Filmstar kauft 80-Zimmer-Villa in Potsdam

Portrait-Reihe – was ist aus jüdischem Besitz geworden… hier die Quelle dieses Artikels, fast brandneu…vom 1.11. 2005 – Berliner-Zeitung. Es geht um eine ehemals jüdische Villa – : bitte sehr…
Filmstar kauft 80-Zimmer-Villa

Früher wohnte Nadja Uhl selbst in einem besetzten Haus / Potsdam bei Prominenten immer beliebter

Martin Klesmann

POTSDAM. In dem Film „Was tun, wenn’s brennt“ spielt Nadja Uhl eine militante Hausbesetzerin, die gemeinsam mit anderen Linksradikalen eine Bombe in einer Grunewald-Villa deponiert. Im richtigen Leben hat Nadja Uhl, 33, nun selbst eine Villa gekauft, und zwar eine richtig große: Die Villa Gutmann thront auf einer Anhöhe oberhalb des Potsdamer Jungfernsees und bietet 2 638 Quadratmeter Wohnfläche. Allein die Terrassen im Obergeschoss sind mit 166 Quadratmetern weit größer als die meisten Wohnungen in Berlin. Hier wohnte seinerzeit der jüdische Bankier Herbert Gutmann, Sohn des Gründers der Dresdner Bank. 1936 musste Gutmann, der sogar eine Mini-Eisenbahn zum Kohletransport im Garten hatte installieren lassen, vor den Nazis flüchten. Der inzwischen heruntergekommene Prachtbau im Landhausstil hat zusammen mit den Nebengebäuden fast 80 Zimmer. Was aber will eine Schauspielerin, die in Berlin-Kreuzberg selbst einmal in einem besetzten Haus gewohnt hat, mit 80 Zimmern?

„Frau Uhl dreht derzeit gerade einen Film. Wir müssen sie vor der Öffentlichkeit abschirmen“, sagt ihr Presseagent Lutz Schmökel. Tatsache ist, dass die gebürtige Stralsunderin seit langer Zeit leer stehende Villa nicht allein gekauft hat. „Es handelt sich um eine Gruppe von Erwerbern“, sagt der Unternehmer Olaf Elias, der ebenfalls im Kaufvertrag steht. „Wir stimmen unser Vorgehen gemeinsam ab.“ Elias betreibt seit Jahren in einer ehemaligen Schweinemastanlage bei Oberkrämer nördlich von Berlin die Firma „Historische Baustoffe“. Er handelt mit historischen Türbeschlägen, gusseisernen Treppengeländern oder Statuen, die er meist aus Abrisshäusern erworben hat. Offenbar wurde auch überlegt, aus der Villa Gutmann ein Arthotel zu machen. Aber das müssten die Denkmalschützer erst genehmigen. In der Villa gibt es sogar eine alte Turnhalle im Art-déco-Stil. Auch Uhls Freund Kay-Patrick Bockhold soll mit einziehen. Er kümmert sich mit seinem Potsdamer Verein Maulwurf um straffällig gewordene Jugendliche. Die Bild-Zeitung hingegen schreibt, dass Nadja Uhl aus einem Teil der Villa ein Generationenhaus machen will, ihre Eltern sollen dort einziehen. Man wird sehen.

Zunächst muss das denkmalgeschützte Anwesen saniert werden, das dürfte einige Millionen kosten. Denn die Villa hat einiges hinter sich: Zu DDR-Zeiten wurden die Häuser als Altenheim genutzt, 1992 erhielten die Gutmann-Erben in England und den USA die Immobilie zurück. Doch dann zogen Hausbesetzer aus Potsdams linker Szene in das Gebäude ein. Erst 1999 wurde das Anwesen geräumt. „Neun Jahre lang habe ich neue Besitzer für die Villa gesucht“, sagt der Potsdamer Claus-Thilo Kolster von Dahler & Company. Nun sei er froh. Zwischenzeitlich wollte eine US-amerikanische Musikstiftung die Villa kaufen. Die Immobilie wurde zuletzt für 1,6 Millionen Euro angeboten. Doch die Stadt verkaufte ohne Rücksprache plötzlich das benachbarte Grundstück, auf dem die Stiftung zusätzlich noch eine Art Musikerhotel bauen wollte. Da gingen die Amerikaner nach Dresden. Nun haben die Gutmann-Erben offenbar einen deutlich niedrigeren Verkaufspreis akzeptiert, damit der Prachtbau nicht weiter verfällt.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist glücklich, dass einmal mehr ein Prominenter auf Potsdam setzt. Dies gebe der Villa wieder eine Perspektive. Jakobs hat in seiner Stadt seit der Wende einen gewaltigen Bevölkerungsaustausch erlebt. Fast 100 000 Neu-Potsdamer sind seit der Wende in die Stadt gekommen, die meisten aus dem Westen. „Sie haben viel für die Denkmalpflege getan und unser Gemeinwesen belebt“, sagt Jakobs. Nobelmakler Kolster verweist seit Jahren darauf, dass viele Prominente „sich in Potsdam in eine Sozialstruktur einkaufen, die sie in Berlin nicht finden“. Diskreter, bürgerlicher sei es hier. Oberbürgermeister Jakobs ist nun auch eine andere Belastung los: Weil die Gutmann-Erben klamm waren, kam die Stadt bisher für die Sicherung der Villa auf, bezahlte dafür in den vergangenen Jahren insgesamt 300 000 Euro.

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