FTD-online:Die Pharma-Industrie jubelt..
siehe auch FEMs Texte vom 7.10. zum Medizinnobelpreis für Prof. Dr. zur Hausen, Heidelberg – Papillomavieren & Krebs.
Titel der 3 Texte, bezogen auf die Viren: „Unfeine Gesellen“.
Geadeltes Medikament
Der Nobelpreis an einen deutschen Krebsforscher ist eine gute Nachricht für die Pharmaindustrie. Eine bessere PR für die umsatzstärkste Arznei gibt es kaum.
Virus als Krebsursache: Deutscher Krebsforscher erhält Nobelpreis (http://www.ftd.de/forschung_bildung/forschung/:Virus-als-Krebsursache-Deutscher-Krebsforscher-erh%E4lt-Nobelpreis/422415.html)
Medizin-Nobelpreis: Große Freude, großer Zwist (http://www.ftd.de/forschung_bildung/forschung/:Medizin-Nobelpreis-Gro%DFe-Freude-gro%DFer-Zwist/262781.html)
In den Vorstandsetagen der Pharmaindustrie dürften am Montag die Champagnerkorken geknallt haben. Der Medizinnobelpreis für den Heidelberger Krebsforscher Harald zur Hausen kommt gerade recht – um einem absoluten Verkaufsschlager der Branche neue Kraft zu schenken.
Der deutsche Virologe gilt mit der Entdeckung der humanen Papillomaviren (HPV) als Vater des Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs. Dank seiner bahnbrechenden Erkenntnisse konnten die Pharmariesen GlaxoSmithKline und Merck & Co die weltweit ersten Impfstoffe gegen Krebs entwickeln – ein Meilenstein der Medizin, ein Durchbruch.
Und ein Milliardengeschäft: Allein in Deutschland avancierte der HPV-Impfstoff im Jahr 2007 in wenigen Monaten zum umsatzstärksten Medikament in der ambulanten Versorgung, zu einem guten Teil verantwortlich für die gestiegenen Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Es war ein beispielloser Eroberungszug, angetrieben von den PR-Strategen der Unternehmen, einem bis dahin unbekannten Medienhype und den Krankenkassen, die sich gegenseitig auszustechen versuchten. Im Wettbewerb mit der Konkurrenz waren sie bereit, ihren Versicherten die prestigeträchtige Impfung auch für den Rekordpreis von rund 450 Euro zu bezahlen.
Inzwischen droht der Glanz jedoch zu verblassen. Ärzte und Gesundheitsökonomen zweifeln zunehmend am Nutzen der Impfung. Sie wirkt nur gegen die zwei häufigsten Virenarten, gegen 30 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs kann das Medikament nichts ausrichten. Und wie langfristig der Schutz wirkt, ist nicht erforscht. Anders als Deutschland verweigerte beispielsweise Österreich die Aufnahme der HPV-Impfung in das nationale Impfprogramm – die Immunisierung sei zu teuer. Im Kern geht es um die für jedes Gesundheitssystem essenzielle Frage: Rechtfertigt der erwartete Nutzen der Behandlung die hohen Kosten?
Gerade durch den Hype um die HPV-Impfung war diese Auseinandersetzung bislang schwierig. Eine rational geführte Debatte dürfte künftig noch komplizierter werden. Durch den Nobelpreis wird der Impfstoff geadelt, die Marketingmaschine der Arzneimittelhersteller dürfte von Neuem anlaufen.
Der Brisanz ihrer Entscheidung waren sich die Juroren am Karolinska-Institut in Stockholm durchaus bewusst. Sie könnten nicht steuern, wie Konzerne den Nobelpreis ausschlachteten, gaben sie zu Protokoll – und schoben dann listig nach, dass der hohe Preis des Impfstoffs durchaus ein Problem sei. Wie die PR-Strategen dies wohl in ihre Kampagnen einbauen?