supissima: JUST A KISS / GB 2003/ARTE/5/08

Wiederholung gestern auf ARTE, nicht im TV-Programm, daher suchte Jaime heute vergebens ..nach dem Titel, weil wie so oft, den Anfang verpasst…aber auf ARTE selbst, dann fündig geworden. Die Filmkritik auf ARTE unterscheidet sich GÄNZLICH von feminissimas..Begeisterung..über den Film und seinen Humor.

Vielleicht hat fem den Film politisch-menschlich empfunden und weniger primär „cineastisch“, (in den Texten der live Site, heute)
Montag 5. Mai 2008 um 21.00 Uhr

Just a kiss

Großbritannien, 2003, 103 Min.

Regie: Ken Loach

Mit Atta Yaqub, Eva Birthistle, Shabana Bakhsh

Synopsis: Der attraktive Casim – Sohn einer pakistanischen Einwandererfamilie – lebt in zwei Welten. In wenigen Wochen soll die Hochzeit mit seiner hübschen Cousine aus Pakistan stattfinden, die er bislang kaum kennt. Seine streng muslimischen Eltern sind bereits in Vorbereitungen für das große Familienfest. Andererseits legt Casim in den angesagtesten Clubs Glagows auf und will eine eigene Discothek eröffnen. Als sich Casim und eine junge Irin ineinander verlieben, ist das der Anfang von vielen Problemen…

Ken Loach ist sicher einer der politisch engagiertesten britischen Filmemacher. In seinem Film „Just a kiss“ nimmt er sich erneut eines aktuellen Themas an: Wie steht es mit der Liebe zwischen Kindern der 2. Generation von Einwandererfamilien, die sich in Nicht-Muslime verlieben? Obwohl es für den modernen, aufgeschlossenen Casim und die selbständige Roisin Liebe auf den ersten Blick ist, bekommen die beiden von allen Seiten Hindernisse in den Weg gelegt.

Für Casims Familie ist es undenkbar, dass ihr Sohn mit einer „goree“, einer Europäerin zusammen ist, diese Tatsache beschmutzt die „izzat“, die Familienehre. Dies geht soweit, dass die Eltern des Bräutigams von Casims Schwester die bereits fest beschlossene Hochzeit wieder absagen.

Ken Loach stellt all diese komplexen Verflechtungen und Probleme sehr detailliert und nachvollziehbar dar, die in der Familie Casims entstehen, nachdem Casim seine Cousine nicht mehr heiraten will. Auch bei Roisin gibt es Probleme, nachdem bekannt wird, dass sie in wilder Ehe mit einem Nichtchristen zusammenlebt. Der zuständige Priester will ihr deshalb ein Dokument nicht unterschreiben, das sie für ihren Arbeitsvertrag an der katholischen Schule benötigt. Drehbuchautor Paul Laverty hat wohl versucht, ein Gegengewicht zur Familie Casims zu schaffen, aber die für Roisin entstehenden Probleme wirken allesamt konstruiert und überzogen. Der Priester scheint eine böse Karikatur eines Pfaffen zu sein.

Roisin selbst ist unsensibel und egozentrisch. Es scheint ihr absolut unmöglich zu sein, sich in die Probleme Casims hineinzuversetzen. Entscheidet sich Casim für seine Liebe mit ihr, verliert er seine Familie. Deshalb versucht er, seine Beziehung mit Roisin heimlich zu leben, doch Roisin duldet „keine Lügen“ und stellt ihn stets vor die Entscheidung: sie oder seine Familie. Vielleicht wäre es gut gewesen, die Figur der Roisin etwas sensibler anzulegen, dann wäre es für den Zuschauer möglich, auch mit ihr mitzuempfinden. Die Besetzung – vor allem mit Laiendarstellern – ist Ken Loach wie immer gut gelungen, dafür beweist er seit Jahren ein hervorragendes Gespür. Ob das Ende ein „Happy End“ ist – wie Loach auf der Pressekonferenz bekräftigte – oder nicht, dass muss jeder Zuschauer selbst entscheiden.

Nana A.T. Rebhan

Die Liebesgeschichte eines pakistanischen Romeo und einer irischen Julia im heutigen Schottland. Der Stoff ist uralt, und doch wagt es Ken Loach, einmal mehr die familiären und sozialen Konflikte anzuprangern, die hinter der Fassade der Liebesromanze schwelen – er tut es jedoch weitaus behutsamer als gewöhnlich. Mit dieser so beschwerlichen Liebesgeschichte entfernt sich der Regisseur von seinen bevorzugten Sujets aus dem wütenden und heruntergewirtschafteten Großbritannien der Thatcher-Ära, aus denen seine schönsten Filme entstanden sind: „Poor Cow“ (1967), „Ladybird Ladybird“ (1994), „My name is Joe“ (1998) und „Sweet Sixteen“ (2002), der mit großem Erfolg beim Festival von Cannes gezeigt worden ist.

Atta Yaqub vereint Sinnlichkeit und Sexappeal in seiner Rolle als zärtlicher und manchmal etwas unaufmerksamer Geliebter Roisins. Dem Laienschauspieler nimmt man nicht nur Casims introvertierten, schüchternen Charakter ohne weiteres ab, sondern auch dessen Gratwanderung zwischen zwei Welten: einerseits die Freiheit als DJ in den Clubs und in seiner Beziehung zu Roisin, andererseits die Verwurzelung in der Familie, die ihn erdrückt und erpresst, die er aber doch so liebt.

Manchmal kann Humor das Gleichgewicht herstellen und auch im Dramatischen für ein erlösendes Lachen sorgen. Beim recht unsanften Klaviertransport während Roisins Umzug kommt es zum witzigen Schlagabtausch mit den urwüchsigen irischen Möbelpackern: „Sie sind Irin? Warum haben Sie dann nicht Flöte spielen gelernt!“ Außerdem erfährt man, wie man einen Hund auf ziemlich sadistische Weise darin hindern kann, auf ein Schild zu pinkeln.

Doch die tägliche Gewalt lässt alles wieder kippen: Von den schockierenden Szenen des Films bleibt besonders die Konfrontation Roisins mit einem katholischen Pfarrer in Erinnerung, deren Brutalität nur noch als vulgär zu bezeichnen ist. Zwischen schmerzhaften Entscheidungen hin und her gerissen streitet sich das schöne ungewöhnliche Paar, versöhnt sich wieder und fordert sein Glück heraus. Der Film endet mit einem schönen Einfall Ken Loachs, der hier auf Vertrautes, selbst Erlebtes setzt: ein halbherziger Streit zwischen Casim und Roisin, der teils auf nachtragendem Groll, teils auf Liebe gründet.

Und doch: Vielleicht liegt es an den zu schönen Schauspielern oder an der zeitweilig zu naiven Handlung, dass in „Ae Fond Kiss“ eine merkwürdige Leere herrscht, eine zu abstrakte Klarheit, die den Film unnahbar macht, die Emotionen des Zuschauers kalt lässt und nur ein leeres Gerüst zurückbleibt.

Delphine Valloire

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Just a kiss

(Großbritannien, 2003, 103′)

Regie: Ken Loach

Mit Atta Yaqub, Eva Birthistle, Shabana Bakhsh

Montag 5. Mai 2008 um 21.00 Uhr

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