Augenblicke des Lebens: Frau im Steh-Café

von heute Mittag..
Vorwort, sozusagen:160505

….Nun –
(Es gehörte keine Hellsichtigkeit dazu, das zu schreiben, was FEMINISSIMA gestern schrieb – und die niedrigsten Werte der SPD seit der vorgezogenen…letzten Bundestagswahl haben auch nichts damit zu tun: Nein, wir Deutschen haben einfach zu denken angefangen, und festgestellt, dass wir die DIKTATUR der SPD einfach nicht mehr wollen, auch nicht in neuer Ummantelung…!
Opa soll dann mit 67 noch auf dem Dach herumkraxeln, nee, oder…?
Übrigens, gestern kurz bei der Trauerfeier für Herrn Rau ..hatte die Kamera den Ex-Bundeskanzler Schröder eingefangen, kurz, wie gesagt, dennoch: du erkennst ihn kaum wieder. Als ob er es nicht wäre. Oder als ob er schwer krank wäre..was ja sein kann, denn mit der Belastung möchtest du nicht leben…dass dich keine mehr anschaut..)…..

JETZT ABER GLEICH WIRKLICH DER „EIGENTLICHE“ TEXT –

dies hier noch von vorhin:

…es ist gleich 12 Uhr mittags!
Zwar sollte dies der Titel des Romans sein & werden,
aber wer weiß denn schon, ob der Roman jemals geschrieben und so…oder beendet…
dann wäre es doch schade um diesen schönen Titel, vielleicht auch für einen FILM,
ganz sicher aber für eine der neuen Rubriken, die immer näher kommen, wirklich!

Wenn der Webmaster wieder einmal richtig Zeit hat!

Gleich jedenfalls eine erste Geschichte aus „Moments of life“…

hold on!
Die Texte müsen erst wieder einmal richtig gerückt werden..!

8.2.2006 /160738./ gestern: 667 /heute: 933

18 Uhr 07 :Marenga fand den Text über die neuen Headlines „Deutsche haben Angst vor dem Islam“ und die französische Karikatur-Zeitung „Charlie-Hebdo“ nicht wirklich gelungen…irgendwie nicht wirklich…na gut, schwupp – wieder gelöscht.

Es ging auch um die vom Iran in Auftrag…sollen oder sind schon…? Karikaturen zum Holocaust….die DIFFERENZIERTHEIT…kam sie nicht richtig rüber…? Das sind natürlich auch alles Moments of life…Nicht unheikel..
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Einleitung zu diesem live-Text, der jetzt folgt, von heute am frühen Nachmittag – eine Stufe tiefer..Vorsicht, Stufe!

Es war gestern.
So gegen 11 Uhr.
Vormittag.
Draußen dröger Regen.
Nach all dem Kurzleb-Schnee der Nacht zuvor.
Und diese Tücken zwischen Tau und Noch-Eis…
Alle rutschen mehr, denn sie gehen, laufen…raffen Mantel, Schirme, Taschen, schauen unter sich, um nicht in die nächste Grau-Eis-fast-noch-aber-doch-schon-Regen-Tauwasser-Pfütze zu patschen,
ja, und dann betrittst du eines dieser Steh-Cafés.
Die aber keine echten Steh-Cafés mehr sind.
Seitdem die ungeheure Lockerung der Berliner Bürokratie Sensationelles ermöglicht hat:

Die Bereitstellung eines normalen viereckigen Tisches, mit 4 Stühlen,
in Ergänzung, bzw. als Bereicherung der hohen Steh-Bistro-Tische und dieser schmalen Steh-Hocker, von denen du mehr abrutschst, so dass du eh gleich am hohen Bistro-Tisch stehen bleibst – oder wird das jetzt „stehenbleibst“, geschrieben? Kein Mensch blickt ja mehr durch. Egal:
„herumstehst“..

Natürlich gehört nicht viel Scharfsinn dazu, sich vorzustellen, dass dieser normalniedrige 4er-Tisch mit seinen vier Stühlen, sie deuten einen Anflug von Komfort an, leichte Sessel-Sitz-Ausführung!
immer besetzt ist.
Von einer einzigen Person.
Denn – Deutsche getrauen sich nicht,
zu einer anderen Person,
die ihnen dazu noch fremd!
an den Tisch zu setzen…hold on!
Hier beginnt die Geschichte…

Und du fragst sofort, als wacher Zeitgenosse oder Zeitgenössin, warum nur eine Person,
die den Gesamt-Tisch und die vier Stühle,
die beinah Sitz-Sesselchen sich nennen dürfen, blockiert…??
Auch das ist leicht und einfach zu beantworten:

In Berlin scheint es mehr Einzel-Wesen zu geben, als sonstwo auf der Welt.

An diesem Tisch saß also, gestern gegen elf Uhr am Vormittag,
ein älteres Mütterchen.

Moment – ! Wieso „Mütterchen?“
Wer sagt denn, dass die hochbetagte Frau jemals Mutter war?

Jedenfalls saß sie dort.
In der Ecke.
An der Fensterfront.
Auf einem Stuhl-Sesselchen ihr Mantel,
sorgfältig über die Lehne gehängt,
auf einem anderen saß eine große weiße, leicht abgewetzt wirkende Plastiktüte,
sie sah bäuchig aus,
und der vierte Stuhl war – unbesetzt.

Die alte Frau, klein, dünn, zerbrechlich, auf ihrem hageren Haupt ein Hut,
wie ihn früher die älteren Damen zu tragen pflegten und das auch noch heute tun,
in Berlin jedenfalls, öfter –
doch dieser Hut strahlte keine Eleganz aus,
nicht einmal eine verblichene.

Er war braun, klein, verbeult aber dennoch ordentlich.

Um den Hals ein dünner Undefinierbare-Farbe-Schal, eher dünnes Kunststoff-Material,
einer dieser Schals, oder Tücher, die dir auf der Stelle das Gefühl vermitteln,
der Trägerin des Schals sei es immer ein wenig zu kalt, und sie hat auch sicher immer kalte Hände.

Der Hut, um auf diesen zurückzukommen,
er wirkte dennoch angezogen,
strahlt so etwas aus,
von beherrschter Bürgerlichkeit..
Wenn eine Frau mit Hut, ein kleiner brauner Filzhut, aber kein Bergwander-Hut, durchaus ein Stadt-Hut, wahrscheinlich sind fast alle Hüte aus Filz, wenn es keine Strohhüte sind…
an einem Tisch sitzt, den Mantel ausgezogen,
an dem einzigen Sitz-Tisch in einem Steh-Café,
Halbvormittags gegen elf Uhr,
an einem jener hoffnungslos grau-verschlammten Februartage,
und von einem Teller Griesbrei mit Dessert,
meist sind es eingelegte Sauerkirschen,
mit zierlicher oder auch schon sehr ausgemergelter Hand zum Munde führt,
dann strahlt das jene Einsamkeit aus,
die dich auf der Stelle alles andere vergessen lässt.

Du balancierst deinen Kaffee zum Stehtisch und stellst fest,
dass du die alte Frau im Blick hast,
so, wie du dich an den Bistro-Tisch gelehnt hast.

Es wirkt kindhaft und seltsam anrührig,
wie die alte kleine, zierliche Frau, viele Frauen werden im Alter sehr klein, das soll das Schrumpfen der Knochen sein, ja, gelesen, –
schnell, als sei sie wirklich hungrig, den Griesbrei und das rote Zeug, das sicher Kirschen mit Steinen und gelegentlich einem mitgekochten kleinen weißen Wurm drin, kennen wir doch alle aus den früher von Oma, wenn es eingemachte Kirschen zum Nachtisch gab…

es strahlt auch so etwas Beflissenes aus.
Automatisch denkst du,
vielleicht lebt die Frau in einem Altersheim,
wo man sie ermahnt, so wie man das früher mit den Kindern machte –

„aufzuessen“.

Du nippst an deinem Kaffee, er ist noch heiß, und schaumig, betrachtest die ungeöffnete Post, die du gerade aus dem Briefkasten, und die du eigentlich nicht im Stehen…wäre so ungemütlich..

Beim nächsten Blick zum Tisch hin, ist die alte Frau fertig mit Essen.

Sie blickt aus dem Fenster hinaus.

Zwei Sekunden Zögern,
dann bist du bei ihr, und fragst, –
„Ist denn noch ein Platz frei?
Würde es Sie stören, wenn ich …?“

„Oh, nein!“

„Ganz und gar nicht….!“
Ihre Freude ist unverhohlen.

Ah, die leeren Tassen auf dem Tisch stammten noch von den Gästen von zuvor.
Es hatte sich wohl niemand die Mühe gemacht,
den Tisch abzuräumen,
als die alte Frau sich ihren Griesbrei mit Kirschen gekauft hatte, an der Theke…oder wie…?
Dabei gibt es doch nur diesen einzigen Sitz-Tisch…

Egal.
Du trägst rasch die leeren Kaffeetassen zum Tresen,
und setzt dich wieder zu der alten Frau an den Sitz-Tisch.

Sie wickelt gerade ihre Gabel und den Löffel in eine gelbe Serviette.

„Wieso packen Sie denn das Besteck ein?“
kannst du ja nicht umhin, spontan zu fragen.

„Es ist mein eigenes Besteck, .. ich bin so allergisch,
wenn ich fremdes Besteck…dann bekomme ich .. Ausschlag am Mund…“

Und sie hüstelt.
Du merkst, sie hüstelt eigentlich andauernd ein wenig.

Ach so !
Ja.
Allergisch!
Dir fallen die gräßlichen Herpes-Attacken von früher ein,
nach einer Party,
seither achtest Du immer auf dein Glas
und trinkst ja auch nicht aus herumgereichten Flaschen,
okay, dieses letzte Sylvester, war ne Ausnahme,
draußen,
kurz nach Mitternacht,
als alle knallten,
die Raketen in den Himmel jagten, wir zuschauten…

und „Oh!“ und „Ah!“ riefen..

Es war bitterkalt, knirschender, glänzendgefrorener Schnee…
Nachbarn, die sich nicht kannten,
jeder auf Besuch, irgendwie,
reichlich junge Leute, nicht von Berlin,
oder erst kürzlich,
und dann nach
Prenzlauer Berg gezogen und so –

ja, an der Uni..!
Ja, promoviere, aber nicht in Berlin!

Oder : „Angefangen zu studieren“.

Oder auch:
„Sozialwissenschaftlerin, leider gerade arbeitslos…!“

Ja, da konntest-du einfach nicht „Nein“ sagen, als Dir die Sektflasche, die herumging, gereicht wurde, und sagen:

„Ich hab Angst vor Herpes!“

Wie hätte das ausgesehen?
Sich angehört!

Nicht nachts kurz nach Mitternacht, wenn das „Prosit-Neujahr“ noch in und aus jeder Kehle …!

(Die Herpes waren übrigens nicht aufgetaucht, nicht einmal nach all den fremden Neujahrs-Küssen…waren wohl echt, wie Mama zu sagen pflegte…
Sie vertrat die Ansicht, nur falsche Küsse verursachten Herpes…na gut, die Neujahrsküsse waren ja bloß auf die Wange…so gesehen..)

Jetzt nickst du gerade verständnisvoll,
und sagst:

„Na klar!“