Gefährliche Gutmenschen
Mit ihrer Kampagne gegen Necla Kelek wollen Migrationsforscher eine notwendige Debatte verhindern.
Necla Kelek sorgte mit ihren Buch „die fremde Braut“ für Aufsehen
Gefährliche Gutmenschen
Mit ihrer Kampagne gegen Necla Kelek wollen Migrationsforscher eine notwendige Debatte verhindern
von Mariam Lau
Necla Kelek sorgte mit ihren Buch „die fremde Braut“ für Aufsehen
Foto: dpa
Im Windschatten des weltweiten muslimischen Volkszorns über die dänischen Mohammed-Karikaturen findet auch bei uns eine Kampagne in Sachen Islam statt. Unter dem Titel „Gerechtigkeit für Muslime“ war in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 1. Februar ein offener Brief erschienen. 58 Migrationsforscher unter der Federführung der Pädagogen Mark Terkessidis und Yasemin Karakasoglu beklagen sich darin über eine Reihe von Büchern, die das Thema Ehrenmorde und Gewalt gegen Frauen im Islam zum Gegenstand machen.
Autorinnen wie Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali oder Seyran Ates, so heißt es in dem Aufruf, hätten „reißerische Pamphlete“ geschrieben, „in denen eigene Erlebnisse und Einzelfälle zu einem gesellschaftlichen Problem aufgepumpt werden, das um so bedrohlicher erscheint, je weniger Daten und Erkenntnisse eine Rolle spielen.“ Tatsächlich haben alle drei Autorinnen persönliche Erfahrungen: Kelek aus ihrer eigenen Familie, Ates ist von einem Fremden in einer Beratungsstelle angeschossen worden, Hirsi Ali, Abgeordnete im holländischen Parlament, lebt unter Polizeischutz. Ihre Gegner halten ihnen vor, den Islam pauschal als „patriarchale und reaktionäre Religion“ zu betrachten.
Necla Kelek, die mit ihrem Buch „Die fremde Braut“ den besonderen Zorn der Unterzeichner auf sich gezogen hat, weil es vom ehemaligen Innenminister Otto Schily vorgestellt wurde und zum Tischgespräch avanciert war, wehrt sich. „Was haben alle diese Migrationsforscher eigentlich all die Jahre mit ihren Mitteln und ihren Stellen getan, und was haben sie übersehen, daß so viele Probleme nicht erkannt wurden?“, so Kelek in einem Beitrag für die WELT.
Zu den Unterzeichnern, von denen wenige einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind, gehört auch Keleks Doktormutter, die Hamburger Professorin Ursula Neumann, die seit 20 Jahren das Institut für Interkulturelle Pädagogik in Hamburg leitet. Seit ihrer Zeit als Ausländerbeauftrage 1999-2002 unter dem rotgrünen Hamburger Senat – Neumann gilt als Freundin von Ex-Grünen-Fraktionschefin Christa Sager und der früheren Integrationsbeauftragten Marie-Luise Beck – plädiert sie für den Dialog mit BIG, dem Bündnis Islamischer Gemeinden, einer Untergruppe der islamistischen Milli Görus, die der Hamburger Verfassungsschutz für äußerst bedenklich hält.
Auf die Frage, wo denn die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Ehrenmorde seien, mit denen man belegen könne, daß Kelek übertreibt, mußte Neumann allerdings passen. „Man kann nicht zu allem forschen“. Sie selbst hat gerade jugendliche afrikanische Flüchtlinge beforscht und kommt zu dem Ergebnis, daß die Bundesrepublik sich hier große Versäumnisse zuschulden kommen läßt. Den Aufruf hat Ursula Neumann unterschrieben, „weil es mich ärgert, wenn pseudowissenschaftliche Thesen zur Grundlage von Entscheidungen werden“, wie beispielsweise dem Gesprächsleitfaden in Baden-Württemberg, bei dessen Konzeption Kelek konsultiert, ihre Vorschläge aber nicht angenommen wurden; oder die Heraufsetzung des Nachzugsalters für Frauen.
Die Mitautorin des Aufrufs, Yasemin Karakasoglu, hält in Bremen den ersten Lehrstuhl für „Interkulturelle Bildung“. Etwa zur gleichen Zeit, als Keleks „Die fremde Braut“ erschien, trat Karakasoglu, gemeinsam mit der Unterzeichnerin Ursula Boos-Nünning, mit einer Studie („Viele Welten leben“) auf den Plan, die der Integration junger Mädchen mit Migrationshintergrund beste Noten ausstellte. Zwangsehen? Kein Problem. Alle fühlten sich wohl in Deutschland, hatten beste Schulabschlüsse, kannten keinen Druck von zu Hause, die Aufwärtsmobilität sei von allen gewünscht und legitimiere sogar den Umzug in eine fremde Stadt.
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