Eine hochspannende Künstler-Persönlichkeit – die sich gegen den Willen ihrer Eltern durchsetzte, daher auch als Künstlernamen den ihrer französischen Großmutter annahm..
Aktuelle Bezüge/Quellen – in geraffter Fassung:
Wikipedia und Edgar Rai
1880-1971
Tilla Durieux
Schauspielerin
1880
18. August: Tilla Durieux wird als Ottilie Godeffroy in Wien geboren.
Da ihre Eltern, der Chemieprofessor Richard Godeffroy und seine Frau, eine ungarische Pianistin, die Berufswahl ihrer Tochter ablehnen, nimmt sie später ihren Künstlernamen nach ihrer französischen Großmutter an.
1901
Nach dem Besuch einer Theater-Vorbereitungsschule in Wien hat sie ihr Rollendebut in Olmütz.
1902/03
Engagements in Stuttgart und Breslau.
1903-1911
Durieux spielt an den Bühnen Max Reinhardts in Berlin, u.a. in Stücken von Frank Wedekind.
1904
Heirat mit dem Maler Eugen Spiro (1874-1972), von dem sie sich schon im gleichen Jahr wieder trennt.
1910
Heirat mit dem Kunsthändler Paul Cassirer.
1911-1914
Rollengastspiele in verschiedenen deutschen Städten sowie in St. Petersburg, Wien, Prag und Zürich.
1913
Am Münchner Künstlertheater spielt sie Wedekinds „Lulu“.
1914
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wird Durieux Krankenschwester in Buch (ab 1920 eingemeindet zu Berlin).
1916/17
Ensemble-Mitglied am Berliner Königlichen Schauspielhaus.
1920
Endgültige Rückkehr nach Berlin. Sie wird zur gefragtesten Schauspielerin der Weimarer Republik.
1925
Rollengastspiele in Wien, Berlin, Den Haag und Düsseldorf.
1926
Nach Jahren tiefer Ehekrise verübt Cassirer direkt vor Abschluß des Scheidungsvertrags einen Selbstmordversuch, an dem er kurz darauf stirbt.
1927
Zusammen mit Erwin Piscator arbeitet Durieux am „Theater am Nollendorfplatz“ in Berlin.
1928
Sie veröffentlicht ihren Roman „Eine Tür fällt ins Schloß“.
1930
Heirat mit dem Generaldirektor von Schultheiß-Patzenhofer Ludwig Katzenellenbogen.
1933
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten siedelt Durieux nach Ascona (Schweiz) über.
Gastspiele in ganz Europa, besonders in Skandinavien.
1934
Sie geht nach Zagreb (Jugoslawien) ins Exil.
1936/37
Dozentin am Mozarteum Salzburg.
1936-1938
Durieux gründet und leitet ein Hotel in Abbazia (Jugoslawien).
Gastspiele in Wien, Prag und Paris.
1941
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wird ihr jüdischer Ehemann in Jugoslawien verhaftet. Er stirbt zwei Jahre später in der Haft in Berlin. Daraufhin unterstützt sie Widerstandsgruppen und beginnt, ihre Lebenserinnerungen niederzuschreiben.
1945-1951
Näherin und Regieassistentin in einem staatlichen Puppentheater in Zagreb.
1946
Uraufführung ihres Dramas „Zagreb 1945“ in Luzern.
1952
Nach einem Gastspiel in Berlin geht sie zurück nach Jugoslawien.
1954
Ihre Memoiren erscheinen unter dem Titel „Eine Tür steht offen“.
1955-1958
Rollengastspiele in der ganzen Bundesrepublik. Außerdem wirkt sie in Hörspielen, Filmen sowie Fernsehspielen mit.
1957
Neben Johannes Heesters (*1903) spielt sie in dem Film „Von allen geliebt“.
1958
In dem Fernsehspiel „Antigone“ nach Jean Anouilh gibt sie die Amme.
1959
Ernennung zum Ehrenmitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.
Tournee durch die Bundesrepublik mit dem Stück „Langusten“.
Weitere Filme, Fernsehspiele und Hörspiele.
1960
April: Sie erhält das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
August: Zu ihrem 80. Geburtstag wird das Fernsehspiel „Langusten“ in der Bundesrepublik ausgestrahlt.
1961
Tournee durch die Bundesrepublik.
Mitglied in der Akademie der Künste.
1963
Verleihung des Filmbands in Gold für „Verdienste in und um den deutschen Film“.
Ernennung zur Berliner Staatsschauspielerin.
1964/65
Trotz ihres hohen Alters tritt sie in Berlin, Münster und Hamburg auf.
Film „Verdammt zur Sünde“, für den sie den Bundesfilmpreis bekommt.
Zu ihrem 85. Geburtstag erhält sie Ehrenmitgliedschaften in verschiedenen Berliner Ensembles.
1966-1968
Rollengastspiele in der Bundesrepublik, der DDR und der Schweiz.
1969/70
Letztes Engagement am Wiesbadener Staatstheater.
1970
Zahlreiche Ehrungen zum 90. Geburtstag.
1971
21. Februar: Nach einem Oberschenkelhalsbruch stirbt Tilla Durieux in Berlin.
(lh)
Beschreibung aus der RAI-Biographie:
Tilla Durieux (1880–1971) war weit mehr als eine große Schauspielerin des letzten Jahrhunderts. Sie war eine herausragende Zeitzeugin, die nicht nur alle wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa miterlebt, sondern auch oft genug beeinflusst hat. Nach Engagements in der Provinz erklomm sie 1903 bei Max Reinhardt in Berlin einen ersten Gipfel ihrer Theaterkarriere. Mit ihrer unpathetischen, realistischen Darstellungskunst und ihrem Ausdrucksvermögen verblüffte sie das Publikum und die Kritiker jener Zeit. Ihr modernes, körperbewusstes Spiel veränderte das Bild der Schauspielerin insgesamt.
Berühmt wurde Durieux auch durch ihre Ehe mit dem einflussreichen Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer.
Ihr Haus im Tiergartenviertel in Berlin war Treffpunkt aller prominenten Kunstschaffenden der damaligen Zeit.
Ihre ungewöhnliche Schönheit wurde unter anderem in Bildern von Lovis Corinth, Oskar Kokoschka, Max Slevogt und Auguste Renoir festgehalten.
Mit ihrem dritten Ehemann, dem jüdischen Großindustriellen Ludwig Katzenellenbogen, floh sie 1933 erst in die Schweiz und dann weiter nach Kroatien.
Nach seiner Verhaftung und Deportation 1941 tauchte Tilla Durieux unter und schloss sich der kroatischen Widerstandsbewegung an.
Als Näherin an einem Puppentheater hielt sie sich nach dem Krieg über Wasser.
Mit 73 Jahren drehte sie in Jugoslawien ihren ersten Tonfilm,
»Die letzte Brücke« – für viele 1953 das erste Lebenszeichen nach 20 Jahren.
Tilla Durieux kehrte wieder nach Berlin zurück.
Hier gelang ihr ein viel gefeiertes Comeback und sie stand erneut bis ins hohe Alter auf der Bühne und wirkte in über 30 Filmen mit.
Für ihre Verdienste in und um den deutschen Film wurde ihr 1963 das Filmband in Gold verliehen und sie wurde zur Berliner Staatsschauspielerin ernannt.
Für »Verdammt zur Sünde« bekam sie den Bundesfilmpreis, außerdem wurde ihr das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.
über den Autor: Edgar Rai|
Edgar Rai wurde 1967 in der hessischen Provinz geboren. Nach einem Musik– und Angelistikstudium ist er seit 2000 als freier Autor tätig. Er ist Autor von »Ramazzotti« (2001), »Wahlverwandtschaften« (2002), »Looping« (2002), »Homer für Eilige« (2002), »Am Ende der Welt« (2003), »Tor zum Himmel« (2003) und »Die fetten Jahre sind vorbei« (2004), alle im Aufbau Verlag.