Quelle:
schule.judentum.de / hagalil.com
Das Pessachfest Pessach wird als erstes der drei Wallfahrtsfeste im jüdischen Frühlingsmonat Nissan, zur Zeit der ersten Gerstenernte in Israel gefeiert. Doch Pessach ist mehr als nur ein Erntedankfest. Wie alle jüdischen Feste ist auch das Pessachfest voll von Symbolen und hat eine ganz bestimmte Bedeutung im Hinblick auf die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes: es erinnert an die Zeit des Exodus, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Flucht vor Unterdrückung und Sklaverei. Das Pessachfest ist also ein Fest der Freiheit. Aus diesem Zusammenhang leitet sich auch der Name Pessach ab, der so viel bedeutet wie „hinwegschreiten“, „verschonen“. Er bezieht sich darauf, dass Gott die Israeliten verschonte, als er die Ägypter mit den zehn Plagen bestrafte. Während des einwöchigen Festes dürfen sich keine gesäuerten Speisen im Haus befinden. Ungesäuerte Speisen symbolisieren die Hast, mit der die Israeliten Ägypten verließen: sie hatten einfach nicht genügend Zeit, ihre Speisen säuern zu lassen. Der „Erfolg“ des somit erforderlichen Frühjahrsputzes wird durch einen amüsanten Brauch kontrolliert: die ganze Familie unter- nimmt einen lustigen Umzug durchs Haus, bei dem die Kinder absichtlich liegengelassene gesäuerte Lebensmittel finden und entfernen. In der Zeit des gesamten Pessachfestes werden Matzen, ungesäuerte Brotfladen, gegessen, welche sowohl die überstürzte Flucht als auch das elende Sklavenleben der Israeliten in Ägypten symbolisieren. Sie werden somit als Brot der Befreiung und Brot des Elends betrachtet. Man achtet streng darauf, dass wirklich alle Speisen ungesäuert sind. Somit gibt es auch Gerichte, die speziell für diesen Anlass kreiert wurden, wie z.B. die sogenannten „Pessach Blinzes“: An den ersten beiden Abenden wird nach einem Gottesdienst in der Synagoge die Sederfeier begangen, ein Abendmahl nach genauen Vorschriften. Zu dieser Mahlzeit wird Extra-Geschirr benutzt, da das Alltagsgeschirr durch die Berührung mit gesäuerten Speisen unbrauchbar ist. Fehlt das Geld für zusätzliches Geschirr, kann man auch das Alltagsgeschirr koscher machen, indem man es rotglühend macht oder es in heißes Wasser tunkt. Dieser Vorgang wird Kaschern genannt. Auf einer Sedertafel müssen sich ganz bestimmte symbolhafte Gegenstände befinden: – ein Buch mit den Pessach- Geschichten, die Haggada („Erzählung“); – ein Becher, der viermal mit Wein gefüllt wird, als Zeichen der vier Versprechen Gottes; – ein weiterer mit Wein gefüllter Becher, der die Hoffnung auf einen kommenden Messias ausdrückt; – drei Matzen, die die drei Stände der Gemeinschaft Israels (Priester, Leviten, „Israeliten“) symbolisieren; – ein Stück einer am Rost gebratenen Keule, die das ehemals dargebrachte Opferlamm ersetzt; – ein Ei als Zeichen des Erwachens der Natur, welches genauso wie die Keule nicht gegessen wird; – ein Teller z.B. mit Petersilie und eine Schale Salzwasser, die Schönheit der Natur versinnbildlichend, welche durch die Tränen und den Schweiß der Sklaven bitter wurde – bittere Kräuter wie Meerrettich zum Gedenken an die Sklaverei und – eine Schüssel mit Charosset, einem bräunlichen Gemisch aus Nüssen, Äpfeln, Wein und Zimt, welches den Mörtel darstellt, den die Juden für den Pharao mischen mussten. Alle diese Zutaten sind Teil des vorgeschriebenen Sederrituals. Sie werden in einer bestimmten Reihenfolge verzehrt, unterbrochen durch das Aufsagen verschiedener Gebete und der vier Versprechen Gottes: 1.) Gott will die Israeliten aus Ägypten führen 2.) Gott will die Israeliten befreien 3.) Gott will die Israeliten erlösen 4.) Gott will die Israeliten als sein Volk annehmen Außerdem wird die Geschichte über den Auszug aus Ägypten erzählt, um die Kinder mit der Geschichte ihres Volkes vertraut zu machen. Nach dem rituellen Seder-Mahl werden oft noch bis tief in die Nacht hinein Lieder gesungen, die auch von der Not und Hoffnung der Juden berichten. Ziel und Sinn des Pessachfestes ist es also, die jüdische Geschichte lebendig und anschaulich zu erhalten, damit sich auch nachfolgende Generationen mit der Vergangenheit ihres Volkes identifizieren können. Näheres zum Thema Pessach findet sich unter http://www.payer.de/judentum/jud509.htm
verfasst von: Astrid Haynert Menora — der siebenarmige Leuchter nach Sacharja 4,2 Judentum als Lebensform ——————————————————————————– von Alois Payer ——————————————————————————– Zitierweise / cite as: Payer, Alois <1944 - >: Judentum als Lebensform. — 9. Pessach. — Fassung vom 26. April 1999. — (Materialien zur Religionswissenschaft). — URL: http://www.payer.de/judentum/jud509.htm. — [Stichwort]. Erstmals publiziert: 21. Februar 1998 Überarbeitungen: 26. 4. 1999 [Hinzufügung von Buchbestell-Links zu amazon.de] Anlaß: Lehrveranstaltung Wissenschaftskunde Religionswissenschaft / Theologie, HBI Stuttgart, WS 1995/96 Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG) ©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers. ——————————————————————————– Übersicht ——————————————————————————– 1. Zeitpunkt und Dauer von Pessach ——————————————————————————– Zitate im Folgenden: [Hirsch] = Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. – Gütersloh : Bertelsmann, 1966. – S. 112 – 137 ——————————————————————————– 1. Zeitpunkt und Dauer von Pessach ——————————————————————————– Pessach — Passah — beginnt am 15. Nissan (Vollmond im März/April) und dauert in Israel sieben, in der Diaspora (Galut) acht Tage. Der Grund für den Unterschied ist, daß man früher, als ein weltweit einheitlicher Kalender schwierig war, sicher gehen wollte, daß alle Juden zur gleichen und zur rechten Zeit Pessach feiern. Da dieser Grund heute hinfällig ist, feiern Reformjuden und manche Konservative auch außerhalb Israels Pessach nur sieben Tage lang. Pessach ist von allen Festen wohl das Fest, das die meisten Juden einhalten. So ergab eine Umfrage von 1980, daß 99% der Juden Israels den ersten Pessachabend (Seder) feiern und daß 82% an den Festtagen keine verbotenen Speisen essen. Sonst aßen 1980 nur 79% der Juden Israels grundsätzlich koscheres Fleisch und nur 44% hielten sich an die Regeln des koscheren Essens. Pessach gehört mit Schawuot (dem Wochenfest) und Sukkot (dem Laubhüttenfest) zu den Wallfahrtsfesten, den Festen, die zur Zeit der beiden Tempel mit einer Pilgerfahrt nach Jerusalem und Opfern im Tempel begangen wurden. Pessach war der Anlaß für Jesus von Nazareth, nach Jerusalem zu ziehen, wo er gekreuzigt wurde. So ist Pessach der Ursprung der christlichen Kartage und des Osterfestes. ——————————————————————————– 2. Grundlage in der Thora ——————————————————————————– Grundlage für das Feiern von Pessach sind folgende Thorastellen: ER sprach zu Moses und Aaron im Lande Ägypten, sprach: »Diese Mondneuung sei euch Anfang der Mondneuungen, die anfängliche unter den Mondneuungen des Jahres sei sie euch. Redet zu aller Gemeinschaft Jisraels, sprechend. Am zehnten auf diese Neuung nehme sich jedermann ein Lamm, nach den Väterhäusern, ein Lamm auf das Haus. Sind aber im Haus zu wenige für ein Lamm, nehme ers und sein Anwohner, der seinem Hause nah ist, durch Beisteuer nach Seelenzahl, jedermann nach seinem Eßanteil sollt zum Lamm ihr steuern. Ein heiles, männliches, jähriges Lamm seis euch, von den Schafen und von den Ziegen sollt ihrs nehmen. Und in Verwahr seis euch bis zum vierzehnten Tag auf diese Neuung, dann metze es alles Gesamt der Gemeinschaft Jisraels, zwischen den Abendstunden. Und vom Blut sollen sie nehmen und an die beiden Pfosten geben und an den Türsturz, an den Häusern, darin sie es essen werden. Dann sollen sie in derselben Nacht das Fleisch essen, Feuergeröst, dazu Fladen, mit Bitterkräutern sollen sies essen. Eßt nimmer davon roh, noch gesotten im Wassersud, sondern Feuergeröst Kopf neben Beinen nebst Eingeweide. Laßt davon aber nichts verbleiben bis an den Morgen, was davon an den Morgen verbleibt, sollt ihr im Feuer verbrennen. Und also sollt ihrs essen: eure Hüften gegürtet, eure Schuhe an euren Füßen, euren Stecken in eurer Hand, in Hast sollt ihr es essen — Übersprungsmahl ist es IHM. Durchschreiten will ich das Land Ägypten in dieser Nacht und alljeden Erstling im Land Ägypten schlagen, von Mensch zu Tier, an allen Göttern Ägyptens will ich Gericht tun, ICH bins. Das Blut aber werde zum Zeichen für euch an den Häusern, darin ihr seid: ich sehe das Blut und überspringe euch; nicht euch zum Verderber sei der Stoß, wenn auf das Land Ägypten ich einschlage. Im Anfangsmonat, am vierzehnten Tag auf die Neuung zu Abend sollt ihr Fladen essen bis zum einundzwanzigsten Tag auf die Neuung zu Abend. Ein Tagsiebent werde nicht Gäre in euren Häusern gefunden, denn allwer Säuerndes ißt, gerodet werde jenes Wesen aus der Gemeinschaft Jisraels, seis Gast seis Landessproß. Allerart Säuerndes sollt ihr nicht essen, Fladen sollt ihr essen in all euren Siedlungen. …« Exodus 12 Dies sind des Herrn Festzeiten mit heiliger Versammlung, die ihr ausrufen sollt zu ihrer bestimmten Zeit: Im ersten Monat, am 14 Tag des Monats, gegen Abend ist Pessach für den Herrn. Am 15. Tage dieses Monats ist das Fest der ungesäuerten Brote für den Herrn. Da dürft ihr sieben Tage lang nur ungesäuerte Brote essen. Am ersten Tag ist heilige Versammlung für euch; da dürft ihr keinerlei Sklavenarbeit verrichten. Sieben Tage lang bringt dem Herrn ein Feueropfer dar; am siebenten Tage aber finde eine heilige Versammlung statt. Auch da dürft ihr keinerlei Sklavenarbeit verrichten. Leviticus 23, 4-8 … Iß nicht dazu Gesäuertes, ein Tagsiebent dazu noch sollst du Fladen essen, Notstandsbrot, denn in Hast bist du aus dem Land Ägypten gefahren … Deuteronomium 16, 1-8 ——————————————————————————– „Pessach ist das Fest der ungesäuerten Brote der Mazzot, die man im Gedenken an die ungesäuerten Brote unserer Vorfahren ißt: Der Auszug aus Ägypten mußte so rasch vollzogen werden, daß zum Säuern und Gährenlassen der Brote keine Zeit mehr blieb. Nun ißt man die ganzen acht Tage des Pessachfestes kein Brot, nur Mazzot, und darf auch nichts Gesäuertes im Haus behalten, so daß eine Umstellung des ganzen Haushaltes erforderlich ist, das größte Reinemachen erfolgt und fast alles Geschirr ausgewechselt werden muß.“ [Hirsch] ——————————————————————————– 3. Mazzot — Matzen ——————————————————————————– „Mazza [Plural Mazzot — Matze, ungesäuertes Brot] ist eine ungesäuerte dünne Waffel, die aus Wasser und einer der fünf Getreidearten — Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Spelt [Dinkel] — gebacken ist. Daher muß dieses Getreide und das Mehl, das aus ihm gewonnen wird, sorgfältig beaufsichtigt werden, um jeden verfrühten Kontakt mit Wasser oder einem anderen Säuerungsmittel zu vermeiden. Der ganze Backprozeß, von der Zeit, wo das Mehl mit Wasser zu einem Teig vermischt wird bis zur fertig gebackenen Mazza darf 18 Minuten nicht überschreiten. Heutzutage werden die meisten Mazzot mit Maschinen gebacken, obgleich es Leute gibt, die weiterhin handgebackene Mazzot vorziehen. Die Entwicklung der modernen Maschinen zum Teigkneten usw. hat es nicht nur ermöglicht, Mazzot von gleichmäßiger Qualität und Standard zu produzieren, sondern hat auch dem Prozeß größere Geschwindigkeit garantiert und dadurch die Gefahr des Säuern sehr verringert. Es ist unwichtig, ob die Mazzot rund oder quadratisch sind; die Form hat keinerlei Bedeutung. Wenn die Mazzot einmal fertig gebacken sind, besteht keine Säuerungsgefahr mehr. Daher werden aus fertigen Mazzot verschiedene Produkte hergestellt, wie Mazza-Farfel oder Mazza-Mehl (ein mehlartiges Produkt, das zum Kuchenbacken usw. benutzt werden kann).“ [Donin] Abbildung: Matzen (Mazzot) „Der Weizen für die Mazzot wird wenigstens vier Wochen vor Pessach gemahlen. Er darf weder ausgewachsen noch je vorher naß gewesen sein, damit jede Art von Gärungsprozeß vermieden bleibt. Die Mühle, worin man den Weizen mahlt, muß nur für diesen Zweck gebraucht oder doch mindestens vorher von allem Mehlstaub auf das peinlichste gereinigt, der Mühlstein sorgfältig überhauen, ein neuer oder mit neuem Leinen ausgeschlagener Mahlkasten und ein neuer Trichter über der Öffnung des Mühlsteins angebracht werden, die selbst immer zugedeckt bleiben soll, und das Mehl soll dann auch durch einen neuen Beutel oder Flor laufen. Schon das Mahlen des Weizens hat unter der Aufsicht frommer und zuverlässiger Sachverständiger zu geschehen. Auch die Säcke, in denen das Mehl aus der Mühle geschafft wird, sind zuvor zu waschen und zu trocknen und fortan vor jeder Nässe zu schützen, und der Boden, auf dem sie aufbewahrt werden, muß trocken sein. Das Wasser, das man zum Mazzotbacken braucht, muß reines Quellwasser sein und von einem Juden am Abend vor der Verwendung, zwischen Sonnenuntergang und Sternaufgang, in einem besonderen Gefäß geseiht werden. … All diesen Vorschriften entsprechend wird auch in modernen Mazzotbäckereien vorgegangen, die mit Maschinen für jede Teilhandlung des Prozesses ausgestattet sind.“ [Hirsch] „Und einige Tage vor dem Fest pflegt der ganze Haushalt mitten in seiner größten Revolution zu sein. Eiserne Geschirre, die man das Jahr über verwendet hat und auch für Pessach nicht entbehren kann (die meisten hat man ja für Pessach allein), müssen ‚gekaschert‘, das heißt für Pessach koscher gemacht werden: in dem Kessel, worin man es tut, muß reines kochendes Wasser sein, das Geschirr, das aber schon vorher reingewaschen, gerieben und geputzt ist, wird hineingetan, bis es ganz von siedendem Wasser bedeckt ist, dann herausgezogen und mit kaltem Wasser übergossen; metallenes Geschirr wird geglüht. … Kurzum, es ist die klassische Zeit fürs Schrubben und Putzen.“ [Hirsch] Während das Chamez-Verbot (s. unten) für die ganze Pessach-Woche gilt, gilt das Gebot, Mazza zu essen, nur für die Sedernacht „und dann erfüllt man das Gebot, indem man ein Stück ißt, das nicht kleiner als eine große Olive ist. Nach der ersten Nacht ist das Essen von Mazza völlig freigestellt. Kein Gebot wird verletzt, wenn man keine Mazza ißt, solange man kein Chamez zu sich nimmt.“ [Donin] ——————————————————————————– 4. Chamez — Gesäuertes ——————————————————————————– Chamez (Gesäuertes) ist: jede der fünf Getreidearten Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Spelt, die für mindestens 18 Minuten mit Wasser in Kontakt kam. Von solchem Korn oder Mehl wird angenommen, daß der Säuerungsprozeß begonnen hat Fleisch, Geflügel, Fisch Exodus 12,19 verbietet Hamez während der sieben Pessachtage 15. – 21. Nissan. „Chamez ist alles Gesäuerte, besonders Brotreste und ähnliches, und die Furcht davor ist besonders stark: Wenn nur ein Weizenkörnchen in einem Brunnen gefunden wurde, darf man das Wasser ganz Pessach nicht benutzen; am Abend vor Erew Pessach, dem Tag vor dem Fest, untersucht der Hausherr selbst, ein Licht in der Hand, noch einmal alle Ecken und Winkel, ob auch alles Gesäuerte fortgeschafft ist, nachdem er vor der Suche über diese Pflicht noch den Segen gesprochen hat.“ [Hirsch] Abbildung: Suche nach Gesäuertem (Chamez) in der Nacht vor Pessach Danach spricht der Hausherr: Aller Sauerteig und alles Gesäuerte, das sich in meinem Bereiche befindet, das ich jedoch nicht gesehen und darum nicht fortgeschafft habe, soll niemand gehörig, vernichtet und dem Staub der Erde gleich gehalten sein. „Den gleichen Spruch sagt man andern Morgens, am Erew Pessach etwa um zehn Uhr vormittags, wenn man alles Gesäuerte, das man bei der Untersuchung gefunden und zusammengescharrt hat, in einem besonders dazu angelegten Feuer verbrennt. … Alles Chamez aber, das man ja über Pessach nicht im Haus behalten darf, aber auch nicht gut verbrennen mag, Lebensmittel, Geschirr, Gefäße und Geräte, trägt man zusammen, packt es in Kisten und Kasten, schließt es in einen eigenen Raum im Keller oder auf dem Boden und verkauft, verschenkt oder vermietet den Raum wie den Inhalt einem Nichtjuden.“ [Hirsch] „Hätte es keine Alternative [zur Vernichtung von Chamez] gegeben, so hätten auch solche Verluste keine Schranke für Toratreue bedeutet, um die Gebote zu erfüllen. Aber es gibt eine legale Alternative: m’chirat chamez, der Verkauf des Chamez an einen Nichtjuden, mit einer Pro-Forma-Rechnung, die eine genaue Aufstellung des Chamez, seines Werts usw. enthielt, sowie einer Anzahlung dafür durch den nichtjüdischen Käufer. Obgleich man den Verkäufer beschuldigen kann, daß er nur an einem Verkauf ‚auf dem Papier‘ interessiert ist, ist die Legalität eines Verkaufs niemals von den Gefühlen oder den Absichten des Käufers oder des Verkäufers abhängig. Und da es eine legale Transaktion ist, genügt sie, um sich des Chamez auf legale Weise zu entledigen. Der nichtjüdische Käufer weiß gewöhnlich, daß er dem Verkäufer nach Pessach die Ware zu einem etwas höheren Preis zurückverkaufen kann und dadurch einen kleinen Profit aus dem Handel macht, den der Verkäufer ihm gern gönnt. Obwohl der Jude dem Nichtjuden versichern darf, daß er das Chamez zurückkaufen wird und ihm einen Gewinn an dem Handel anbieten kann, darf der Kaufvertrag unter keinen Umständen die Bedingung enthalten, daß sich der Nichtjude zum Rückverkauf, oder der Jude sich zum Rückkauf verpflichtet.“ [Donin] ——————————————————————————– 5. Seder ——————————————————————————– „Zu Haus beginnt das eigenartigste Fest, der stärkste Eindruck aller jüdischen Kinder, schon fast im Anblick des für den Seder bereiteten Tisches. Seder heißt nur Ordnung, hier ist die Ordnung gemeint, wonach die große häusliche Zeremonie der ersten beiden Festabende sich vollzieht, und so nennt man diese die Sederabende. So hell wie nur möglich ist das Zimmer erleuchtet, und in den glänzenden, spiegelnden Leuchtern brennen die beiden festlichen Lichter. Der Tisch ist strahlend weiß gedeckt, und der Hausherr zieht den weißen Kittel an, in den er einst von fremden Händen gekleidet werden wird … , er setzt das weißseidene, mit Gold- oder Silberbrokat bestickte Käppchen auf und bindet den schmalen, weißleinenen Gürtel um, denn gegürtet und wegbereit sollten unsere Vorfahren in Ägypten das Pessachmahl verzehren, ehe sie in die Freiheit gingen. Ehrfürchtig und staunend betrachten die Kinder den Tisch. Eine Haggada (‚Die Erzählung‘, das Buch dieser beiden Abende) liegt auf jedem Platz, ein Becher steht dahinter.“ [Hirsch] Abb.: Titelblatt und zwei Seiten einer amerikanischen Pessach Haggada von 1987 „Vier Becher Wein soll am Sederabend jeder trinken, Mann und Frau, alt und jung, arm und reich, unter Aufsicht geernteten, vergorenen, verpackten und als solchen bezeichneten Pessachwein oder auch Rosinenwein, den man allein bereiten kann und der den Kindern schmeckt und nicht schadet. Der Becher soll nicht zu klein sein und jedes von den vier obligatorischen Malen wenigstens halb geleert werden. Man trinkt ihn links angelehnt, besonders der Hausherr hält den Seder links angelehnt, wie ein freier Mann, denn dies war einst das Zeichen freier Männer im Morgenland, und am Pessach wurden wir freie Männer. Wie ein großes Geheimnis steht die Sederschüssel vor dem Platz des Hausherrn. Es ist eine große Platte oder Schüssel mit mancherlei Zierat“. [Hirsch] Abb.: Sederschüssel und Sederschälchen; 18./19. Jhdt. Aufschrift: „Und ihr sollt Fladen essen“ (Exodus 12,17) (Basel, Jüdisches Museum) „Auf der Schüssel liegen drei besondere Mazzot, dickere als die üblichen; jede ist von den anderen durch ein Tuch geschieden oder in einem eigenen Deckchenfach, jede ist besonders gekennzeichnet, und jede hat ihren eigenen Namen nach dem kultischen Rang unserer Vorfahren: die oberste Mazza Kohen, Priester, die mittlere Levi, Levite, die unter Jisrael, allgemeiner Israelit. Auf dem Tuch oder der Decke darüber liegen in der Anordnung wie sie gebraucht werden, die anderen Symbole der Feier: Petersilie (Eppich, Sellerie oder Kartoffeln) als Frucht der Erde Abbildung: Sedermahl jemenitischer Juden in Jerusalem Seder — die Ordnung — umfaßt nach traditioneller Gliederung 15 Teile, die jeweils mit einem aramäisch-hebräischen Begriff bezeichnet werden: 1. Kaddesch 2. Rechaz (uRechaz) 3. Karpas 4. Jachaz
5. Maggid Jede Nacht sonst essen wir doch gesäuertes und ungesäuertes Brot — heute nur Mazzot?
Haggadah Es folgt u.a. die eigentliche Erzählung, basierend auf Deuteronomium 26. Bei der Aufzählung der zehn Plagen, die Gott über Ägypten schickt, schüttet man bei jeder Plage einen Tropfen Wein zu Boden. Dann fährt die Haggada fort: „Rabbi Jossej aus Galiläa erklärte, daß diesen zehn Plagen in Ägypten fünfzig Plagen am Meere folgten, Rabbi Elieser, daß jede Plage aus vier verschiedenen Plagen zusammengesetzt, Rabbi Akiba, daß jede Plage fünffältig war, also daß die Ägypter zuerst fünfzigfach und dann zweihundertfünfzigfach gestraft wurde.“ [Hirsch] Dann singt man: Hätte uns Gott nur aus Ägypten geführt, und kein Gericht an jenen geübt — es wäre genug für uns. Hätte ER ihre Götter gerichtet, nicht auch ihre Erstgeburt — es wäre genug für uns. Hätte ER ihre Erstgeburt genommen und und uns nicht ihren Besitz gegeben — es wäre genug für uns. … doch ER hat all dies getan und das Meer gespalten, uns trockenen Fußes hindurchgeführt, unsere Feinde darein versenkt, uns vierzig Jahre durch die Wüste geleitet, uns mit Manna gespeist, uns den Schabbat gegeben, uns zum Sinai gebracht, uns die Thora verliehen, uns ins Heilige Land geführt und uns den Tempel gebaut zur Sühne aller Sünden.“ „Wer am Pessach nicht diese drei erwähnt, pflegte Raban Gamaliel zu sagen, der hat seine Schuldigkeit versäumt, nämlich: das Pessachopfer „Man bedeckt die Mazzot, hebt seinen Becher und spricht laut:“ Darum sind wir schuldig, zu danken, zu rühmen, zu verherrlichen, zu preisen, zu erheben, zu loben, zu benedeien, hochzuachten und zu verehren IHN, der unseren Ahnen und uns all diese Wunder tat, der aus der Fron zur Freiheit, aus Elend zur Freude, aus Trauer zum guten Tag, aus Finsternis zum großen Licht, aus aller Knechtseligkeit sie erlöst hat: so laßt uns IHM singen das Lied: Halleluja Man stellt die Becher wieder hin, deckt die Mazzot auf und singt die beiden ersten Hallel-Psalmen (Psalm 113 und 114). „Man bedeckt von neuem die Mazzot, man nimmt den Becher zur Hand, man spricht den Segen und dankt dem Gott, der unsere Väter aus Ägypten erlöst und uns bis zu dieser Nacht geleitet, Mazza und Maror zu essen.“ [Hirsch] So laß uns, Gott, auch fernerhin die Feste in Frieden erreichen, freudvoll durch Wiederaufrichtung deiner Stadt, froh in deinem Dienst … Dann wollen wir dir ein neues Danklied singen. Gepriesen seist du, Ewiger, Erlöser Jisraels. „Man spricht den Segen über den Wein und lehnt sich zurück, um den zweiten Becher zu leeren.“ [Hirsch] 6. Rechazah 7. Mozi und 8. Mazza 9. Maror 10. Korech 11. Schulchan orech 12. Zafun 13. Barech „Man öffnet die Tür ins Freie — dem Propheten Elia, Gottes ewigem Sendboten, für den ein voller Becher Wein bereit auf dem Tische steht, und den Menschen, denen die folgenden Worte gelten — und ruft diese Worte aus …:“ [Hirsch] Schütte deine Glut aus über die Stämme, die dich nicht kennen wollen, über die Sippen, die deinen Namen nicht rufen! Denn sie verzehren Jaakob, verzehren ihn, sie verheeren ihn, seine Trift verstarren sie! Schütte deine Glut über sie aus! Dein brennender Grimm treffe sie! Verfolge mit Wut und vertilge sie, daß sie nicht mehr zu finden sind unter Gottes Himmel! 14. Hallel und 15. Nirza Nun singt man mittelalterliche Lieder. Dann wünschen sich alle: Leschana haba’a b’Jeruschalajim! — Nächstes Jahr in Jerusalem! Man spricht den Weinsegen, trinkt das letztemal den Becher leer und sagt das Dankgebet. Dann singen alle: Die Pessachordnung ist vollbracht Es folgen verschiedene Lieder: „Adir hu — Mächtig ER“: ein Lied, dessen Anfangsbuchstaben das ganze Alphabet ausmachen Dreizehn, wer weiß es?
„Chad Gaja — das Lied vom Böcklein“ — nach der Art der weitverbreiteten Joggele-Lieder — über die Katze, die den Pessachbraten gefressen hat und damit eine Kettenreaktion an Strafen auslöste: Ein Böcklein, ein Böcklein, das gekauft Vaterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein. … Es kam Gott das Herrlein und metzgete das Totenengelein, das gemetzget das Metzgerlein, das gemetzget das Stierlein, das getrunken das Wasserlein, das gelöscht das Feuerlein, das verbrannt das Stöcklein, das geschlagen das Hündlein, das gebissen das Kätzlein, das gegessen das Böcklein, das gekauft Vaterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein Bevor man schlafen geht, spricht man nicht das volle Abendgebet, sondern nur das Kernstück mit dem „Schema — Höre Jisrael“. Besonders Fromme lesen in dieser Nacht noch das ganze Hohelied. „Für die Festtage gilt natürlich auch ein Arbeitsverbot wie für den Schabbat, jedoch ist es in mancher Hinsicht lockerer. So pflegt man auch am Jom tow kein neues Feuer anzuzünden, aber ein schon brennendes zu benutzen.“ Während am Schabbat Rauchen verboten ist, darf man am Festtag rauchen, „nur allerdings pflegt man nicht ein Streichholz oder Feuerzeug zu benutzen, sondern die Zigarette an einem anderen, schon brennenden Feuer anzuzünden. Und jede Arbeit für den Tagesbedarf, wie Kochen und Backen, ist erlaubt. Die zwischen den ersten und letzten beiden Hauptfeiertagen liegenden vier Tage — Chol hamoed — sind Halbfeiertage, an denen man nicht arbeiten soll, jedoch ist leichtere und jede nötige Arbeit gestattet.“ [Hirsch] So darf man an Halbfeiertagen z.B., im Gegensatz zum Schabbat, schreiben, kochen, heizen, einkaufen und dergleichen. ——————————————————————————– 6. Omerzählen ——————————————————————————– Dann zählt vom Tag nach dem Sabbat [dem ersten Tag des Pessach] … sieben volle Wochen bis zum Tage nach dem siebenten Sabbat, zählt also 50 Tage … Beginnend am zweiten Pessachabend und danach jeden Abend ist es religiöse Pflicht, volle sieben Wochen (49 Tage lang) die Tage zu zählen. Der 50. Tag ist Schawuot (diesem Datum entspricht das christliche Pfingsten). Das Zählen geschieht so: Jeden Abend spricht man folgenden Segensspruch: Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, das Omer zu zählen. Dann sagt man, welcher Tag des Zählens dieser Tag ist, und wieviel Tage und Wochen das sind, z.B.: „Heute sind 5 Tage im Omer“ In den ersten 33 Tagen des Omerzählens (Sefira) sollen im 2. Jahrhundert n. Chr. viele Tausend von Rabbi Akibas Schülern an einer Plage gestorben sein, deshalb werden diese 33 Tage als teilweise Trauer begangen: es finden keine Hochzeiten statt ——————————————————————————– Zum nächsten Abschnitt: 10. Schawuot ——————————————————————————– |