verpasste dem Traditionshaus einen Kunstnamen, verkaufte den Immobilienschatz, um dann allzu hohe Mieten zu zahlen.

Es war alles ein großes Spiel, ein Spiel freilich ohne persönliches Risiko. Als das Unternehmen schon darbte, lebte der angestellte Chef noch auf großem Fuß. Durch den Niedergang der Quelle AG verlor Schickedanz einige Milliarden Euro ihres Privatvermögens; so ist es richtig. Middelhoff dagegen musste nie draufzahlen, im Gegenteil.

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Ende Juni präsentiert Bayerns Ministerpräsident im Quelle-Vertriebszentrum den Herbst/Winter-Katalog. (Foto: dpa)
Und dann die Politik. Auch hier war ein Großsprecher am Werk: Horst Seehofer, der Populist, ist in Wahlkampfzeiten noch irrationaler als sonst. Der bayerische Ministerpräsident überzog seinen Wirtschaftsminister von der FDP mit Spott und Zorn, weil dieser aussprach, was viele wussten: Quelle ist nicht zu retten. Seehofer aber wollte das nicht wahrhaben. Die Politik kann die Wirtschaft nicht nach ihrem Willen formen? Das wäre doch gelacht! Sprach’s und hielt Hof vor Ort, spendierte Millionen aus der Staatsschatulle. Die FDP habe kein Herz für die Region, ächzte der große Mitfühler. Kein Herz? Vielleicht; aber immerhin Verstand. Hätte er nicht versucht zu helfen, sagt Seehofer heute, könne er sich selbst nicht mehr im Spiegel anschauen. Manchmal aber ist der Blick in die Bücher besser als der in den Spiegel.

Hertie, Schiesser & Co. Abschied von alten Bekannten

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Manchmal habe ich dort etwas bestellt

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Schon ewig her, dass ich dort etwas bestellt habe

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Quelle? Kenne ich nur noch vom Namen her

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Wenn alles gutgeht, sieht der Freistaat sein zuletzt spendiertes Geld wieder. Dann wäre kein finanzieller Schaden da, immerhin. Aber eine Schande wäre es trotzdem. Middelhoff und seinesgleichen vor allem, zuletzt auch noch Seehofer ein wenig, haben mit den Menschen bei Quelle gespielt – und sich, mit unterschiedlichem Erfolg, bereichert. Middelhoff ging es ums Geld, Seehofer um Wählerstimmen. Den CSU-Chef immerhin hat die irdische Gerechtigkeit schon bei der Bundestagswahl in Gestalt eines schlechten Ergebnisses erreicht, Middelhoff ist bisher davongekommen. Gut ist das nicht. Was Manager wie er der Idee und der Akzeptanz der Marktwirtschaft antun, können die vielen integren Familienunternehmer in Deutschland in Jahren nicht wieder gutmachen.

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