PRESSE-SCHAU: Haßtiraden gegen Lehrer im Internet

ausgewählt: SZ-ONLINE.de von heute:
22.11.2007 17:00 Uhr

Schrobenhausen
Hasstiraden gegen Lehrer
Für den Direktor des Schrobenhauser Gymnasiums muss die Nachricht ein Schock gewesen sein: Im Internet verbreiten einige seiner Schüler Mordphantasien gegen Lehrer.
Von Stefan Mayr

Bis vor wenigen Tagen war Alex Naundorf überzeugt, dass an seiner Schule ein „sehr, sehr gutes Klima“ herrsche zwischen den 1100 Schülern und den 80 Lehrern. „Deshalb hat uns das Ganze auch besonders tief getroffen“, berichtet der Direktor des Schrobenhausener Gymnasiums.

„Das Ganze“ – das sind äußerst unappetitliche Äußerungen in einem lokalen Internetforum. Unter der Rubrik „Hasslehrer“ beschimpften etwa 30 Schüler ihre Lehrer, dabei übertrumpften sie einander mit „beleidigenden und verleumderischen Behauptungen“, wie es Oberstudiendirektor Naundorf formuliert. Drei Schüler äußerten sogar den Wunsch, ein Lehrer „müsste getötet werden“.

Als die Pädagogen von diesen Äußerungen erfuhren, waren sie geschockt. „Eine Lehrerin hat eine Woche lang den Unterricht nicht wahrnehmen können“, sagt Naundorf, in die Klasse mit dem Urheber dieser Worte gehe sie bis heute nicht.

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt nahm Ermittlungen auf, stellte diese aber schnell wieder ein. Oberstaatsanwalt Wolfram Herrle bestätigt zwar, dass mehrere Beleidigungen geäußert wurden und in drei Fällen vom „Töten und Umbringen“ die Rede war. „Aber bei den Tätern handelt es sich ausschließlich um schuldunfähige Kinder“, sagt Herrle.

Die Schüler seien von der Polizei befragt worden, dabei hätten sie glaubhaft versichert, es nicht so ernst gemeint zu haben. „Die kommen alle aus ordentlichen Verhältnissen“, betont Herrle.

Während die Ermittler ihre Akten geschlossen haben, will Schulleiter Naundorf auf keinen Fall zur Tagesordnung übergehen. „Das wird auf jeden Fall Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen.“ Er kündigt „Verweise und verschärfte Verweise“ an, den Ausschluss von der Schule schließt er nicht aus. „Wir sind noch mitten in den Gesprächen des Disziplinarausschusses“, sagt Naundorf.

Die Äußerungen gingen weit unter die Gürtellinie
Mit den mitteilungswütigen Schülern habe er ebenfalls gesprochen. „Sie haben ihre Fehler eingesehen und Reue artikuliert“, berichtet der Direktor, „in einem Fall steht die Glaubwürdigkeit dieser Reue allerdings dahin.“

Naundorf selbst ist einer der acht Lehrer, die verunglimpft wurden. „Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagt der 63-Jährige, „die Lehrer waren allesamt platt und sind auch noch nicht darüber hinweg.“ Bestürzend sei das junge Alter der Schüler (zwölf bis 14) und das Niveau der Äußerungen gewesen. „Das war unterhalb der Grasnabe.“

Naundorf und seine Lehrer versuchen nun, die Vorkommnisse „pädagogisch aufzuarbeiten – und zwar in beide Richtungen“. Er räumt ein, dass es an jedem Gymnasium Lehrer gebe, die „mitunter unglücklich agieren“.

Für das Kultusministerium sind die Entgleisungen gegenüber Lehrern im – vermeintlich – anonymen Internet kein Einzelfall. „In dieser Schärfe ist es aber noch nie vorgekommen“, sagt Sprecher Ludwig Unger.

Der Betreiber der Internetplattform wollte persönlich keine Stellung nehmen, gab auf seiner Internet-Seite aber eine schriftliche Erklärung ab. Darin weist er jede Verantwortung von sich: „Als ehrenamtliche Administratoren einer so großen Online-Community mit mehr als 150.000 registrierten Mitgliedern werden wir leider nie ausschließen können, dass sich Vorfälle wie am Schrobenhausener Gymnasium wiederholen können.“

Vorwürfe an Schulleitung
Sodann geht der Plattform-Betreiber zum Frontalangriff auf die Schule über: „Wir sind nicht froh über die Vorfälle, aber genauso wenig über die Schulleitung, die es versäumt hat, unverzüglich offiziell Kontakt mit der Kripo und uns aufzunehmen, um Ungereimtheiten so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen.“

Außerdem könne er nur staunen, wenn er lese, „dass die Erziehungsberechtigten von 337 Mitgliedern dieser Schul-Gruppe und auch die Schulleitung angeblich nichts davon mitbekommen, was ihre Kinder nachmittags im Internet machen.“ Schließlich sei ein Großteil der beanstandeten Zitate „schon seit mindestens vier Wochen auch in Lehrerkreisen nachweislich bekannt gewesen“.

Bereits vor einem Jahr war das Internet-Forum in die Schlagzeilen geraten, weil Schüler des Pfaffenhofener Schyren-Gymnasiums einen Film hineingestellt hatten, der den Wutanfall einer Lehrerin zeigt, die vorher bewusst provoziert worden war. Weder in diesem noch im aktuellen Fall aus Schrobenhausen gab es rechtliche Konsequenzen gegen die Online-Plattform. Das Forum „Hasslehrer“ wurde gelöscht.

(SZ vom 23.11.2007/bica)

Kommentare

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22.11.2007 18:25:33

Vitis: Irgendwann lesen wir in der Zeitung…

… dass ein Lehrer Amok lief. Ganz oben auf der Liste waren die Hassschüler mit den vielen Pickeln, die ihre Verse nie konnten.

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22.11.2007 18:21:34

treasurer: Ursachlichkeiten

Das Induvidum der Schüler trifft in der Person des Lehres auf das System. Das System fordert Leistung, der Schüler ist befindet sich in der `Bringschuld`. Alleine dies und die Weiterungen führen unter Umständen zu einem emotional sehr angespannten abhängigkeits Verhältnis. Etwaige äußerungen ( beiderseits) sollten daher weder überbewertet noch einfach übergangen werden.

Was mich persönlich stört ist die Utopie und der heile Weltglaube einiger wir würden in einer gewaltfreien Gesellschaft leben. Ein Lebewesen das nach und nach alle anderen Lebewesen samt ihrem Lebensraum niedermacht ( und den eigenen auch mit ) hat eigentlich das Anrecht als gewaltfrei angesehen zu werden verspielt. Noch dazu wo Gewalt bzw die gewaltssame Lösung bei allen möglichen `Konflikten`, von Pflanzenkrankheiten ( Totspritzmittel ), bishin zu Nationalen Konflikten ( Totschießmittel ) an beinah oberster Stelle propagiert wird.

Die Gewalt kommt NICHT durchs Internet oder KILLERSPIELE zu uns. Sie ist längst unter uns. Wir verGEWALTIGEN diesen Planet und seine Lebewesen jeden Tag und deshalb ist die Menschheit auch so Gott-Los.

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22.11.2007 18:20:08

Gerhard Berlin: Hasstiraden gegen Lehrer

Man sollte die ganze Angelegenheit etwas gelassener angehen, vor allem mit pädagogischen Mitteln – statt mit der Polizei.
Das aber ist gerade das Problem, es gibt viel zu wenig pädagogisch ausgebildete Lehrkräfte, viele sind völlig überfordert und haben den Beruf gewählt – nicht, weil sie Kinder pädagogisch erziehen wollen – sondern um sich selbst ein „angenehmes Leben“ zu machen. Nach dem Motto: «ich studier’ mal dies und das, wenn es nichts wird, kann ich ja noch Lehrer werden.»
Deutschland wäre gut beraten, an seine Lehrkräfte höhere Ansprüche zu stellen – mit einer Kontrolle des Erfolges, auch z. B. der Weiterbildung. Die unfähigen sollten sich dann aus dem Lehramt verabschieden müssen.
Ich kann mich noch gut an meine Schulzeit (Grundschule/Gymnasium) erinnern, auch da gab es „verhasste“ Lehrer – und oft zu Recht: unfähig, ungerecht (Lieblinge), launisch und teilweise ungepflegt (sie stanken nach Schweiss, ein Ei-Fleck auf dem Hemd hielt 2 Wochen). Bei einigen wenigen haben wir es geschafft, sie „loszuwerden“ – das war in den 1970er Jahren.
So viel hat sich an der Schule nicht verändert, ausser dass das Ausbildungsniveau vieler Lehrer gesunken ist – bei gestiegenen Ansprüchen durch eine gemischtere Schülerzusammensetzung.

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Profil ansehen 22.11.2007 18:04:16

Hummel119: Hallo?

solche Sprüche findet man in Schulen doch an jeder Klotür. Und Schüler in diesem Alter sind nun mal auf Kravall gebürstet und Feind Nummer 1 ist der Lehrer. Also locker bleiben im Kollegium.

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22.11.2007 17:40:40

talrasha86: Falsche Methode

„Er kündigt „Verweise und verschärfte Verweise“ an, den Ausschluss von der Schule schließt er nicht aus.“

Das ist natürlich genau die falsche Methode. Was hofft der Direktor damit zu erreichen? Der Hass ist mit diesen Maßnahmen sicher nicht weg. Und wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis ähnliche äußerungen seitens der Schüler wieder im endlosen Netz auftauchen…

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