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Hessischer Rundfunk
Jubiläum im Schatten
VON DALAND SEGLER
Vermutlich werden sie heute anstoßen im Hessischen Rundfunk: Vor 60 Jahren, am 2. Oktober 1948, hat der Landtag das „Gesetz über den Hessischen Rundfunk“ beschlossen und damit den Geburtstag des Frankfurter Senders festgelegt. Aber so richtig Freude am Feiern werden sie kaum haben. Denn heute früh wird am Frankfurter Landgericht auch das Urteil gegen den ehemaligen HR-Sportchef Jürgen Emig verkündet, und der Richterspruch dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Schatten auf den Sender werfen.
Der Angeklagte hat während des Prozesses ja versucht, Verantwortung für sein Handeln auf die HR-Oberen abzuschieben, nach dem Motto: Die haben mich machen lassen. Und die Zeugen aus dem Sender konnten dazu nicht unbedingt überzeugende Gegenargumente beibringen: Ein Revisor, der sich vom Richter fragen lassen muss, ob das Haus einen Kopierer habe, steht nicht eben gut da. Je milder das Urteil ausfällt, desto dunkler dürfte also der Schatten auf der Anstalt lasten.
Die stand in ihrer Geschichte wohl selten, wenn überhaupt, so schlecht da wie derzeit. In der Frühzeit des Nachkriegsfernsehens im damals fast zur Bundeshauptstadt beförderten Frankfurt und im zum Bundestag vorgesehenen Rundbau an der Bertramstraße spielte der Sender eine wichtige Rolle im Verbund der ARD, steuerte in den fünfziger und sechziger Jahren vor allem in der Unterhaltung Produktionen von fernsehhistorischer Bedeutung bei wie Bernhard Grzimeks „Ein Platz für Tiere“ oder Hans-Joachim Kulenkampffs große Samstagabendshow „Einer wird gewinnen“, wusste mit Wolf Schmidts Serie „Familie Hesselbach“ auch regionale Wurzeln zu schlagen.
An solche Erfolge vermochte der Sender später aber nicht mehr anzuknüpfen, zumal die große Show am Samstag aus der Mode kam; bald blieb dem Sender nur mehr der Börsenbericht aus Frankfurt und das Wetter – beides einzig wegen des Standortvorteils. Und ein originäres HR-Format wie „Late Lounge“ wurde bald wieder gekippt. Immerhin hat man, seit Liane Jessen Fernsehspielchefin ist, wieder mehr TV-Filme mit Niveau vorzuweisen, der Frankfurter „Tatort“ gehört gar zu den besten Krimis in der ARD.
Heute sieht sich der Sender auch als Opfer finanzieller Zwänge, jedenfalls hat Intendant Helmut Reitze offenbar versucht, ähnlich wie der RBB auch ein wenig mehr Geld aus dem Topf des Senderverbunds zu bekommen – vergeblich, wie es jetzt aus der ARD hieß. Aber für ein Glas Sekt zum 60. dürfte es noch reichen.
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Dokument erstellt am 01.10.2008 um 17:08:02 Uhr
Letzte Änderung am 01.10.2008 um 18:54:49 Uhr
Erscheinungsdatum 02.10.2008