‚Kreativste Zeitung der Welt‘ pleite: WEEKLY WORLD NEWS

Diese Woche erscheint die letzte Ausgabe der „Weekly World News“, die in den USA nur wenige als schlichtes „Satireblatt“ abtun wollten.

vom 27.08.2007

„Einzig verlässliche Zeitung der Welt“ pleite – US-Medien trauern

Washington (dpa) – Die einzige US-Zeitung, die stets behauptet hat, Saddam Hussein habe keine Massenvernichtungswaffen, sondern verfüge nur über „gigantische Steinschleudern“ und ein „paar Kampfsaurier“ hat die Zeitungskrise in den USA nicht überlebt. Die „Weekly World News“ (WWN), die sich selbst als die „einzig verlässliche Zeitung der Welt“ pries, ist am Ende. Diese Woche erscheint die letzte Ausgabe des Mediums, das in den USA nur wenige als schlichtes „Satireblatt“ abtun wollten. Denn seine zahllosen Exklusiv-Geschichten bewegten fast 30 Jahre lang die Gemüter Amerikas.

Die WWN war es, die den Tod von Elvis Presley als getürkt und die Mondlandung als Betrug entlarvte. Sie war es, die als erste über das außerirdische Adoptivkind von Senatorin Hillary Clinton berichtete oder wissenschaftliche Sensationen wie das Wüten der Killer-Kängerus, einen neu entdeckten Menschenstamm in Ameisengröße, das Gewicht der Seele (0,945 Gramm) oder den Standort der Hölle (14 Meilen unterhalb Sibiriens) enthüllte.

Welche Bedeutung das Kultblatt – in den 80er Jahren mit 1,2 Millionen-Auflage – hatte, zeigen die wehmütigen Nachrufe der US- Medien. „Ich bin sauer wie ein Abstinenzler auf dem Oktoberfest“, wetterte der Schriftsteller Emil Steiner in der „Washington Post“. Wer außer der WWN habe noch echte „scoops2 aus der Welt der Religionen gehabt, klagte die „New York Times2 und verwies auf Geschichten über die Stimme Gottes („wie ein Symphonieorchester mit 100 Bariton-Stimmen“) oder den „Schnelltest“ für jedermann, ob er in Himmel oder Hölle landen werde.

Wer aber ist schuld an dem Niedergang der hoch gerühmten Wochenzeitung? Der Publizist Peter Carlson fand die wohl überzeugendste Antwort: Die Realität habe die oft schwer beweisbaren WWN-Geschichten schlicht überholt. „Amerikaner wählen Filmstar, der sich die Hauptrolle mit einem Schimpansen teilte, zum Präsidenten“ oder „Die Sowjetunion plötzlich zusammengebrochen“ oder „Religiöse Fanatiker greifen mit entführten Flugzeugen Manhattan an“ wären vor Jahrzehnten Schlagzeilen gewesen, die man wohl nur in der WWN hätte finden können.

Die WWN – von der „Washington Post“ als „kreativste Zeitung“ der Welt bezeichnet – hat auf vielfache Weise Mediengeschichte geschrieben. 2001 dementierte das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas, „Granma“, entschieden, dass in Kuba trainierte Haie die Gewässer Floridas unsicher machen würden. „Wir Kubaner sind vom nördlichen Nachbarn alle Arten von Unterstellungen gewohnt, aber es gibt Informationen, die einfach so absurd und irrational sind, dass man sie kennen sollte“, schrieb „Granma“ empört.

Die WWN-Macher Blattes verwiesen stolz darauf, dass es eine wachsende Zahl Amerikaner gab, die ihr Weltbild statt aus der Zeitung lieber von der WWN beziehen. Zumindest der Rückgang der US- Zeitungsauflagen seit Jahren schien diese These zu bestätigen. Vor allem der harte Kern der Leser verließ sich auf die WWN, wenn es um Nachrichten über Weltverschwörer, finstere Machenschaften in den Präsidentenpalästen oder das mysteriöse Wirken der Außerirdischen ging. Auch US-Präsident George W. Bush informierte sich in der WWN, was ein Bild aus dem Jahr 2000 beweist – möglicherweise las er das Blatt aber auch nur, weil es als einziges US-Medium über sein geheimes Treffen mit Außerirdischen und über die zwölf US-Senatoren berichtete, die in Wirklichkeit Wesen aus dem Weltall seien.

Ein Vierteljahrhundert wurde WWN geprägt von Eddie Clontz (2004 gestorben), dessen Erfolgsrezept lautete: „Wir lassen uns eine gute Geschichte nicht durch Recherchen kaputt machen“. Trotz ihrer unbestrittenen Bedeutung hat die WWN ihre Geburt lediglich einer überflüssigen Druckmaschine zu verdanken. Als der Verlag „American Media“ in Boca Raton (Florida) 1979 entschied, seine Klatschmagazine – unter ihnen das populärste US-Boulevardblatt „National Enquirer“ – farbig zu publizieren, blieb eine schwarz-weiße Druckerpresse übrig. Also wurde die WWN gegründet für Geschichten, die es meistens wegen einer besonders schwierigen Quellenlage nicht in die bunten Blätter über Königshäuser und Hollywoodstars schafften. Künftig aber wird es keine Schlagzeilen mehr geben wie „Seit 1939 vermisstes Flugzeug mit Skelett gelandet“ oder „Blinder Mann erlangt Sehkraft wieder und verlässt hässliche Ehefrau“.

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