Text aus MERKUR-online.de/ sehr empfehlenswert.
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25.10.2007
BERLIN / Das Wissenschaftskolleg versammelt Kreative aus aller Welt
Talentpflege auf höchstem Niveau
VON ANDREAS MEIER
Aufmarsch der Eliten: Die Universitäten, die im Exzellenz-Wettbewerb erfolgreich waren, sind zum „Berliner Empfang“ des Wissenschaftskollegs zu Berlin an diesem Donnerstag eingeladen, also quasi zum Vorbild ihrer Institute für zukunftsweisende Forschung. Die Idee zu dieser exklusiven Einrichtung hatte vor bald drei Jahrzehnten der damalige Berliner Wissenschaftssenator Peter Glotz. Er wollte ein von den Universitäten unabhängiges „Zentrum für internationale wissenschaftliche Begegnung“ gründen, um die „Möglichkeit zweckfreier Wissenschaft und Talentpflege“ zu schaffen. 1981 wurden die ersten „Fellows“ aufgenommen. Darunter Gerschom Scholem, einer der aus Deutschland vertriebenen jüdischen Gelehrten, die das Kolleg wenigstens für ein Jahr nach Berlin zurückholte.
Beim Empfang begegnen sich erstmals auch die Fellows aus aller Welt: 50 Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen, die sich ein Jahr lang in der Wallotstraße in Berlin-Dahlem in ihr Forschungsprojekt vertiefen. Luca Giuliani, von Haus aus Archäologe und seit dem Sommer Rektor des Kollegs, erklärt: „Das Wissenschaftskolleg unterscheidet sich von den Instituten der Exzellenzuniversitäten dadurch, dass seine Fellows unterschiedlichen Fachrichtungen angehören und in der Gestaltung ihrer Arbeit frei sind.“
Anders wäre auch kaum denkbar, dass, wie Peter Glotz es gewünscht hatte, „die besten Köpfe der Welt“ nach Berlin kommen, darunter Komponisten, Schriftsteller, ein Chansonnier wie Wolf Biermann – eben „Kreative jeder Art“. Es gibt keine Kollegsprache, trotzdem ist Englisch das übliche Idiom. Jeder Fellow erhält die Möglichkeit, Deutsch zu lernen. Mario Vargas Llosa etwa hat die Chance genutzt, um Rilke im Original lesen zu können.
Dem kreativen Zufall stehen alle Türen offen. Einzig verpflichtend ist die Teilnahme am gemeinsamen Mittagessen. In den Dienstagkolloquien stellt jeweils ein Fellow sein Forschungsprojekt vor. Rektor Giuliani ist überzeugt von den angeregten „Diskussionsprozessen“.
Jeder Fellow bekommt das Gehalt, das er zu Hause hat; so können die Arbeitgeber eine Vertretung finanzieren. In diesem Haushaltsjahr sind das rund fünf Millionen Euro; sie werden je zur Hälfte von der Bundesrepublik und vom Land Berlin aufgebracht. Eine kleine Summe stammt aus dem Jubiläumsfonds der schwedischen Reichsbank, aus dem auch der Nobelpreis für Ökonomie finanziert wird, den Alfred Nobel nicht vorgesehen hatte. Die Schweiz steuert einige 100000 Euro bei, seit sie auf die Einrichtung eines eigenen Institute for Advanced Studies verzichtet hat.
Das Kolleg braucht nicht nur Geld für den Unterhalt seiner Stipendiaten. Nach dem Zusammenbruch der sozialistisch regierten osteuropäischen Staaten unterstützte es etwa den Aufbau von Partnerinstituten in Sankt Petersburg, Sofia, Bukarest und Budapest, die anders als in Berlin junge einheimische Wissenschaftler fördern. Der Rektor des Kollegs in Bukarest, der Religionsphilosoph Andrei Gabriel Plesu, gehört zu den Fellows. Sein Arbeitsprojekt gilt der „Kosmologie des Alten Testaments im interreligiösen Vergleich“.
Mag sein, dass Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit, nicht unbedingt über dieses Thema plaudern möchte, wenn er am Empfang teilnimmt – übrigens sein erster Besuch im Wissenschaftskolleg. Dann begegnet er auch dem Rektor seiner zweiten Eliteeinrichtung: Die Freie Universität Berlin gehört zur feinen Gruppe der Exzellenten mit ausgezeichnetem Zukunftskonzept.
Internet: www.wiko-berlin.de
© Rheinischer Merkur Nr. 43, 25.10.2007