**Auch das KaDeWe einst von den Nazis „arisiert“.

Wer so vieles noch immer nicht weiß…oder sich nicht schlüssig ist, was unsere Vergangenheit und Gegenwart betrifft: mit dem 100. Geburtstag gestern, des KAUFHAUSES DES WESTEN, in Berlin,
erscheint auch Ende März ein Büchlein über die Vergangenheit des KaDeWestens,
das, wie alle Kaufhäuser einst von jüdischen Geschäftsleuten gegründet und dann später von den Nazis geraubt, ursurpiert wurden, genannt „arisiert“ – erst das Vermögen beschlagnahmt und geraubt, dann, wer sich nicht schnell genug retten konnte oder wem das Geld fehlte – ermordet. Es mutet immer eigenartig an, wenn ein diesbezüglich heute berühmtes Kaufhaus, „seinen Geburtstag“ feiert. DIEBESGUT aus nationalsozialistischer Zeit. Das Land profitiert bis heute von seinem Morden und Brandschatzen, was zugegeben sehr verniedlichend klingt, für das, was die Nazi-Diktatur und unsere Vorfahren verbrochen haben : hier ein Text aus der BERLINER ZEITUNG zum 100. Geburtstag des KaDeWe – am 1. März :
Der Text beginnt mit einem alten Foto:

Der Haupteingang im Jahr 1930: Berliner aus allen Teilen der Stadt kauften im KaDeWe ein. Symbol des Westens

Das KaDeWe feiert am Donnerstag 100-jähriges Bestehen und lädt seine Kunden zu Torte und Sekt ein

Thorkit Treichel

Unter den Kaufhäusern war das KaDeWe schon immer ein Star. Es gab bereits einige Warenhäuser in Berlin, als der Kommerzienrat Adolf Jandorf das Kaufhaus des Westens im März 1907 eröffnete. Wertheim am Leipziger Platz, Tietz am Alexanderplatz. Auch Jandorf besaß bereits fünf Warenhäuser. Doch keines war so wie das neue Haus am Wittenbergplatz, so luxuriös, was die Waren betraf, und so modern mit Klimatechnik und Rohrpostanlage. „Das Kaufhaus des Westens knüpft nicht an die bekannte Reihe an, sondern eröffnet selber eine höhere Ordnung des weltstädtischen Kaufhauses . gerade so etwas hat der Luxuswesten nötig gehabt“, schrieb damals das bildungsbürgerliche Wochenblatt „Der Roland von Berlin“.

Amerikanische Verhältnisse

Dabei hatten viele nicht an den Erfolg des Kaufhauses an diesem Standort geglaubt. Schließlich galt die Gegend um die Jahrhundertwende noch als der „Wilde Westen“. „Jandorf wurde als verrückt bezeichnet, weil er in diesem jungfräulichen Gebiet investieren wollte“, sagt Hans-Dieter Werk, seit 30 Jahren Organisationsleiter im KaDeWe und Kenner der Kaufhaus-Historie. 1905 ließ Jandorf an der Tauentzienstraße einen Mietshausblock abreißen, um Platz zu schaffen für das neue Haus. Er setzte darauf, dass sich in den noch von Berlin eigenständigen Stadtgemeinden Charlottenburg und Schöneberg der gehobene Mittelstand niederlassen würde. Er behielt Recht.

Jandorf hatte einige Zeit in den USA verbracht und führte amerikanische Verhältnisse im KaDeWe ein, wie das Kaufhaus bald von jedermann genannt wurde. Neu war die räumliche Gliederung in Abteilungen. Es gab einen Friseursalon, eine Wechselstube und die Möglichkeit, auf Kredit zu kaufen. Schon in den ersten Jahren war das Haus für seine Lebensmittelabteilung berühmt. Angeboten wurden Herrlichkeiten aus exotischen Ländern. Durch das KaDeWe lernten die Berliner zum Beispiel Zitronen kennen. In der Fischabteilung waren die Wände mit Marmor verkleidet.

Außer Rudolf Karstadt,

(*Anm. FEM: nach unseren Recherchen wurde auch Rudolf Karstadt von den Nazis ‚arisiert‘, da er jüdischer Herkunft gewesen sei)

der 1929 sein Haus am Hermannplatz in Neukölln eröffnete, waren die meisten Warenhausgründer jüdischen Glaubens. Auch Adolf Jandorf, der das KaDeWe 1927 an Hermann Tietz verkaufte. Jandorf starb 1932. Ein Jahr darauf übernahmen die Nazis das Kaufhaus des Westens, aus dem Unternehmen Hermann Tietz wurde Hertie. „Das KaDeWe war das erste Warenhaus, das arisiert wurde. Die Eigentümer und die jüdischen Kaufleute wurden aus der Geschäftsleitung vertrieben, alle weiteren jüdischen Mitarbeiter entlassen“, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes. In einem Buch über das KaDeWe, das Ende März erscheint, hat er ein Kapitel zu diesem Thema beigetragen.

Im Jahr 1943 zerstörte ein amerikanisches Kriegsflugzeug das Haus nahezu vollständig. Aber das KaDeWe überlebte, in einem Notverkauf im Femina-Tanzpalast an der Nürnberger Straße. Am 3. Juli 1950 schließlich wurde der Neubau am Wittenbergplatz eröffnet. „Der Tauentzien war schwarz voll Menschen“, sagt Organisationsleiter Werk. 180 000 Besucher kamen am ersten Tag. In der Nachkriegszeit deckte das Kaufhaus vornehmlich den Grundversorgungsbedarf. „Erst in den siebziger Jahren besann sich das KaDeWe wieder stärker auf Luxusartikel“, sagt Werk.

Heute streifen täglich 50 000 Gäste durch das Haus, in der Vorweihnachtszeit sogar 100 000. Rund 2 000 Mitarbeiter stehen ihnen zur Verfügung. Mit seinen 60 000 Quadratmeter Verkaufsfläche ist das KaDeWe, das in den vergangenen Jahren von seinem Mutterkonzern Karstadt für 40 Millionen Euro umgebaut wurde, das größte Kaufhaus auf dem europäischen Kontinent. Für Busch-Petersen zählt das Haus zu den besten der Welt. „Noch vor Harrods in London.“ Zu den Stammgästen gehört auch Berlins Tourismuschef Hanns Peter Nerger: „Das KaDeWe ist international ein Symbol für Berlin“, sagt er.

Zum Geburtstag lädt das KaDeWe am Donnerstag ab 11 Uhr alle Berliner zu Sekt und Torte ein. Es ist genug für alle da: Die Riesentorte ist 6,50 Meter hoch und wiegt 1,3 Tonnen.