Eine goldene SUPISSIMA für die Sprachwissenschaftlerin und Feminismus-Forscherin Prof. Dr. Luise F. Pusch, die in Hannover und den USA lebt & lehrt und online
www.Fembio.org
herausgibt.
Puschs GLOSSEN-REIHE ist hinreißend!
Hier also – „OSCAR 2007“
»Laut & Luise«
03.03.2007
Oscar 2007
Ich war nach zwei Monaten USA wieder in Hannover gelandet und sowieso noch im Jetlag, außerdem hatte ich ein bißchen Heimweh nach der Sprache – also wurde aus dem Kurz-mal-in–den–Oscar-Reinschauen ein Aushalten bis zum Schluß.
Viel Interessantes gab es zu sehen. Die Frauen waren diesmal nicht so nackt und bloß wie in früheren Jahren, vielleicht lag es an der Vorverlegung des Spektakels in den Februar. Wer mag schon “wegen Emil seine unanständ’ge Lust”, wie Claire Waldoff singen würde, eine Lungenentzündung riskieren. Außerdem waren ja überwiegend Menschen zwischen 60 und 80 nominiert, und in diesem Alter genießen auch weibliche Hetero-Stars ein Privileg, das lesbische Stars von Männern übernommen haben: Sie müssen sich nicht öffentlich ausziehen.
Die selbstgeouteten Lesben traten in verspielten Samtanzügen auf, wie Cherubino persönlich: Ellen DeGeneres in Lila, Melissa Etheridge in Dunkelblau. Melissa dankte in ihrer Oscarrede kühn ihrer Ehefrau und ihren vier Kindern – wurde dergleichen auf dieser Bühne je gewagt? Das Publikum applaudierte herzlich.
“Das Leben der anderen” bekam den Oscar in der Sparte “fremdspachiger Film” vor dem Favoriten “Pans Labyrinth”, den eine Freundin von mir blutrünstig und sadistisch fand. Florian Henckel von Donnersmarck bedankte sich innig bei all seinen Lieben inkl. Ehefrau Christiane. Ganz besonders lobte er Ulrich (Mühe) und Sebastian (Koch) und erklärte sie für genial, worüber die sich sichtlich freuten. Martina Gedeck überging er seltsamerweise, obwohl sie erstens mindestens so genial ist wie Ulrich und Sebastian und zweitens der Film ohne sie ganz und gar in grauer DDR-Männermonotonie (Männertonie?) erstarrt und nicht auszuhalten gewesen wäre.
Den Oscar für die weibliche Hauptrolle hätte ich allen vier nominierten Schauspielerinnen gewünscht: Helen Mirren, Judi Dench, Meryl Streep und Penelope Cruz. Was für eine geballte Ladung weiblicher Ausdruckskraft! Bis auf Penelope Cruz (33) hatten alle ein stattliches Alter erreicht, was in der omafeindlichen Branche etwas heißen will: Streep 57, Dame Helen (Mirren) 61, Dame Judi (Dench) gar 72.
Womit wir bei der Conférence von Ellen DeGeneres angekommen wären. Überwiegend fand ich sie lustig und charmant frech, aber mit den Bemerkungen über Judi Dench konnte ich wenig anfangen. Zuerst sagte sie, Dame Judi könnte heute leider nicht zugegen sein, sie ließe sich die Augen machen. Etwas später korrigierte sie sich: Dame Judi ließe sich nicht die Augen machen, sondern die Titten (boobs). (Tatsächlich wurde sie am Knie operiert). Um diesen “Witz” zu begreifen, muß man die Vorgeschichte kennen: Dame Judi sollte vor einem Jahr in “Good Morning America” auftreten. Dann überlegten die TV-Herren es sich anders. Begründung: Sie sehe zu alt aus, das könne man dem Publikum nicht zumuten.
Ich vermute, daß DeGeneres – die ja weder blöd noch sexistisch und wohl auch nicht altenfeindlich ist – sich über diese Ungeheuerlichkeit lustigmachen wollte. Geglückt ist es ihr allerdings nicht.
Zwei der wichtigsten Oscars gingen an Schwarze, Forest Whitaker und Jennifer Hudson – sehr erfreulich. Und wie schon die üppige Queen Latifah in ihrer Rede für Hudson bemerkte – beide SchauspielerInnen sind ein Beweis dafür, daß man nicht magersüchtig sein muß, um den Oscar zu bekommen.
Ennio Morricone fand und fand kein Ende in seiner Dankesrede, und Freund Clint Eastwood übersetzte alles liebenswürdig, geduldig und meist sogar richtig. Morricones Musik fand ich immer schon außergewöhnlich, besonders die Titelmelodie von “Spiel mir das Lied vom Tod” (C’era una volta il West). Ich hatte ihn mir viel mondäner vorgestellt – meine Klischeevorstellung von der Filmwelt wohl. Hier aber stand ein schüchterner und in sich gekehrter alter Mann und war so weltfremd, daß er in seiner klangvollen, dem Publikum leider unverständlichen Sprache gewaltig das Zeitlimit überzog. Auch er bedankte sich liebevoll, ja mit Tränen in den Augen, bei seiner Frau – die genau so unglamourös aussah wie er. Ihm glaubte ich es, es war schön und ergreifend.
So waren diesmal gleich vier diskriminierte Gruppen höchst erfolgreich, Schwarze, Lesben, Dicke und Alte. Am eindrucksvollsten vertreten war allerdings die Gruppe der Alten. Neben den bereits genannten Frauen wären da noch zu erwähnen die Cutterin Thelma Schoonmaker (67) und die folgenden Opas: Al Gore 58, Scorsese 64, 0’Toole 74, Eastwood 76, Arkin 76, Morricone 79. Na ja, der Oscar selbst ist ja auch schon ziemlich alt – 79 Jahre, genau wie Morricone.
# | Luise F. Pusch am 03.03.2007 um 11:46 AM
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