Neues: Hormonersatz-Therapie

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie:

Die „Zeitpunkt-Hypothese“: Risiko oder Nutzen einer Hormonersatztherapie

in den Wechseljahren hängt vom Alter der Frau ab
DGE: Zeitpunkt-Hypothese zur Hormonersatztherapie

Datum: Wed, 22 Mar 2006 12:05:40 +0100

Die „Zeitpunkt-Hypothese“: Risiko oder Nutzen einer Hormonersatztherapie

in den Wechseljahren hängt vom Alter der Frau ab

Stuttgart – Wie stark eine Frau von einer Hormonersatztherapie (HRT) nach

den Wechseljahren profitiert oder ob sie sich dadurch zusätzlichen

gesundheitlichen Risiken aussetzt, hängt vermutlich vom Zeitpunkt ab, zu dem

sie damit beginnt. Dies berichtete Dr. Ioanna Gouni-Berthold kürzlich auf

dem 50. Symposion der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in

Essen. Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine HRT vor

Gefäßerkrankungen schützen könnte, wenn Frauen die Hormontherapie frühzeitig

beginnen.

Selten verhalten sich Nutzen und Risiken medizinischer Verfahren so

widersprüchlich wie die der Hormonersatztherapie: Ursprünglich sollte die

Hormonbehandlung vor allem die Symptome der Menopause wie Hitzewallungen,

Schlafstörungen, Schwindel oder Herzjagen lindern. Zugleich machten

Fachleute darin eine schützende Wirkung etwa vor Herzkreislauferkrankungen

und Knochenschwund aus. „Zahlreiche Beobachtungsstudien hatten gezeigt, dass

die HRT mit einer Verringerung des Herzinfarktrisikos einher geht“, erklärt

Professor Dr. med. Harald Klein, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft

für Endokrinologie. „Dann trat jedoch eine unerwartete Wendung ein.“

Im Jahr 2002 veröffentlichte das Nationale Gesundheitsinstitut der USA die

Ergebnisse der Women’s Health Initiative (WHI) – einer auf 15 Jahre

angelegten Studie, an der sich 161.000 Frauen beteiligten: Dabei zeigte

sich, dass Patientinnen, die in den Wechseljahren kombiniert mit den

Hormonen Östrogen und Progesteron behandelt wurden, einem um 24 Prozent

erhöhten Infarktrisiko unterlagen. Mit zunehmenden Jahren nach der Menopause

stieg dieses Risiko. Jüngere Teilnehmerinnen zwischen 50 und 59 Jahren unter

Östrogentherapie erlitten dagegen seltener einen Herzinfarkt.

Endokrinologin Dr. Ioanna Gouni-Berthold von der Medizinischen Klinik II und

Poliklinik für Innere Medizin der Universität Köln interpretiert die

Erkenntnisse so: „Das Alter mit dem Frauen eine HRT beginnen, entscheidet

möglicherweise darüber, ob deren Effekte schützend oder schädlich sind.“

Hinweise aus Studien an Affen und andere Tiermodelle unterstützen diese

„Zeitpunkt- Hypothese“: Eine HRT beugt nur dann Atherosklerose vor, wenn

Frauen rechtzeitig damit anfangen. „Eine frühe HRT beeinflusst die Biologie

der Gefäßwände anders als eine späte“, so Dr. Gouni-Berthold. Sie kann

verhindern, dass die Wandzellen der Blutgefäße Schaden nehmen und

atherosklerotische Schäden sogar beheben. Sind die Gefäße jedoch bereits

verletzt – wie es bei Frauen jenseits der Mittfünfziger der Fall sein kann –

reagieren sie anders auf eine HRT: Die Therapie löst dann entzündliche

Prozesse an den Gefäßwänden aus und beeinflusst die Stabilität der

atherosklerotischen Beläge, der so genannten Plaques.

„Die meisten Frauen in Beobachtungsstudien haben die HRT während der Phase

um die Menopause begonnen, wohingegen die WHI-Studie zu wenig jüngere Frauen

beinhaltete, um zu untersuchen, ob ein Beginn der HRT während des Übergangs

der Wechseljahre Schutz vor Herzinfarkten erwirken kann“, erläutert Dr.

Gouni-Berthold. Inzwischen sind zwei klinische Studien auf dem Weg, um die

Zeitpunkt-Hypothese zu prüfen: die „Kronos Early Estrogen Prevention Study“

(KEEPS) und der „Early versus Late Intervention Trial with Estradiol“

(ELITE). Expertin Dr. Ioanna Gouni-Berthold betont: „Wie attraktiv die

Zeitpunkt-Hypothese auch sein mag, sie bleibt vorerst nur eine Hypothese,

bis klinische Evidenz ihre Gültigkeit beweisen kann.“