QUELLE: AP/NETZEITUNG.de
Journalistin wirft Muhabbet Extremismus vor
13. Nov 19:37
Muhabbet gilt als Vorbild für Integration junger Türken in Deutschland. Doch nun stehen Vorwürfe einer HR-Redakteurin im Raum, die einen Schatten über den deutsch-türkischen Musiker werfen.
Die Aktion sollte vereinen: Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein Pariser Kollege Bernard Kouchner nahmen am Montag zusammen mit dem deutsch-türkischen Musiker Muhabbet in Berlin dessen Song «Deutschland» auf. Das Stück drückt unter anderem aus, dass Migrantenkinder etwas aus sich machen sollen.
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Doch über dem Integrationsprojekt liegt nun ein Schatten. Die preisgekrönte HR-Redakteurin Esther Schapira berichtete von einer extremistischen Äußerung Muhabbets und kritisierte die PR-Aktion mit dem Außenminister. Dieser wiederum verteidigte den Sänger und das gemeinsame Projekt.
Im Zentrum der Diskussion steht der 23-jährige Muhabbet, der als Murat Ersen in Köln aufgewachsen ist und zunächst nur im Internet zu hören war. Im November 2005 kam seine erste Single heraus, im April 2006 folgte das Debüt-Album «R’nBesk». So nennt Muhabbet auch seine Musikrichtung, die orientalische Arabesk-Musik mit Rhythm-and-Blues und Hip-Hop-Anklängen mischt. Inzwischen ist Muhabbet der Star für viele junge Türken in Deutschland und gilt als Integrationsikone.
Doch nun erscheint der Sänger plötzlich in einem anderen Licht: Sein aktueller Auftritt mit den Außenministern veranlasste Esther Schapira, Redakteurin beim Hessischen Rundfunk, ein Vorkommnis vom 20. Oktober an die Öffentlichkeit zu bringen. Nach der Preisverleihung für ihren Film über die Ermordung des niederländischen Islamkritikers und Filmemachers Theo van Gogh durch einen Extremisten, sei Muhabbet sehr aufgebracht zu ihr und ihrem Kollegen Kamil Taylan gekommen. «Er sagte, Theo van Gogh habe Glück gehabt, dass er so schnell gestorben sei», sagte Schapira der Nachrichtenagentur AP. Er hätte ihn zuvor in einen Keller gesperrt und gefoltert, zitiert sie den 23-Jährigen weiter.
Vorwürfe zurückgewiesen
«Es war nicht eine kurze missverständliche Äußerung, er hat es wiederholt», sagte Schapira. Auch im Hinblick auf die somalischstämmige Drehbuchautorin und Frauenrechtlerin, Ayaan Hirsi Ali, habe sich Muhabbet deutlich geäußert. Muhabbets Manager habe das Gespräch mit der Anregung aufgelöst, sich die Dokumentation zunächst anzusehen. Bis dahin hatten sie laut Schapira nur den für die Preisverleihung zusammengestellten Trailer gesehen.
Muhabbet wies die Vorwürfe am Montagabend entschieden zurück: «Ich finde jeglichen Mordaufruf katastrophal und würde mich überall gegen stellen», sagte er der ARD. Er finde es abscheulich, Menschen für irgendetwas zu bestrafen. «Das macht der liebe Herr da oben, egal welchen Glaubens», sagte Muhabbet weiter. Er weise jede Art von Anschuldigung zurück, einen Mordaufruf zu verherrlichen. «Dazu bin ich einfach viel zu sehr sozial engagiert und viel zu gut erzogen worden.»
Sein Management beim Plattenlabel Plak Music betonte am Dienstag gegenüber AP, wer Muhabbet kenne, wisse, dass er gegen Gewalt und Mord kämpfe. Die Sache sei nicht wie geschildert passiert, sagte Geschäftsführer Ünal Yüksel und fügte hinzu: «Wir wollen aber jetzt kein Fass aufmachen.»
Steinmeier weist auf Muhabbets Engagement hin
Bundesaußenminister Steinmeier stellte sich hinter Muhabbet: Er habe keine Anhaltspunkte für das, was ihm vorgeworfen worden sei. «Im Gegenteil: Ich hätte mir gewünscht,… dass man sich vielleicht konkret mit dem beschäftigt, was Herr Muhabbet in den letzten zwei Jahren gemacht hat», sagte Steinmeier in der ARD und verwies auf Kooperationen mit der Bundesregierung. Muhabbet war im vergangenen Jahr mit Steinmeier in Istanbul und engagierte sich unter anderem für die Kampagne «Schau hin!».
«Er hat sich immer gegen Gewalt ausgesprochen und für Integration», betonte der Minister. Er hätte sich etwas mehr Zurückhaltung und Sorgfalt bei der Recherche gewünscht. «Ich bin dafür, dass wir unaufgeregt damit umgehen», sagte Steinmeier. Darüber hinaus wollte das Ministerium keine weitere Stellungnahme abgeben.
Schapira wiederum wies die Vorwürfe der mangelnden Recherche im Gespräch mit AP zurück. Schließlich habe sich Muhabbet direkt ihr gegenüber geäußert: «Wenn hier von mangelnder Recherche die Rede sein kann, dann von Seiten des Außenministeriums.» Auch Taylan bestätigte der AP den Hergang des Abends und kritisierte die Politik: «Sie sollte besser aufpassen, wen sie als Integrationsfigur behandelt.» Integrationspolitik sei nicht gemeinsames Singen – es gebe andere Probleme. Von Muhabbet habe er erwartet, dass er sich öffentlich entschuldige.
«Nie irgendwo aufgefallen»
Der Vorfall sorgte für Überraschung in der Branche. «Muhabbet ist noch nie irgendwo aufgefallen», sagte der Leiter der Musikredaktion des RBB-Hörfunksenders radiomultikulti, Tobias Maier, der AP. Er habe den Sänger schon mehrfach interviewt, ihn als freundlichen Zeitgenossen kennen gelernt und schätze ihn als ehrlich ein.
«Ich kann nicht in ihn reinblicken, würde aber behaupten, dass er nie und nimmer zu solcher Gewalt aufrufen würde», fügte Maier hinzu. Politische Äußerungen seien im allgemeinen auch nicht Muhabbets Thema, er gehe in Schulen und arbeite mit Jugendlichen. «Er hat mit seiner Musik viel erreicht», sagte Maier. Das Außenministerium sei nicht von ungefähr auf ihn gekommen: «Es gibt wenige von seiner Sorte in Deutschland – traurig genug.» (Simone Utler, AP)