PRESSE-SHOW: PKK-Spitze distanziert sich von Entführung deutscher Bergsteiger

Quelle – spiegel-online.de/ Vorwürfe: Das deutsche Innenministerium oder das Auswärtige Amt hätten eine Reise-Warnung herausgeben müssen, da Hinweise auf „Unruhe“ vorlagen…wegen des deutschen Verbots eines kurdischen TV-Senders in Dänemark:
PKK-Spitze distanziert sich von Entführung deutscher Bergsteiger

Die drei deutschen Entführten sind wohlauf – das teilte die kurdische PKK am Sonntag in einer Erklärung mit. Die PKK-Spitze teilte mit, die Geiselnahme sei von einer lokalen Gruppe ohne Absprache erfolgt. Gleichzeitig stellte sie aber neue Forderungen an die Bundesregierung.

Ankara – Laut Erklärung der PKK gehe es den drei entführten Bergsteigern aus Deutschland gut. „Wir werden Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Touristen sicher und wohlbehalten zu ihren Familien zurückkehren“, ließ die PKK am Sonntag über die pro-kurdische Nachrichtenagentur Firat verbreiten. „Voraussetzung für den Erfolg unserer Initiative ist aber, dass der türkische Staat seine Operationen einstellt.“ Dazu gehöre auch, dass er die Suche nach den Entführten abbreche.

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PKK-Kämpfer: „Stark genug, deutschen Wirtschaftsinteressen zu schaden“

Die PKK forderte die Bundesregierung auf, Druck auf die Türkei auszuüben. Berlin solle sich dafür einsetzen, dass Ankara die militärischen Einsätze gegen die PKK stoppe. Die PKK betonte, die drei Deutschen seien von einer lokalen Gruppe ohne Absprache mit der PKK-Führung verschleppt worden.Sie distanzierte sich von der Geiselnahme und machte dem ZDF-„heute journal“ zufolge eine „Eigeninitiative der Provinzkommandantur“ verantwortlich.

Die Entführung richte sich nicht gegen das deutsche Volk, sondern gegen die Politik unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU), heißt es laut Firat in der Erklärung. Hätte die PKK Ressentiments gegen die deutsche Nation, „dann hätten wir deutschen Wirtschaftsinteressen in der Türkei sehr viel größeren Schaden zufügen können. Wir sind stark genug, solchen Schaden anzurichten“.

Die drei Bergsteiger wurden am Dienstag auf dem Berg Ararat im Osten der Türkei verschleppt. Die verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) macht ihre Freilassung davon abhängig, dass Berlin seine Politik gegenüber der Gruppe ändert.

Merkel appellierte in der „Bild am Sonntag“ an die Entführer, die Deutschen umgehend und unversehrt freizulassen. Die Bundesregierung werde alles tun, um ihre Freilassung zu erreichen und arbeite dabei eng mit der Türkei zusammen. Merkel machte deutlich, „dass die Bundesregierung sich von den Entführer nicht erpressen lässt“. Am Sonntag wollte die Kanzlerin am Rande des Mittelmeer-Gipfels in Paris mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan das weitere Vorgehen beraten.

Ministerpräsident Erdogan versicherte in Paris, seine Regierung werde „alles tun“, damit die Deutschen „schnell und unversehrt“ freikommen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Sonntag in Paris, der Krisenstab im Auswärtigen Amt tue alles Mögliche, um zu einer baldigen und, vor allem, bedingungslosen Freilassung der Geiseln zu kommen. Mehrere Medien berichteten, es seien vier Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) am Berg Ararat angekommen. Nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu nahm eine sechsköpfige Delegation, zu der zwei Polizisten gehören, Gespräche mit dem Gouverneur der osttürkischen Provinz Agri und lokalen Militärs auf.

Die Regierung in Berlin wies zugleich Vorwürfe wegen einer fehlenden Reisewarnung für das Entführungsgebiet in der Osttürkei zurück. Bis zu der Entführung habe es keine Auffälligkeiten in der Region gegeben, hieß es. Deshalb sei das Gebiet bis dahin auch nicht in die Warnungen aufgenommen worden.

Der Führungskader der PKK hatte die Bundesregierung nach Informationen des SPIEGEL bereits gut eine Woche vor der Entführung vor „negativen Konsequenzen“ ihrer Kurdenpolitik gewarnt. Der Exekutivrat der „Vereinigten Gemeinschaften Kurdistans“, nach dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan so etwas wie die zweithöchste Instanz im Kampf der Kurden, hatte demnach Ende Juni gefordert, die „feindliche Politik gegen das Kurdische Volk und seine Befreiungsbewegung“ aufzugeben.

Kurz darauf hatte die türkische Polizei an das BKA gemeldet, in kurdischen Kreisen herrsche Unruhe. Möglicherweise könne es zu Anschlägen und Entführungen kommen. Das BKA habe die Länder-Innenministerium daraufhin am 2. Juli gewarnt.

Innenstaatssekretär August Hanning bestätigte dem SPIEGEL ebenfalls, es habe schon vor der Entführung Hinweise aus der Türkei gegeben. Nun müsse man sich möglicherweise auch im Inland auf eine neue Gefahrenlage einstellen.

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Entführung – wie umgehen mit der PKK?

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Neuester: Heute 21:30 Uhr

von Gökhan

Die zehn Tour-Kameraden der entführten Bergsteiger kehrten am späten Freitagabend unversehrt nach Bayern zurück. Am Münchner Flughafen wurden sie abgeschirmt und unter Polizeischutz vermutlich zu ihren Wohnorten gebracht. Sie sollten schnellstmöglich vernommen werden, hieß es. Einzelheiten dazu wurden am Wochenende nicht mitgeteilt.

Die in Europa und in den USA als Terrororganisation eingestufte PKK ist in Deutschland seit 1993 verboten. Sie kämpft seit 1984 für mehr Selbstbestimmung im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten der Türkei.

CHRONIK: ENTFÜHRTE DEUTSCHE IM AUSLAND

2008’07’06’05’03’0120001997’96’89’87

Juli, Türkei: Drei deutsche Alpinisten (65, 47, 33) werden am Berg Ararat von PKK-Kämpfern entführt. Die Geiselnehmer fordern einen Kurswechsel in der deutschen Kurdenpolitik. Deutsche Behörden hatten zuvor den in Dänemark ansässigen Kurdensender Roj TV verboten.