Dokument: Schießbefehl gegen DDR-Flüchtlinge

..vielleicht, so überlegt FEM, waren viele aus der DDR-Führung und der Stasi, zuvor bei der Nazi-GESTAPO oder SS oder SA????
Schießbefehl gegen DDR-Flüchtlinge

Dokument bezeugt große Brutalität

DDR-Grenzposten erschießen am 17.08.1962 Peter Fechter bei einem Fluchtversuch (Foto: dpa)

Nach dem Fund eines Dokuments, das den bedingungslosen Schießbefehl gegen DDR-Flüchtlinge belegt, ist die Empörung groß. Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, reagierte erschüttert über die große Brutalität. „Das Dokument ist deswegen so wichtig, weil der Schießbefehl von den damals politisch Verantwortlichen nach wie vor bestritten wird“, sagte Birthler der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte-Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, forderte die Staatsanwaltschaft Magdeburg auf, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen.

„Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe“

Die Magdeburger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde hatte den Schießbefehl für eine Spezialeinheit des DDR-Geheimdiensts gefunden, die an der innerdeutschen Grenze eingesetzt war. In der Dienstanweisung für diese „Einsatzkompanie“ vom 1. Oktober 1973 heißt es: „Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben.“

Lizenz zum Töten

Knabe sagte der „Welt am Sonntag“, der Auftrag könne als Anstiftung zum Mord oder Totschlag gewertet werden, möglicherweise sogar als unmittelbare Tatbeteiligung. „Der aufgefundene Befehl ist eine Lizenz zum Töten.“ Die 91.000 hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter seien nach dem Ende der DDR „praktisch alle unbestraft geblieben. Nur ein einziger musste ins Gefängnis.“

Weitere Aufarbeitung gefordert

„Dieser Befehl ist so unverhüllt und deutlich, wie er bis jetzt noch nicht vorgelegen hat“, sagte Birthler im ZDF. Im Vergleich zu anderen Ländern könnten sich die Menschen in Deutschland glücklich schätzen, dass es mit der Stasi-Unterlagenbehörde die Möglichkeit gebe, Lügen und Legendenbildungen entgegenzuwirken. „Wir sind noch lange nicht am Ende der Aufarbeitung“, sagte Birthler. Günter Nooke, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, sagte dem ZDF, er wünsche sich, dass solche Dokumente eher gefunden worden wären.

„Banales Schriftstück ohne typischen Briefköpfe“

Die Quelle des Schießbefehls ist aus Expertensicht nur schwer zu ermitteln. „Bei dem Dokument handelt es sich um ein äußerst banales Schriftstück ohne die typischen Briefköpfe, die uns sonst zumindest die Stasi-Abteilung in Berlin verraten haben“, sagte der Leiter der Magdeburger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde, Jörg Stoye. Das Dokument sei nur mit den Worten „An die Einsatzkompanie“ überschrieben. Daher sei aus dem Papier keinerlei Hierarchie erkennbar. Zudem habe die Stasi auch zahlreiche Beweise vernichtet.

Weglaufen der Bevölkerung verhindern

Das schlicht gehaltene Dokument zeige, wie alltäglich mit solchen Anweisungen in der DDR umgegangen wurde, sagte Stoye. So reihe sich dieser Schießbefehl in eine lange Reihe von Anweisungen ein, die das Ziel verfolgten, das Weglaufen der DDR-Bevölkerung mit allen Mitteln zu verhindern. Ob sich bestimmte Grenztote direkt auf diesen Befehl zurückführen lassen, sei unklar, zumal auch die genauen Einsatzorte der benannten Spezialeinheit in solchen Dokumenten nicht festgehalten wurden. „Es sind an der Regimegrenze auch Frauen und Kinder durch ’normale‘ Befehle gestorben.“ Die Recherche solcher Zusammenhänge sei daher auch Auftrag freier Historiker und Forschungsinstitute.

Zum Stöbern und Nachlesen

„Menschenverachtendes System“

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte der „B.Z. am Sonntag“, „der Fund des Schießbefehls demonstriert in erschreckender Weise wie menschenverachtend dieses System war“. Am Vorabend des 46. Jahrestages der Mauerbaus am 13. August 1961 sei es ein Denkzettel für all diejenigen, die die Grausamkeit des SED-Regimes gerne in den Geschichtsschubladen verschwinden lassen möchten.

„Menschen vernichten“

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wertete das Dokument in „MDR-Aktuell“ ebenfalls als Beleg dafür, „dass die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen sei“. Es fänden sich immer neue Erkenntnisse. „Zum zweiten macht es deutlich, wie verbrecherisch die Stasi letztlich gearbeitet hat, dass es also wirklich darum ging, Menschen zu vernichten, Menschen unter Druck zu setzen. Und dieser Befehl macht deutlich, dass auch keine Gruppe ausgenommen war. Selbst Kinder und Frauen waren inbegriffen.“ /dpa /AP

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SZ-online:

Egon Krenz und der Schießbefehl gegen DDR-Flüchtlinge

Der Unbeirrbare

In der Debatte um den aufgetauchten Schießbefehl gegen DDR-Flüchtlinge gibt es eigentlich keine Zweifel an der Echtheit des Dokuments. Nur Ex-DDR-Staatschef Krenz bestreitet die Existenz des Befehls nach wie vor.

In der Debatte nach der Entdeckung eines schriftlichen Schießbefehls gegen DDR-Flüchtlinge an der deutsch-deutschen Grenze gibt der frühere DDR-Staatschef und SED-Generalsekretär Egon Krenz den Unbeirrbaren. Er streitet weiterhin ab, dass es für die frühere innerdeutsche Grenze einen Schießbefehl gab.

Der frühere DDR-Staatschef Egon Krenz bestreitet den Schießbefehl gegen DDR-Flüchtlinge

In der Bild-Zeitung stellte Krenz die am Wochenende bekanntgewordenen entsprechenden Stasi-Dokumente der Birthler-Behörde in Frage: „Es hat einen Tötungsbefehl, oder wie Sie es nennen „Schießbefehl“, nicht gegeben. Das weiß ich nicht aus Akten, das weiß ich aus eigenem Erleben. So ein Befehl hätte den Gesetzen der DDR auch widersprochen“, sagte er.

Aus Sicht der Stasi-Unterlagenbehörde hingegen belegen die Dokumente die Notwendigkeit der weiteren Aufarbeitung jener Zeit. „Wir sind noch lange nicht am Ende der Aufarbeitung“, sagte die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Auch der Bürgerrechtler und letzte DDR-Verteidigungsminister Rainer

Eppelmann (CDU) meinte, der Fund müsse Anlass sein, „die

umbenannte SED nach ihrem Schuldeingeständnis zu fragen“. Der Fund

sei überraschend. „Dass das Grenzregime grausam und faschistoid war,

das war bekannt“, sagte Eppelmann der Mitteldeutschen Zeitung.

Der bedingungslose Schießbefehl war überraschend in der Magdeburger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde entdeckt worden. „Das Dokument ist deswegen so wichtig, weil der Schießbefehl von den damals politisch Verantwortlichen nach wie vor bestritten wird“, sagte Birthler. Das Dokument zeuge von großer Brutalität

Befehl galt nur für ein Sonderkommando der Stasi

Das Dokument habe einer Spezialeinheit des DDR-Geheimdienstes, deren Angehörige als normale Grenzsoldaten getarnt waren, das sofortige Schießen auf flüchtende Grenzsoldaten befohlen, selbst wenn diese Frauen und Kinder mitnahmen, erläuterte Andreas Schulze, Sprecher der Stasi-Unterlagenbehörde. Er warnte davor, aus dem nun aufgefunden Dokument auf das gesamte Grenzregime der DDR zu ziehen. „Dieser Befehl galt nicht für alle Grenzsoldaten der DDR, sondern ausschließlich für ein Sondereinsatzkommando der Stasi.“

Diese Sondereinheit der Hauptabteilung I war beauftragt, mutmaßliche Deserteure bei der NVA und in den Grenztruppen aufzuspüren und an der Flucht zu hindern. In diesem Fall sollte sofort geschossen werden, auch auf Frauen und Kinder. Gewöhnliche Grenzsoldaten hingegen waren angewiesen, Republikflüchtlinge erst laut anzurufen und mit Warnschüssen oder auch Hunden zu stoppen. Nur im Notfall sollte geschossen werden.

Anders als zunächst angenommen, ist es auch nicht das erste Mal, dass ein derartiges Dokument ans Licht kommt. Schon 1997 zitierte der Historiker Matthias Judt in einer Dokumentensammlung ein in Inhalt und Form sehr ähnliches Dokument, sagte Behördensprecher Schulze. „Diese uneingeschränkte Brutalität und Menschenverachtung dürfte der breiten Öffentlichkeit nicht so bekannt sein, aber in der Forschung ist ein derartiger Befehl schon früher aufgetaucht.“

Auch in der Behörde sei dies zunächst nicht bekannt gewesen. Man gehe nun davon aus, dass es sich bei dem Dokument um ein Hinweisblatt handle, das jedem Mitglied des Stasi-Sondereinsatzkommandos als eine Art Merkblatt übergeben wurde. Inwieweit der rücksichtslose Schießbefehl auch in die Tat umgesetzt wurde, müsse nun die Forschung klären.

Juristische Folgen sind unwahrscheinlich

Juristische Folgen, etwa ein erneutes Aufrollen von Mauerschützenprozessen, hält der Behördensprecher für unwahrscheinlich. Dazu müsste erst nachgewiesen werden, dass es dadurch nachweislich zu Todesfällen kam, sagte er. Dies ist bisher nicht der Fall. „Es war ein Spezialbefehl für ein Spezialkommando.“

Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte-Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hatte die Staatsanwaltschaft Magdeburg aufgefordert, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen. Der Befehl sei eine Lizenz zum Töten, sagte er. Der Auftrag, ohne zu zögern auch auf Frauen und Kinder zu schießen, könne als Anstiftung zum Mord oder Totschlag gewertet werden, eventuell sogar als unmittelbare Tatbeteiligung.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte der Zeitung B.Z. am Sonntag, „der Fund des Schießbefehls demonstriert in erschreckender Weise wie menschenverachtend dieses System war“. Am Vorabend des 46. Jahrestages der Mauerbaus am 13. August 1961 sei es ein Denkzettel für all diejenigen, die die Grausamkeit des SED-Regimes gerne in den Geschichtsschubladen verschwinden lassen möchten.

„Es ging darum, Menschen zu vernichten“

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wertete das Dokument in MDR-Aktuell ebenfalls als Beleg dafür, „dass die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen sei“. Es fänden sich immer neue Erkenntnisse. „Zum zweiten macht es deutlich, wie verbrecherisch die Stasi letztlich gearbeitet hat, dass es also wirklich darum ging, Menschen zu vernichten, Menschen unter Druck zu setzen. Und dieser Befehl macht deutlich, dass auch keine Gruppe ausgenommen war. Selbst Kinder und Frauen waren inbegriffen.“

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist der Beleg für den Schießbefehl wohl schon seit Jahren bekannt. Die Textpassage, ohne Zögern auch auf Kinder und Frauen zu schießen, sei wörtlich bereits 1997 in einem Dokumentenband zur DDR-Geschichte veröffentlicht worden. Der entsprechende Schießbefehl sei in einem „archivierten IM-Vorgang“ gefunden worden und trage die Signatur „BStU, ZA , AIM, 713/76, Bl. 2f.“, hieß es weiter.

(dpa)

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