Kampf um Fördermittel: Literaturfonds DA

DARMSTADT:

Vetternwirtschaft…? Onkelwirtschaft…? Ah, es gibt einen Deutschen Literaturfonds…!? AH…da gibt es Geld……Literaturfonds: Wird auf der Mathildenhöhe nach Gutsherrenart über Fördergelder entschieden? Ein Projekt erregt Kritik /Quelle: echo-online.de (Darmstadt)
„Volltext“ weckt den Widerspruch

Literaturfonds: Wird auf der Mathildenhöhe nach Gutsherrenart über Fördergelder entschieden? Ein Projekt erregt Kritik

DARMSTADT. Im Etat des Deutschen Literaturfonds sind 300 000 Euro eine Menge Geld. Der in Darmstadt ansässige Verein verwaltet Fördermittel von einer Million Euro jährlich. Im schlechtesten Fall zahlt er dreißig Prozent für ein gemeinsames Projekt mit der österreichischen Zeitschrift „Volltext“. Aber vielleicht wird auch nur ein kleiner Teil der zugesagten Summe benötigt – dann nämlich, wenn das Sonderheft zur Buchmesse im Herbst ein so großer Erfolg bei den Anzeigenkunden wird, dass sich die Sache auch wirtschaftlich rechnet.

Der Deutsche Literaturfonds in Darmstadt wird angegriffen, weil sein Lektor Gunther Nickel freier Mitarbeiter der geförderten Zeitschrift war. Und nicht nur das: Von einem „beispiellosen Akt der Selbstbedienung“ spricht Ulrich Janetzki, der Leiter des Literarischen Colloquiums in Berlin (LCB), in einem Offenen Brief. Von Nickel betreute Editionen seien über den Fonds mit Bundesmitteln gefördert worden, Nickel sei auf Seminaren des Fonds als „universalgelehrter Dozent“ aufgetreten. Der Literaturfonds habe sich in ein „Literaturhaus nach Gutsherrenart“ verwandelt, das Zuschüsse „schon im Vorfeld für sich reklamiert und dies mit Verweis auf die mindere Qualität der anderen Anträge rechtfertigt“. Ernest Wichner, Leiter des Berliner Literaturhauses, pflichtete Janetzkis Angriff bei und nannte die Fördersumme von 300 000 Euro „obszön“.

Sowohl der Literaturfonds-Geschäftsführer Bernd Busch als auch Gunther Nickel, der beim Fonds unter anderem für die Begutachtung der Förderanträge zuständig ist, haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Busch weist unter anderem darauf hin, dass nicht Nickel die Entscheidungen treffe, sondern das Kuratorium des Fonds. Nickel habe als freier Autor Beiträge für „Volltext“ wie für viele andere Blätter geliefert. Die Teilnahme an Seminaren des Fonds zähle zu Nickels Dienstpflichten und werde nicht zusätzlich honoriert. Nur die von Nickel betreute Ausgabe der Werke Siegfried Jacobsohns sei unter anderem mit Hilfe von Bundeszuschüssen verwirklicht worden.

Außerdem habe Janetzki in einer früheren E-Mail das „Volltext“-Projekt sehr freundlich beurteilt. Mag sein, dass sich Janetzkis Haltung zum Literaturfonds Anfang letzter Woche gewandelt hat. Am 27. März entschied nämlich das Kuratorium, einen Förderantrag des LCB für die Einrichtung eines Literaturportals im Internet abzulehnen. Nickel sieht Interessen hinter den Angriffen auf den Literaturfonds und auf seine Person: „Hier wird Schaden angerichtet an der Institution und an der Person.“

Die Kritik am Literaturfonds berührt auch dessen veränderte Rolle. Der Fonds tritt seit einigen Jahren nicht mehr nur als Geldgeber auf, sondern als aktiver Part der Literaturvermittlung – eine Entscheidung des Kuratoriums, für deren Umsetzung Nickel mitverantwortlich ist. Die Idee einer Buchmessen-Zeitschrift zielt auf eine breite Öffentlichkeit, um „mit Literatur für Literatur zu werben“. Das „Volltext“-Sonderheft soll vor allem originale Beispiele neuer Literatur sowie Autorenporträts enthalten und kostenlos über Schulen, Universitäten und Bibliotheken verbreitet werden. Außerdem soll an Schulen dafür geworben werden, die abgedruckten Texte für den Unterricht zu verwenden. „Alle jammern über Pisa“, sagt Gunther Nickel, „und wir probieren jetzt diesen Weg.“

„Guter, junger Literatur“ solle durch das „Volltext“-Sonderheft die Chance auf ein breites Publikum gegeben werden. Die Redaktion solle einen breiten Querschnitt durch die Literaturszene gewährleisten; unter anderem haben die Autoren Norbert Gstrein, Arno Geiger und Daniel Kehlmann sowie andere Zeitschriften („Am Erker“, „Bella triste“, „Kritische Ausgabe“) ihre Mitarbeit zugesagt. Diese Zeitschriften sind es auch, die in einem Offenen Brief Nickel und das Projekt verteidigen. Von einer „Wettbewerbsverzerrung“ durch die Unterstützung von „Volltext“ könne keine Rede sein; die Blätter seien im Gegenteil daran interessiert, sich in einer so hohen Auflage präsentieren zu können. Der Literaturfonds sei „eines der am besten funktionierenden Instrumente der Literaturförderung in Deutschland.“

Einige Literaturhäuser, die zur Mitarbeit an der „Volltext“-Sondernummer ebenfalls eingeladen worden waren, haben abgewunken. Sie planen eine eigene Zeitschrift.

Johannes Breckner

5.4.2006

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