Quelle: Berliner Morgenpost.
Anna Politkowskaja
Tschetschene soll hinter dem Mord stecken
Ein knappes Jahr nach dem Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja hat die russische Polizei zehn Verdächtige gefasst. Drahtzieher der Ermordung soll ein Tschetschene gewesen sein. Auch Polizisten sind unter den Festgenommen.
ARCHIV – 260 Unterzeichner befürworten die Initative, den Friedenpreis des Deutschen Buchhandels 2007 posthum an die ermordete russische Journalistin Anna Politkowskaja (Archivfoto vom 28.04.2005) zu verleihen. Auf der Liste, die am Mittwoch (14.02.2007) dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels übergeben wurde, stehen unter anderem der französische Philosoph André Glucksmann, die Autorin Monika Maron, TV-Moderatorin Elke Heidenreich, Historiker Arno Lustiger, Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck sowie der Außenminister Tschechiens, Karel Schwarzenberg.
Die russische Justiz hat den Mord an der Anna Politkowskaja vom Herbst 2006 für gelöst erklärt. Knapp ein Jahr nach der Ermordung der regierungskritischen russischen Journalistin gab Moskau die Festnahme von zehn Verdächigen bekannt. In Kürze werde Anklage gegen die Verdächtigen erhoben, sagteGeneralstaatsanwalt Juri Tschaika Präsident Wladimir Putin auf dessen Landsitz bei Moskau. „Wir sind deutlich vorangekommen mit unserer Untersuchung zum Mord an der Journalistin Politkowskaja“, sagte Tschaika. Das Moskauer Ortsgericht bestätigte die Ausstellung von Haftbefehlen gegen mindestens acht Verdächtige.Hinter dem Mord steht Tschaikas Angaben zufolge eine von einem Tschetschenen angeführte kriminelle Organisation. Die Moskauer Gruppe werde auch mit dem Mord an dem US-Journalisten Paul Klebnikow 2004 in Verbindung gebracht, sagte Tschaika in Moskau. Einige Mitglieder der Gruppe seien Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB und des Innenministeriums, die die Auftragsmörder mit Informationen über das Opfer versorgt hätten. Russische Nachrichtenagenturen zitieren Tschaika zudem mit der Aussage, nur Menschen außerhalb Russlands hätten ein Motiv gehabt, Politkowskaja zu töten.
Nach Angaben der oppositionellen Zeitung „Nowaja Gaseta“, bei der Politkowskaja bis zu ihrer Ermordung im Oktober 2006 gearbeitet hatte, ist es noch zu früh, von einer Aufklärung des Falls zu sprechen, warnte die Zeitung. Es seien noch nicht alle Beteiligten des Verbrechens festgenommen worden, und die Schuld der Festgenommenen müsse erst noch bewiesen werden. Der Auftrag für den Mord sei bereits im Frühjahr oder Sommer 2006 erteilt und die Journalistin anschließend beschattet worden.Die oppositionsnahe Journalistin und Menschenrechtlerin Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 von einem Unbekannten hinterrücks erschossen worden, als sie von einem Einkauf in ihre Moskauer Wohnung zurückkehren wollte. Regierungskritiker warfen der russischen Justiz seitdem mehrfach vor, nur halbherzig nach den Mördern zu fahnden. Die Polizei hatte nach dem Mord Bilder einer Sicherheitskamera veröffentlicht, die den Hauptverdächtigen zeigten – einen Mann in dunkler Kleidung und mit einer schwarzen Baseball-Mütze auf dem Kopf. Ermittler hätten eine 9-Millimeter-Pistole vom Typ Makarov am Tatort gefunden, berichteten Nachrichtenagenturen.
Politkowskaja, die im Alter von 48 Jahren starb, hatte vor allem für die „Nowaja Gaseta“ geschrieben. Die Muttewr zweier Kinder widmete sich bevorzugt heiklen Themen wie den Verletzungen der Menschenrechte im Tschetschenien-Krieg und machte sich damit bei russischen Sicherheitskräften wie tschetschenischen Politikern Feinde.
Wiederholt hatte Politikowskaja in ihren Berichten auch Präsident Wladimir Putin scharf kritisiert. Putin sagte nach dem Mord zu, alles dafür in Bewegung zu setzen, um die Täter dingfest zu machen.
In Russland wie im Ausland wurde der Mord an Politkowskaja mit Entsetzen aufgenommen. Der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow verurteilte die Tat scharf. „Dies ist ein echter politischer Mord. Ein Racheakt“, sagte Gorbatschow im vergangenen Herbst der italienischen Zeitung „La Repubblica“. „Auch ist dies ein schwerer Schlag für die Pressefreiheit und für all diejenigen, die sich für die Demokratie in unserem Land einsetzen“, fügte er hinzu. Gorbatschow ist Miteigentümer der „Nowaja Gaseta“.