Sehr empfehlenswert! Geschrieben von Heribert Prantl, Jurist, und auch eine Zeitlang Richter, oder? /Auch vielschichtige Kommentare. „Nie wieder Urlaub in der Türkei!“ schreiben die einen.
Prozess um Marco W. schleppt sich
Marco, oder: Was lange währt…
Der Prozess um Marco W. zieht sich bereits über ein halbes Jahr hin. Damit seine Untersuchungshaft nicht zur unzulässigen Überhaft wird, muss der junge Deutsche freigelassen werden.
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Marco W.: Seine Anwälte fordern ein Ende der Untersuchungshaft.
Foto: dpa
In diesem Fall lügt das Sprichwort. Nein, im Fall Marco wird nicht und ist nicht gut, was lange währt. Die Untersuchungshaft des erst 17-jährigen Deutschen dauert nun schon über ein halbes Jahr. Sie sprengt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Seit dem 12. April sitzt Marco, der in den Ferien in Antalya eine 13-jährige Engländerin vergewaltigt haben soll, in einem türkischen Gefängnis. Sicherlich: Der Vorwurf wiegt schwer.
Wenn aber ein Beschuldigter, zumal ein so junger, so lange in U-Haft sitzt, ohne dass seine Sache vorangeht; wenn das Gericht nicht alles tut, um die Verhandlung voranzubrigen; wenn sich der Prozess verschleppt und die U-Haft dadurch zur vorweggenommenen Strafhaft wird, obwohl ja die Schuld des Beschuldigten mitnichten feststeht – dann widerspricht die Dauer der U-Haft den Grundsätzen der Beschleunigung und des fairen Verfahrens. Aus einer zulässigen U-Haft wird dann eine unzulässige Überhaft.
Bildstrecke Marco W.: U-Haft in der Türkei (dafür müsst Ihr zur sz-online klicken!)
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Recht muss Recht bleiben
Es ist, auch in dieser Zeitung, vor Monaten darauf hingewiesen worden, dass die rechtliche Behandlung des Falles in der Türkei sich von der Behandlung eines gleichgelagerten Falles in Deutschland nicht wesentlich unterscheidet.
Nach über sechs Monaten Haft greifen aber neue Gesichtspunkte. Länger darf eine U-Haft nur bei besonderem Umfang der Ermittlungen oder bei einem anderen sehr wichtigen Grund dauern.
Die Oberlandesgerichte, die das hierzulande prüfen, sind zu Recht streng, und der Europäische Gerichtshof ist noch strenger. Ein triftiger Grund für überlange Haft ist nicht dargetan worden.
Wenn Marcos U-Haft nun aufzuheben ist, dann nicht, weil Gnade vor Recht geht, sondern weil Recht Recht bleiben muss.
(SZ vom 24.10.2007)
24.10.2007 01:13:05
ruebmar: Marco W. – und kein Ende in Sicht
Eigentlich hat Heribert Prantl den Sachverhalt noch einmal zusammenfassend auf den Punkt gebracht, und unter Beachtung der obigen Kommentare ist dazu alles gesagt. Nur – eine Lösung ist ganz offensichtlich noch immer nicht absehbar. Noch ganz unter dem Eindruck der Fernsehsendung „Menschen bei Maischberger“, in der es gestern Abend eben um dieses Thema ging, komme ich zu der überzeugung, daß hier ein Exempel statuiert werden soll und daß die ganze Sache längst ins Politische abgeglitten ist. Die äußerungen, ja Drohungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder oder auch die äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck, aber auch von anderen Politikern – sie alle haben die Sachlage nicht entkrampft, sondern ganz offemnsichtlich verschärft. Welches Land läßt sich denn bedrohen oder öffentlich an den Pranger stellen? Genau das aber ist geschehen. Daß es Versuche gab, das Problem auf diplomatischem Wege zu lösen, mag hochwohllöblich erscheinen – zur Lösung aber haben diese Versuche nicht beigetragen. Und über die Medien die öffentliche Meinung dahin gehend zu beeinflussen, daß die Türken ohnehin mit ihrer Rechtssprechung ein Problem hätten, das genau ist der völlig falsche Weg und zeugt nur von einem, nämlich von der allgegenwärtigen deutschen überheblichkeit gegenüber anderen Völkern, anderen Staaten. Dabei haben wir doch auch hinsichtlich unseres Rechtsstaates, wenn man ihn denn überhaupt noch so nennen kann, ausreichend vor der eigenen Haustüre zu kehren – oder?
Und dennoch sollte endlich in die Betrachtung des Ganzen der Gedanke Substanz erhalten, daß diesem jungen Mann bei völlig unklarer Beweislage bereits ein halbes Jahr seines Lebens zerstört, zumindest nachhaltig beeinträchtigt wurde. Und solange die Eltern des Mädchens, vornehmlich wohl ihre Mutter, sich weigern, vor dem türkischen Gericht Aussagen zum Sachverhalt zu machen und sich auch von den Verteidigern MARCO’s befragen zu lassen, ist die Herstellung eines wirklichen Rechtssachverhaltes für die türkischen Richter schier unmöglich. Ich bin sicher, daß die Verteidiger des Jungen darauf ihr Augenmerk richten werden und vor allem darum kämpfen, den Jungen vorerst mal aus der Untersuchungshaft zu befreien, damit er bald wieder zu einem „normalen“ Leben ziurückfinden ka
24.10.2007 01:02:39
Tim Buktu: Nicht Worte, Taten sind gefragt – schreiben Sie Herrn öger
habe gerade an öger Tours geschrieben, daß ich wegen der Behandlung des minderjährigen Marco W. meinen geplanten Weihnachtsurlaub in Antalya ausfallen lasse.
Herr öger ist deutscher EU-Abgeordneter mit besten Verbindungen in die Türkei, vielleicht auch mit Einfluß. Er ist außerdem der Vorzeig-Türke, der immer im deutschen Fernsehen für den Beitritt der Türkei wirbt. Wenn es an sein Geld geht …..oder an seine Glaubwürdigkeit, vielleicht nützt es etwas.
Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie die Türkei als Urlaubsland nicht empfehlen können, schreiben Sie´s ihm !
www.oeger.de
24.10.2007 00:53:32
Robert70:
Meine Türkeiurlaube sind gestrichen – und zwar für den Rest meines Lebens.
tappy: Bin schon gespannt
auf den nächsten Fall sexuellen Mißbrauchs in Deutschland, bei dem die „Fangemeinde“ vehement die Freilassung des Täters fordert, wenn er die Vorwürfe bestreitet. Und mit welchen Schimpfwörtern dann das Opfer belegt wird.
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Profil ansehen 24.10.2007 00:40:31
j.weiss01: Rechtssicherheit
Wie steht es eigentlich um die Rechtssicherheit von Türken und anderen Ausländern, die in Deutschland leben, Touristen, Asylbewerbern, usw ? Sie haben Rechtsicherheit nach deutschem Recht, das auch nicht jeder Ausländer (auch nicht jeder Eingeborene !) versteht und müssen im Fall des Falles damit leben. Jeder Türke in Deutschland muss das StGB und auch die deutsche Prozessordnung akzeptieren, warum sollte das umgekehrt anders sein ? Werden Türken, die wegen Vergewaltigung vor Gericht stehen, nach drei Wochen in die Türkei geschickt ?? Wem das nicht gefällt , der kann ja Urlaub in Pakistan oder USA machen. Speziell in USA kann ein Europäer auch seine überraschungen mit der Justiz erleben, wie umgekehrt. Was Marco betrifft: Natürlich kommt es vor dass Frauen in solchen Dingen lügen. In der Regel aber (leider) nicht. Und jeder Ausländer mit einer solchen Klage am Hals sitzt bei uns auch in Untersuchungshaft, und nach sechs Monaten ist da gar nix mit „überhaft“ und so. Wie reagieren eigentlich deutsche Richter und Staatsanwälte, wenn ein Prozess gegen einen Türken ständig von Türkischen Zeitungen und Politikern kommentiert wird ?
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