Dirk Niebel, FDP, gegen LIBANON-Einsatz

Dirk Niebel – Generalsekretär der FDP
Pressemitteilung vom 15. 09. 2006
NIEBEL-Gastkommentar für „Die Welt“
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL, stellvertretender Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe und Vizepräsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, schrieb für die heutige Ausgabe der „Welt“ den folgenden Gastkommentar:

„Ja, wir sind parteiisch“ – mehr:
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Dirk Niebel – Generalsekretär der FDP
Pressemitteilung vom 15. 09. 2006
NIEBEL-Gastkommentar für „Die Welt“
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL, stellvertretender Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe und Vizepräsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, schrieb für die heutige Ausgabe der „Welt“ den folgenden Gastkommentar:

„Ja, wir sind parteiisch

Viel Erfolg wünscht Jacques Schuster gestern in der ,Welt’ dem deutschen Marine-Kommando vor der Küste des Libanon. Auch wir, die dem Unternehmen ablehnend gegenüber stehende FDP, werden – wenn es so weit ist – selbstverständlich der Bundeswehr in ihrer heiklen Mission den Rücken stärken. Aber noch steht das für eine Parlamentsarmee Entscheidende aus: der Parlamentsbeschluss. Vorfestlegungen hat es in diesem Sommer nahezu täglich gegeben, so dass man trefflich darüber debattieren kann, ob die Bundeskanzlerin das Ganze treiben ließ oder – ebenso kritikwürdig – im Windschatten des tapsig vorauseilenden Verteidigungsministers vorantrieb.

Die wahre Debatte gehört in den Deutschen Bundestag, und der hat in der kommenden Woche das letzte Wort. Gerade in Zeiten der großen Koalition darf das kein lästiges Ritual sein. Oder soll jetzt in Deutschland mehr und mehr par ordre du mufti entschieden werden? Anders gesagt: per internationaler Zwangslage, aus der es für das neue, das souveräne Deutschland angeblich kein Entrinnen gibt. Der Souverän unseres Gemeinwesens bleibt die Volksvertretung Bundestag. Die FDP wird sich mit großer Mehrheit gegen die deutsche Beteiligung an diesem UN-Militäreinsatz entscheiden. Wir lassen uns dabei von großer Ernsthaftigkeit und wahrlich nicht weniger Verantwortungsbewusstsein als andere leiten.

Ich lasse mir als ausgewiesener Freund Israels nicht nachsagen, im Zweifel nicht ernsthaft zu Israel zu stehen, wenn ich begründete Bedenken vortrage, ob deutsches Militär jetzt dem Nahen Osten den Frieden näher bringen kann. Ich halte es auch für sehr bedenklich, wenn Richard Herzinger in einem ,Welt’-Leitartikel (12.9.) einer vermeintlich notwendigen generellen Militarisierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik das Wort redet. Das entspricht weder den deutschen Erfahrungen noch Interessen. Deutschland steht mit seiner weltweit geachteten friedlichen Revolution von 1989/90 gerade für einen Aspekt der ,neuen Zeit’, den Richard Herzinger ausblendet. Wenn dann andererseits Jacques Schuster der aktuellen Nahost-Politik Angela Merkels den Orden genscherschen Geschicks umhängt, möchte ich daran erinnern, dass gerade Hans-Dietrich Genscher gemeinsam mit Walter Scheel und Otto Graf Lambsdorff der Bundeskanzlerin seine Bedenken gegen die Teilnahme deutscher Soldaten an diesem UN-Truppeneinsatz eindringlich vorgetragen hat. Die FDP trug und trägt jedes aus unserer Freiheitstradition, aus nationalem und Bündnisinteresse, aus humanitärem Gebot erforderliche militärische Engagement Deutschlands in der Welt mit. Das gilt für den Kosovo, für das Horn von Afrika wie für Afghanistan. Deshalb ist es unsachlich, uns Liberalen zuzuschreiben, wir würden ,die Sehnsucht nach der guten alten Zeit bedienen’ und anderen die Verteidigung westlicher Interessen überlassen.

In jedem Fall hält es die FDP für unerlässlich abzuwägen: Nutzt die deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz dessen Auftrag und gleichwohl unserem eigenen Friedensstreben? Oder birgt sie eher unvertretbare Risiken? Im Falle des Libanon-Einsatzes sind wir bei der FDP mit großer Mehrheit zu dem Schluss gekommen: Die unparteiische Aufgabe der UN-Mission und die parteiische Rolle Deutschlands als Garant des Existenzrechts Israels passen nicht zusammen. Wir warnen vor zwei Gefahren: Deutschland könnte seine strategische Rolle als Vermittler im Nahen Osten verlieren. Oder aber: Deutschland gerät in eine militärische Auseinandersetzung mit Israel. Ein Desaster! Man muss diese Abwägung nicht teilen, doch wir erwarten zumindest Respekt für unsere Haltung.

In einem für mich entscheidenden Punkt muss ich Richard Herzinger streng widersprechen. Auf meine Warnung vor der Gefahr, dass Deutsche auf Israelis schießen müssten, folgt bei ihm eine in Fragen gekleidete Erörterung, wer denn wohl schießen dürfte. Der Autor wird es nicht beabsichtigt, doch aber zu wenig bedacht haben: Er relativiert die historische Einmaligkeit der Shoah, des Holocaust-Verbrechens, wenn er fragt: ,Ab wie viel Antisemitismus in der Geschichte eines Landes ist es ausgeschlossen, sich an einer Befriedung des Nahen Ostens zu beteiligen?’ Das ist für mich ein indiskutables Debattenniveau. Ich bleibe dabei: Jawohl, wir sind parteiisch. Ich vornweg. Deutschland kann und muss viel leisten für die Existenz Israels als jüdischer Staat in gesicherten Grenzen, in einem friedlichen Nahen Osten. Gerade deshalb sollten sich deutsche bewaffnete Soldaten nicht beteiligen. Zur Friedenssicherung im Nahen Osten hat Deutschland mehr zu bieten, als Soldaten zu schicken.“

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NIEBEL- Gastkommentar für „Die Welt“