Preisträger Buchmesse Leipzig 2006

Quelle: MDR.de /Leipzig-liest.de
Ausgezeichnet!

Preis der Leipziger Buchmesse

Die Entscheidungen sind gefallen: Die mit je 15.000 Euro dotierten Preise der Leipziger Buchmesse 2006 gehen an Ilija Trojanow (Belletristik,l.), Ragni Maria Gschwend (Übersetzung, m.) und Franz Schuh (Sachbuch/Essayistik, r.).

Lesen, lesen, nochmals lesen, hieß es seit dem 30. November 2005 für die Juroren. Nicht weniger als 175.750 Seiten hatte sie durchzuackern und danach eine Nominiertenliste mit den fünf besten Titeln jeder Kategorie zu erstellen.

Überraschende Entscheidungen?

Am Donnerstag nachmittag verkündete die Jury ihre Entscheidungen in der Glashalle auf der Leipziger Messe in Anwesenheit der Nominierten, zahlreicher Verleger und Lektoren sowie vor Publikum: Die mit je 15.000 Euro dotierten Preise der Leipziger Buchmesse gehen 2006 an: Ilija Trojanow (Belletristik) für seinen Roman „Der Weltensammler“, Ragni Maria Gschwend wurde für ihre Übersetzung von Antonio Morescos Roman „Aufbrüche“ aus dem Italienischen ausgezeichnet, in der Kategorie Sachbuch wurde Franz Schuh für seinen Essay „Schwere Vorwürfe. Schmutzige Wäsche“ gewürdigt.

Trojanows „Weltensammler“ – Ein Roman gegen den Krieg der Kulturen

Ob der Hype um Clemens Meyer („Als wir träumten“)vielleicht kontraproduktiv gewesen sei, fragten sich die FIGARO-Moderatoren Michael Hametner und Thomas Bille, die das Geschehen mit Experten live kommentierten. MDR-Literaturkritiker Hametner hatte auf den jungen Leipziger Autor, Jahrgang 1977, gesetzt, der ein „exzellentes“ und hoch gelobtes Buch verfasst habe. Meyer studiert am Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL). Der Vorwurf, die meisten DLL-Studenten seien handwerklich und stilistisch gut, aber ihnen fehle es an Lebenserfahrung und Erzählstoff, trifft laut Hametner gerade auf ihn nicht zu. Meyer erzähle in seinem Roman die Geschichte einer Jugend-Gang von den 80er Jahren bis in die Nachwende-Zeit im Leipziger Osten höchst wahrhaftig. Mit dem ersten Kapitel des Romans hatte Clemens Meyer den MDR-Literaturwettbewerb 2001 gewonnen.

Ausgezeichnet wurde letztlich Ilija Trojanows Roman „Der Weltensammler“, der – so die Jury- mit „orientalischer Fabulierlust“ ein Panoroma der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert entwirft, dabei aber „drängende Fragen der Gegenwart“ verhandle. Der Leser sehe sich selbst mit fremden Augen an. „Ein sehr guter Roman, ein Roman gegen den Krieg der Kulturen,“ wertete Patrick Hutsch von der Literaturzeitschrift „Edit“ die Entscheidung.

„Schwere Vorwürfe. Schmutzige Wäsche“

Zur Überraschung der FIGARO-Beobachter ging der Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik an den österreichischen Autor Franz Schuh. Juror Klaus Reichelt begründete „Schwere Vorwürfe. Schmutzige Wäsche“ sei ein „großer Text“, der in seinen Reflexionen alle Bereiche des menschlichen Lebens berühre und überraschende Zusammenhänge herstelle. Seine sprachlichen Kostbarkeiten verlängerten die Traditionslinie von Kafka und Polgar ins 21. Jahrhundert. Sein Text sei der Beweis, dass auch ein Dichter die Ratio der Wissenschaft fortführen könne.

Ragni Maria Gschwend schafft einen „visionären Kosmos“

Schließlich begründete Jurorin Andrea Köhler die Vergabe des Preises in der Kategorie Übersetzung an Ragni Maria Gschwend. Sie habe es geschafft, die „vertrackte Bildwelt“ des italienischen Romanciers Antonio Moresco („Aufbrüche“) in einen „visionären Kosmos“ zu übertragen, der auch im Deutschen die Traumlogik des Textes bewahre. Übersetzer Andreas Tretner in der FIGARO-Runde lobte die Entscheidung. Mit Ragni Maria Gschwend sei eine Übersetzerin ausgezeichnet worden, die sich seit 30 Jahren um die Vermittlung anspruchsvoller Texte verdient gemacht habe. Er verwies auch darauf, dass zum zweiten Mal ein Buch aus dem Ammann-Verlag den Preis abräume.

700 Titel wurden eingereicht

144 Verlage reichten bis Ende November über 700 Titel ein, ein Fünftel mehr als bei der Premiere des Preises im Vorjahr. Dann hieß es für die Jury: Lesen,lesen, lesen. Dieser Mammut-Aufgabe stellten sich wie im Vorjahr sieben renommierte Fachleute und Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: Franziska Augstein (Süddeutsche Zeitung), Richard Kämmerlings (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Andrea Köhler (Neue Zürcher Zeitung), Sigrid Löffler (LITERATUREN), Martin Lüdke (Südwestrundfunk). Norbert Miller (TU Berlin) und Klaus Reichelt (Mitteldeutscher Rundfunk). Sie bestimmten je fünf Autoren für die drei Kategorien.

Die Nominierten in der Kategorie Belletristik

Die Nominierten in der Kategorie Sachbuch/Essayistik

Die Nominierten in der Kategorie Übersetzung

Zur Premiere des Preises im März 2005 wurden die Autoren Terézia Mora (Belletristik), Rüdiger Safranski (Sachbuch/Essayistik) und der literarische Übersetzer Thomas Eichhorn geehrt. Der Preis der Leipziger Buchmesse trat an die Stelle des 2002-2004 in Leipzig verliehenen Deutschen Bücherpreises, der wegen mangelnder Akzeptanz eingestellt worden war.