Die Dresdner Bank war einer neuen Studie zufolge an der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden wesentlich stärker beteiligt als bisher zugegeben. Das geht aus einer Studie unter Federführung des Dresdner Zeithistorikers Klaus-Dietmar Henke hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Die Bank habe bei der „Arisierung“ der Vermögen von Juden aktiv mitgemacht,
Wissenschaftler legen Studie vor
Dresdner Bank war an Nazi-Verbrechen beteiligt
[Bildunterschrift: Die Historiker Harald Wixforth, Klaus Dietmar Henke, Johannes Bähr und Dieter Ziegler präsentieren ihre Studie zur NS-Vergangenheit der Dresdner Bank.]
Die Dresdner Bank war einer neuen Studie zufolge an der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden wesentlich stärker beteiligt als bisher zugegeben. Das geht aus einer Studie unter Federführung des Dresdner Zeithistorikers Klaus-Dietmar Henke hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Die Bank habe bei der „Arisierung“ der Vermögen von Juden aktiv mitgemacht, als „Vertrauensbank der SS“ den Bau des Vernichtungslagers Auschwitz mitfinanziert und hohe Profite aus der Expansion des Dritten Reichs im Osten erzielt.
Studie: Bank war „klarer Mittäter“Durch die Nähe zum „mörderischen Hitlerstaat“ sei „die klare Mittäterschaft“ der Bank an dessen Verbrechen vorgezeichnet gewesen, sagte Henke. Nach der Machtergreifung der Nazis rückten zwei überzeugte Nationalsozialisten in den Vorstand. Anders als später immer wieder dargestellt, habe der gesamte Vorstand eine enge Zusammenarbeit mit den Nazis aus Opportunismus oder Eigeninteresse gewollt. „Die Bank war Täter und nicht Opfer“, betonte der Historiker.
Profite durch ArisierungDie Dresdner Bank habe mehr als jede andere deutsche Großbank in den besetzten Gebieten Filialen errichtet, frühzeitig von der „Arisierung“ jüdischen Vermögens profitiert und sei ab 1938 die führende Geschäftsbank der SS gewesen. Die Bank habe dabei in keiner Weise unter Zwang gehandelt, sondern sich den Machthabern freiwillig angedient, betonte der ebenfalls an der Studie beteiligte Historiker Johannes Bähr.
Jüdische Mitarbeiter entlassenInnerhalb der Bank setzte der Vorstand die antisemitische Politik durch. Die jüdischen Mitarbeiter, etwa fünf Prozent der Belegschaft, seien entlassen worden. Die Zahlung von Betriebsrenten wurde nach der Deportation mit der Begründung eingestellt, die ehemaligen Mitarbeiter würden ohnehin nicht überleben, berichtete der Bochumer Historiker Dieter Ziegler.
Bank stellt sich Verantwortung
„Wir akzeptieren die Wahrheiten, auch wenn sie uns wehtun“, sagte Bankvorstand Wulf Meier. Mit der Studie übernehme das Institut „die moralische Verantwortung für ihr Handeln“. Daraus folgten aber keine weiteren Entschädigungszahlungen. Er wies daraufhin, dass die Bank zu den Gründern der Stiftung für die NS-Zwangsarbeiter gehört.
Acht Jahre und 1,6 Millionen Euro für Studie
Die von der Bank in Auftrag gegebene und mit 1,6 Millionen Euro finanzierte Studie entstand in achtjähriger Arbeit. Die Bank habe zu lange über die Tragweite ihrer Beteiligung am NS-System geschwiegen und sich erst nach starkem öffentlichen Druck 1997 zu einer weiter reichenden Untersuchung bereit erklärt, sagte Vorstandsmitglied Meier. Die Studie soll auch den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden.
Präsentation wurde verlegt
Das wissenschaftliche Kolloquium zur Studie sollte ursprünglich im Jüdischen Museum in Berlin stattfinden.
Die Dresdner Bank reagierte auf den Protest des Zentralrates der Juden in Deutschland und verlegte die Veranstaltung in ihre Vertretung am Potsdamer Platz.
Bank an Nazi-Verbrechen beteiligt [H.-J. Lorenz, RBB]
2. PRESSE-FUND (am 19.2. 2006 vom 16.2. in der ZEIT
DIE ZEIT 16.02.2006 Nr.8
Göring stets zu Diensten
Diese Woche erscheint die große Studie zur Dresdner Bank im »Dritten Reich«. Erschreckendes Fazit: Die gesamte Führung applaudierte dem Geschäft mit der »Arisierung« Von Christopher Kopper
Der Vorstand der Dresdner Bank Ende 1937 im Sitzungssaal der Berliner Zentrale
Foto: Dresdner Bank AG, Historisches Archiv
Auch Bücher haben ihre Geschichte. Nachdem die Dresdner Bank 1997 ihr 125-jähriges Jubiläum verstreichen ließ, ohne ihre Rolle im »Dritten Reich« aufzuarbeiten, konnte sie dem öffentlichen Druck nicht mehr ausweichen. Die transatlantische Diskussion um die ungesühnte Verantwortung deutscher Unternehmen für die Plünderung jüdischer Vermögen tat ein Übriges. So entschied der Vorstand der Bank, angesehene und unabhängige Historiker mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Studie über die Dresdner Bank während der Naziherrschaft zu beauftragen.
Um es vorwegzunehmen: Das Ergebnis der verspäteten Vergangenheitsbewältigung kann sich sehen lassen. Der Dresdner Zeithistoriker Klaus-Dietmar Henke und die Wirtschaftshistoriker Johannes Bähr, Harald Wixforth und Dieter Ziegler haben eine vierbändige Studie erstellt, die in vielerlei Hinsicht gewichtig ist. Die Autoren standen nie in der Versuchung, eine spektakuläre These zu präsentieren, die bei näherem Hinsehen wie eine Seifenblase zerplatzt. In den staubbedeckten Regalen des Archivs der Dresdner Bank förderten sie längst vergessene Aktenberge zutage, die ihnen eine ungeahnt tiefe Rekonstruktion des unternehmerischen Handelns während des »Dritten Reiches« ermöglichten.
Lange war das Bild von der Dresdner Bank während der Nazizeit von einem Bericht geprägt, den die amerikanische Militärregierung (OMGUS) 1946 bei ihrer Suche nach Kriegsverbrechern in den Vorstandsetagen der Großbanken erstellte. Ihr Schluss, dass die Dresdner Bank »eine übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht darstellte«, beruhte auf der Voreingenommenheit der amerikanischen Finanzoffiziere und ihrer Unkenntnis des deutschen Bankensystems, das sich vom amerikanischen Bankwesen klar unterschied. Entgegen ihrer Vermutung hatte das deutsche Universalbankensystem mit seinen landesweit operierenden Großbanken gerade nicht zu einer Konzentration wirtschaftlicher Macht geführt, wie sie aus anderen Motiven auch von marxistischen Ökonomen kritisiert wurde.
Lange Zeit verfielen deutsche Historiker dem Irrtum, den OMGUS-Report als gesicherte Wahrheit und nicht als ein zeitgebundenes, durch subjektive Wahrnehmungen und Irrtümer beeinflusstes Dokument zu interpretieren. Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung war die Dresdner Bank keine Macht, sondern ein Institut, das sich in jederlei Hinsicht in einer schwachen Stellung befand. Das Institut hatte die verheerende Bankenkrise des Jahres 1931 nur dank der Eigenkapitalhilfen des Reiches und der Reichsbank überleben können. Mehr als 90 Prozent ihres Kapitals befanden sich in den Händen des Staates, von dem sie in verschiedener Hinsicht abhängig war.
Der Beginn der nationalsozialistischen Rassenpolitik traf die Dresdner Bank sofort. Das Bankhaus, das 1872 von jüdischen Bankiers gegründet wurde und immer eine beträchtliche Zahl jüdischer Vorstandsmitglieder und Direktoren gezählt hatte, galt nun als öffentliches Unternehmen. Es unterlag somit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, mit dem jüdische Beamte aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen wurden.
Viele der jüdischen Angestellten und Direktoren hatten während des Ersten Weltkriegs an der Front gekämpft und waren durch die Ausnahmebestimmungen des Gesetzes vor einer zwingenden Entlassung geschützt. In einer charakteristischen Mischung aus opportunistischem Geschäftskalkül und Nachgiebigkeit gegenüber politischem Druck entschloss sich das Management der Dresdner Bank, dennoch auch einen Teil seiner geschützten jüdischen Mitarbeiter zu entlassen. Die gezielte Entlassung jüdischer Mitarbeiter erlaubte es dem Management nämlich, den Personalüberhang ohne Konflikte mit den Aktivisten der NS-Betriebszellenorganisation (NSBO) zu beseitigen. Das politische Interesse an einem Modus Vivendi mit den NS-Aktivisten im eigenen Haus deckte sich mit dem unternehmerischen Opportunismus, eine günstige Gelegenheit zur Verkleinerung der Belegschaft zu nutzen. Unter den Großbanken war die Dresdner Bank jedoch keine besonders unrühmliche Ausnahme: 1933 entließ die Deutsche Bank ihre drei jüdischen Vorstandsmitglieder, ohne dass dies die Reichsregierung oder der mächtige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht gefordert hätten.
Existenzvernichtung – umgesetzt in scheinbar normalen Geschäften
Die nun vorliegende Studie beschreibt detailliert die zunehmende Diskriminierung der jüdischen Mitarbeiter und die Benachteiligungen der jüdischen Bankkunden. In der Behandlung der jüdischen Mitarbeiter und Pensionäre und im Verhalten gegenüber den jüdischen Kunden spiegelte sich der gesamtgesellschaftliche Prozess der Rassenpolitik, den der Historiker Hans Mommsen einmal als »kumulative Radikalisierung« charakterisierte. So diente der Erlass der Nürnberger Rassengesetze im September 1935 der Dresdner Bank als Legitimation, um die verbliebenen jüdischen Angestellten bis 1937 zu entlassen und ihnen einen Teil ihrer verbrieften Abfindungen und Pensionsansprüche willkürlich vorzuenthalten. An einigen hoch qualifizierten und kaum ersetzbaren jüdischen Direktoren hielt das Bankhaus aus den gleichen opportunistischen Erwägungen jedoch so lange fest, wie es aufgrund der rassenpolitischen Rahmenbedingungen möglich war.
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