PRESSE-SCHAU: „Witz komm raus, du bist im TV!“

Ab 15. Januar 2007 gibt es einen reinen COMEDY-Sender – um die Diktatur der ewig gleichen Gesichter auf dem Markt abzulösen.

Quelle: www.welt-online.de, vom 24. 12. 06

Witz, komm raus, du bist im TV

Am 15. Januar startet der Sender Comedy Central. Er setzt nicht auf die begrenzt komischen Darsteller aus Deutschland, sondern auf lustige, frische Serien aus England und den USA. Das könnte funktionieren.

Von Christian Meier

Dümmer als die Polzei erlaubt: Die engagierten Ordnungshüter aus der klugen Serie „Reno911“

Markus Andorfer saß in den vergangenen Wochen in Wien und wartete auf Nachwuchs. Über werdende Väter gibt es ungefähr so viele Sketche wie über dumme Blondinen oder Oberkellner mit dem Finger in der Suppe. Bei Didi Hallervordens „Nonstop Nonsens“, einer Urzelle des deutschen Komik-Handwerks aus den Siebzigern, hießen Sketche noch „gespielte Witze“. Aber auch Sketch sagt man in der Witze-Branche nicht mehr. Alles, was auch nur halbwegs lustig gemeint ist, heißt Comedy.

Markus Andorfer ist Comedy-Experte. Am 15. Januar geht der Kanal auf Sendung, den der 37-jährige Österreicher federführend entwickelt hat – eine deutsche Version des amerikanischen Humor-Zentralorgans „Comedy Central“. Andorfer, der jüngere Bruder des früheren RTL2-Geschäftsführers Josef Andorfer, dessen Lebensgefährtin Catherine Mühlemann wiederum MTV-Managerin und damit Oberaufseherin des neuen Kanals ist, will mit dem Sender einen „Innovationsstau innerhalb der Szene“ auflösen. Seine Diagnose zur Lage des gespielten Witzes im deutschen Fernsehen ist wenig erheiternd: Ein erlesener Kreis an Comedians und Darstellern wechselt sich in den immergleichen Formaten ab.

Stattdessen soll nun CC Abwechslung bieten. Zum Sendestart beginnt CC mit sechs Eigenproduktionen, darunter mit der vom WDR bekannten Stand-up-Comedy „NightWash“ und „Para-Comedy“, einer Variante der „Versteckten Kamera“ mit behinderten Spaßvögeln. Vom Start dabei sind „Mundstuhl“ und „Badesalz“, zwei Komiker-Duos, die bereits seit Jahren eine Art humoristische Grundversorgung in den Stadthallen dieser Republik garantieren.

Seit „RTL Samstag Nacht“, das in den Neunzigern eine riesige Fangemeinde hatte und unter anderem Wigald Boning, Olli Dittrich und Esther Schweins ihre ersten großen Auftritte ermöglichte, bedeutet Comedy im Privatfernsehen Quote. Und Quote heißt natürlich Werbeeinnahmen. Auf ProSieben öffnete 1996 Thomas Hermanns „Quatsch Comedy Club“ seine Pforten, und SAT.1 zog mit einer Kopie des Carrell-Klassikers „Rudis Tagesschau“ nach – die „Wochenshow“ katapultierte Ingolf Lück, Anke Engelke und Bastian Pastewka in die Comedy-Bundesliga.

Dass CC im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt wird, ist dem Ende der Konkurrenz im Musikfernsehen zu verdanken. Als der US-Konzern Viacom, zu dem der Musiksender MTV gehört, vor zwei Jahren den deutschen Konkurrenten Viva übernahm, war schnell klar, dass es im deutschsprachigen Raum keinen Platz für eine Handvoll Abspielstationen geben würde, die sich musikalisch nur gering unterscheiden. Nun weicht Viva Plus dem neuen Sender.

Natürlich ist es ein wenig wohlfeil, den herrlich schwarzen britischen Humor und die cleveren Dialoge amerikanischer Sitcom-Schreiber zu loben und die deutschen Possenreißer mit Verachtung zu strafen. Denn immerhin gibt es „Stromberg“ auf ProSieben (das auf der britischen Vorlage „The Office“ basiert) oder „Pastewka“ auf SAT.1 (Vorlage ist die amerikanische Sitcom „Curb your Enthusiasm“ von „Seinfeld“-Miterfinder Larry David). Doch die Serien gibt’s bei CC weder im Original noch in der deutschen Variante. Pointen aus deutscher Gagschreiber-Feder sind auf CC eher vom Mundstuhl-Kaliber: „Unser Justin geht doch jetzt auf die Sonderschule. – Ja, wenn er das Zeug dazu hat.“ Genügend Highlights im CC-Programm gibt es dennoch, darunter vor allem das bizarre Panoptikum „Little Britain“, „Extras“ von Englands Komikerstar Ricky Gervais und die US-Serie „Arrested Development“. Jon Stewarts „Daily Show“, die in Amerika Kultstatus genießt, wird voraussichtlich ab Frühjahr mit Untertiteln ausgestrahlt.

Ein Prozent Marktanteil strebt Andorfer innerhalb eines Jahres mit CC in der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre an. In drei Jahren sollte die Viacom-Tochter schwarze Zahlen schreiben. Die Humor-Nachfrage ist noch nicht gesättigt.

Das deutsche TV-Publikum vertrage „so viel Comedy, wie es gibt“, sagt „RTL-„Samstag Nacht“-Erfinder Hugo Egon Balder: „Die Menschen wollen immer lachen.“

Artikel erschienen am 24.12.2006