2, 85 Millionen Menschen beziehen zwangsweise seit dem 1. 1. 2005 „ALG II“ – . Im System wimmelt es von Fehlern – meist zum Nachteil…der Betroffenen. Hier ein Bericht von MONSTER.de : KEIN DURCHBLICK IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL. Im Grunde zusammengefasst ein paar Facetten…aus einer Grauenhaft-Welt, FEMINISSIMA hatte ja oft und auch schon „vorher“ darüber geschrieben…auf der live-Site, in den Rubriken. Die vielgelesene Kurzgeschichte „JOB CENTER“ oder “ Die GEKREUZIGTEN“ – wieder herausgenommen, als Grundlage für ein Sachbuch…Den Bericht von job-pilot/monster.de stellen FEMINISSIMA in die PINNWAND – damit Ihr die Infos und Kontaktpersonen leicht findet! Eins zeichnet sich leider ab: Feminissima hatte (leider) nicht übertrieben…
Arbeitslosengeld II: Kein Durchblick im Paragrafendschungel
Drei Viertel der Arbeitslosengeld-II-Bescheide beinhalten Fehler. Doch nur wenige der Arbeitslosen nutzen ihre Widerspruchs- und Klagemöglichkeiten – aus Angst vor Konsequenzen.
„Viele verstehen die Bescheide erst gar nicht“, sagt Angelika Klahr, Referentin in der Berliner Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS). „Selbst Fachleute wie ich können zum Teil die Berechnungen nicht nachvollziehen.“
2,85 Millionen Menschen beziehen Arbeitslosengeld II
Seit Jahresbeginn erhalten Arbeitslose zwischen 15 und 65 Jahren nach einem Jahr Erwerbslosigkeit statt Arbeitslosenhilfe Arbeitslosengeld II (Alg II): Das betraf laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BfA) im Juli immerhin 2,85 Millionen Menschen. Das Arbeitslosengeld II orientiert sich nicht wie die frühere Arbeitslosenhilfe am letzten Einkommen der Betroffenen. Stattdessen werden bundesweit im Osten 331 Euro und im Westen 345 Euro plus Zusatzleistungen für Wohnung, bei Schwangerschaft und für Kinder gezahlt.
Auf den ersten Blick eigentlich keine all zu schwierige Berechnungsgrundlage. Und dennoch häufen sich die Berechnungsfehler. Der Wuppertaler Verein „Tacheles“ wartet mit erschreckenden Zahlen auf: „90 bis 95 Prozent der Berechnungen, die auf unseren Tischen landen, sind falsch“, sagt Harald Thomé, Referent für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht. Der Unmut in der Bevölkerung ist dementsprechend groß. „Früher kamen täglich zwölf bis 15 Leute zu unseren offenen Beratungstagen, heute sind es manchmal mehr als doppelt so viele.“
Leitfaden auf 350 Seiten
Harald Thomé weiß, wovon er spricht. Gemeinsam mit Rainer Roth, Professor für Sozialwissenschaften an der FH Frankfurt, und der studentischen Arbeitsgemeinschaft „TuWas“ erarbeitete er den Leitfaden „Alg II/Sozialhilfe von A bis Z“. Das Ergebnis: Eine 350-Seiten-starke Orientierungshilfe zwischen zwei knallgelben Buchdeckeln. „Wir ertrinken in Bestellungen. Nicht nur Arbeitslose, auch Beratungsstellen ordern den Leitfaden“, berichtet der Sozialwissenschaftler Rainer Roth.
Beispiele für fehlerhafte Berechnungen gibt es en masse. Oft wird etwa die Miete nicht in der tatsächlichen Höhe berücksichtigt, was zu einer niedrigeren Auszahlung und damit zu weniger verfügbarem Geld im Portmonee führt. Das Nachsehen hat auch, wer in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Denn beim Arbeitslosengeld II werden nicht nur die Einkünfte der Ehe-, sondern auch der Lebenspartner stärker angerechnet als bisher.
Lebenspartner müssen füreinander aufkommen
Eine Regelung, die schnell den falschen Kandidaten treffen kann, meinen Experten. Denn laut der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes muss die Beziehung eines Paares auf Dauer ausgerichtet sein, um als eheähnlich zu gelten. Der Gesetzestext beschreibt das als „ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens“.
Das sei heute aber nicht mehr bei jeder Partnerschaft grundsätzlich der Fall, meint Harald Thomé und meldet Bedenken an. „Das reine Zusammenleben ist keinesfalls als eheähnliche Gemeinschaft anzusehen und kann kaum durch einen einfachen Hausbesuch festgestellt werden.“ KOS-Mitglied Angelika sieht das ähnlich und warnt vor voreiligem Behörden-Aktionismus. „Wer keine Bezüge erhält, weil der Partner zuviel verdient, fällt aus der Krankenversicherung raus“, sagt sie. „Wer in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, kann sich aber nicht familienversichern. Dann muss der Partner nicht nur für den anderen, sondern auch für dessen Krankenversicherung aufkommen.“
Deutlich niedrigere Bezüge als früher
Der Hauptgrund der anhaltenden Empörung unter den Arbeitslosengeld-II-Beziehern ist jedoch ein anderer: Insgesamt fallen die Bezüge wesentlich niedriger aus als früher. „Wäre der Regelsatz unter denselben Kriterien wie im vergangenen Jahr berechnet worden, hätte er um 40 Euro höher liegen müssen“, sagt der Frankfurter Sozialwissenschaftler Rainer Roth. Denn was früher in der Sozialhilfe extra gezahlt wurde – einmalige Beihilfen für Hausrat, Möbel, Reparaturen, Kleidung und Gebrauchsgüter etwa – ist nun im Regelsatz enthalten. Für die Bezieher kommt das einer Katastrophe gleich. Denn schon vor der Umstellung auf Arbeitslosengeld II kam gerade einmal ein Viertel der Sozialhilfeempfänger mit den damaligen Pauschalen aus.
Wer meint, einen falschen Bescheid in den Händen zu halten, kann innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Wird dieser abgelehnt, bleibt als weiteres Mittel die Klage beim Sozialgericht. Verfahren beim Sozialgericht sind gebührenfrei. Statt einem Anwalt ist es möglich, eine Vertrauensperson als Beistand mitzunehmen. Doch Vorsicht ist geboten. Denn nur die Wenigsten dürften sich ohne juristische Unterstützung im komplizierten Dschungel der Paragrafen zurechtfinden.
Klage ohne Anwalt nicht empfehlenswert
Das müssen sie auch nicht. Wer beim Widerspruchsverfahren einen Anwalt konsultieren will, die Kosten aber nicht selbst tragen kann, kann sich einen „Berechtigungsschein“ beim Amtsgericht holen und die Verfahrens- und Rechtsanwaltskosten werden über die Staatskasse abgerechnet. Einziger Kostenpunkt: Zehn Euro Auslagen-Gebühr.
Auch die Prozesskosten müssen nicht am Kläger hängen bleiben. Wer vor Gericht zieht, stellt bei der Klageeinreichung einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. Da das Gericht zunächst die Erfolgsaussichten prüft, sollte der Klageschrift eine gut strukturierte Begründung beigelegt werden. Liegt Eilbedürftigkeit vor – etwa, wenn die Einkünfte des Arbeitslosengeld-II-Beziehers das Existenzminimum unterschreiten – können Betroffene bei den Sozialgerichten auch eine einstweilige Verfügung beantragen. Anders als bei einer Klage ist dieses Verfahren in der Regel in ein paar Wochen abgeschlossen.
Aus Angst vor Sanktionen schreckt die Mehrzahl der Betroffenen davor aber zurück. Die Münchner Arbeitsrechtlerin Bettina Ogidan kennt diese Sorge nur zu gut: „Die Panik vor Repressalien wie einer kompletten Einstellung der Leistung, ist recht groß.“ Zu den am meisten gefürchteten Druckmitteln gehöre aber auch die schlichte Untätigkeit der Behörde. Auch das kommt vor. Bettina Ogidan vertritt beispielsweise eine Klägerin, bei der die Bundesagentur für Arbeit im Widerspruchs-Verfahren erst monatelang nicht reagierte. „Manchmal glaube ich, man wartet bei den Behörden einfach ab – vielleicht erledigt sich die Sache ja von selbst.“