BUH-RUFE! ProSiebenSat.1 Mitarbeitern reicht’s ! (7/07

Machtspiele, da sind alle gleich. So tun, als wisse keiner nix Genauers..

Das Mitarbeiter-Meeting am Gendarmenmarkt ging aus wie’s Hornberger Schießen, mehr: quelle – spiegel-online.de
BETRIEBSVERSAMMLUNG BEI PROSIEBENSAT.1

Buh-Rufe für die Chefetage

Die Mitarbeiter hatten sich endlich Klarheit erhofft: Auf einer Betriebsversammlung der ProSiebenSat.1 AG in Berlin bekamen sie vom Vorstand aber hauptsächlich warme Worte. Wo genau der Sender Stellen streichen will, blieb weitgehend unklar. Die Belegschaft wird immer wütender.

Berlin – Der kleine Saal im Konzerthaus am Gendarmenmarkt reichte bei weitem nicht aus. Schon bald gab es mächtig Gedränge an den Türen, einige Mitarbeiter der ProSiebenSat.1-Belegschaft mussten schließlich im Foyer stehen bleiben und durch die offenen Türen den anderen irgendwie über die Schultern schauen. Schon das brachte viele in Rage: dass nicht einmal an so einem Tag ein Saal mit genügend Platz organisiert werden kann.

DPA

Sendeanlage von Sat.1: Mitarbeiter werfen Vorstand schlechte Kommunikation vor

Die Nerven liegen blank. Die Belegschaft will endlich wissen, wie es weiter geht. Und sie will nicht mehr so behandelt werden wie in den letzten Tagen. Dass Stellen im Unternehmen gestrichen werden sollen, hat sie aus dem SPIEGEL erfahren (mehr…) – erst nach dem Bericht bestätigte der Konzern die Pläne: 180 Jobs kommen weg, davon 100 in Berlin. Am Montag wurde dann den 48 Mitarbeiter von „Sat.1 am Mittag“ und „Sat.1 am Abend“ mitgeteilt, dass ihre Sendungen eingestellt würden – die Mittagssendung sogar von einem Tag auf den anderen (mehr…). Wo die restlichen Jobs wegfallen sollen, blieb unbekannt. In den vergangenen Tagen gingen so alle möglichen Gerüchte über den Flurfunk.

Wie SPIEGEL ONLINE aus Mitarbeiterkreisen erfuhr, brachte auch die Betriebsversammlung keine Klarheit darüber, welche Konzernbereiche vom Jobabbau betroffen sein werden. „Der Schwerpunkt des Stellenabbaus wird bei Sat.1 liegen“, hieß es dort lediglich. Welche anderen Sender betroffen sein werden, blieb auch heute im Dunkeln.

Im Vorfeld hatte der Vorstand sogar noch versucht, die Veranstaltung zu verschieben: Man selbst wisse noch nicht, wie die Umstrukturierungen aussehen sollen, hieß es zur Begründung. Als der Betriebsrat dann auf den festgelegten Termin bestand, bemühte sich der Vorstandsvorsitzende Guillaume de Posch noch nicht einmal selbst an den Gendarmenmarkt, sondern schickte einen Sprecher.

Sat.1-Chef Matthias Alberti dagegen stellte sich den Mitarbeitern selbst und versuchte, als die Fragen immer drängender wurden, auch konkreter zu werden. Die Mitarbeiter trugen Gerüchte vor, die im Unternehmen kursieren: dass das Frühstücksfernsehen abgeschafft und Redaktionen zusammengelegt werden sollen. „Wir werden keine Sat.1-Formate streichen“, antwortete Alberti. Aber über eine große Zentralredaktion werde nachgedacht, sagte er den Berichten zufolge – und fügte eilig hinzu: „Aber das ist nur ein Modell von vielen.“

„Woher sollen wir unsere Motivation nehmen?“

Trotz dieser Ehrlichkeit konnte Alberti genau wie der Vertreter des Vorstandes kaum einmal ausreden, immer wieder wurden sie von wütenden Buh-Rufen unterbrochen. Statt dass sich die Gemüter beruhigten, heizte sich die Stimmung während der Versammlung immer mehr auf. „Woher sollen wir unsere Motivation nehmen?“, fragte eine Mitarbeiterin. „Ist das Kommunikation in einem Kommunikationsunternehmen?“, beschwerte sich ein anderer. „Erfahren wir denn Montag endlich aus dem SPIEGEL, wer gehen muss?“

Auch die plötzliche Entscheidung von Sat.1 nach dem Ausstieg von ARD und ZDF die Live-Berichterstattung für die Tour de France (mehr…) zu übernehmen, sorgte für viel Unmut. Wie sich der Sender so etwas leisten könne, wo Sat.1-Chef Alberti doch zuvor argumentiert hatte, dass gespart werden müsse, wollten sie wissen.

Viele Fragen, wenige Antworten. Einigen Mitarbeitern reichte es irgendwann. Sie verließen den Saal, noch bevor die Versammlung nach knapp zwei Stunden zu Ende war. Das einzige, was die Chefetage ihnen zusichern konnte, war, dass der Standort Berlin erhalten bleibt. Das reicht nicht, fanden viele.

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