PRAKTIKUMS-FALLE – kein Geld, leere Versprechungen

Immer wieder ironisiert FEMINISSIMA mit ihrer virtuellen Praktikantin „Crissy“ – die dauerhaft-unterbezahlt-weil-unbezahlte Praktikantin“…um auf die Defizite des Systems hinzuweisen – die neue Form auch des SKLAVENDASEINS. Nun hat die WELT (Text vom 12. Juni 2005) sich des Themas angenommen. Unterm Strich – je länger jemand sich nach dem Examen als Praktikant durchgeschlagen hat, desto GERINGER werden bei Personalern die Chancen, so jemanden fest-anzustellen. Dabei „locken“ die Firmen, vor allem die PRIVATEN TV- und Rundfunksender nutzen den ungebrochenen RUN junger Leute auf dieses Medium SCHAMLOS aus – mit dem Hinhalte-Versprechen, „sie“ erhielten einen Vertrag..
Gefangen in der Praktikumsfalle

Nach dem Examen arbeiten Akademiker oft jahrelang für weniger als 500 Euro im Monat – in der Hoffnung auf eine Festanstellung

von Andreas Wagner

Das Zeugnis schien vielversprechend, der frisch examinierte Betriebswirt war bereit für die Karriere. Doch in der Arbeitswelt ging nicht alles problemlos voran wie noch auf der Universität. Vor allem die Stellenangebote richteten sich offenbar immer an die anderen. Also versuchte es der junge Akademiker mit Praktika zur Überbrückung der Zeit bis zu einer festen Stelle. Sechs Monate bei einer Unternehmensberatung, sechs Monate bei einem privaten Radiosender, dann noch eine Weile bei einem Finanzdienstleister. Mittlerweile arbeitet er schon fast zwei Jahre wie eine Vollkraft, führt qualifizierte Arbeiten in Eigenregie durch – und verdient keine 500 Euro im Monat.

Das Beispiel ist fiktiv, dieser Typ Akademiker dagegen ist derzeit in Deutschland häufig anzutreffen. Denn in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsflaute gibt es immer mehr gutausgebildete Menschen, die in eine Praktikumsfalle geraten, aus der sie schwer herauskommen. In der Hoffnung auf einen festen Arbeitsvertrag lassen sie sich immer weiter vertrösten und ausbeuten.

Manche Unternehmen kalkulieren sogar mit diesen qualifizierten Langzeitpraktikanten. So gibt der Sprecher eines weltweit agierenden Konzerns zu, daß in seiner Firma Vollzeitstellen abgebaut und durch Praktikanten ersetzt wurden. Genannt werden möchte er freilich nicht, denn diese Praxis will niemand gern öffentlich eingestehen. Sie könnte das Image der Firma beschädigen.

„Besonders bei Unternehmensberatungen, Finanzdienstleistern und Medien kommt so etwas gehäuft vor“, sagt Harro Honolka, Leiter des Instituts Student und Arbeitsamt an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Welche Branchen auf derartige Ressourcen zurückgreifen können, entscheiden Angebot und Nachfrage. Und weil viele Menschen ihr Glück in überlaufenen Ausbildungsgängen wie Architektur und Jura suchen, können sich die Firmen diesen Umgang mit den Bewerbern auch leisten. „Die Unternehmen nutzen die Unflexibilität der Bewerber aus, in andere Bereiche zu gehen“, sagt Honolka.

Dadurch geraten Praktika immer mehr in Verruf. Zu Unrecht jedoch, denn es gibt nach wie vor kaum einen besseren Einstieg ins Berufsleben als über eine Hospitanz in einem Unternehmen. Etwa ein Drittel aller späteren Jobkontakte entsteht laut Studien nach erfolgreich absolvierten Praktika. „Man muß aber unterscheiden zwischen Praktika während des Studiums und danach“, sagt Honolka warnend.

So empfehlen Experten, während der Studienzeit drei bis vier Praktika zu machen, darunter ein fachfremdes, um flexibel zu bleiben. „Sehr wichtig ist auch ein Auslandspraktikum“, sagt Barbara Texter, Leiterin des Career Centers an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. „Man sollte ruhig nach links und nach rechts schauen, aber immer begründen können, warum man gerade dieses Praktikum gemacht hat“, so Texter.

Für alle Praktika gilt: Sie sollten qualifiziert sein, „denn bei sechs Monaten Pflege von EDV-Dateien kann man dem Chef nicht zeigen, was man kann“, sagt Honolka. „Die Durchführung eines eigenständigen Projekts ist am sinnvollsten.“ Wer allerdings mehr als sieben Praktika in seinen Lebenslauf einbaut, falle bei vielen Personalchefs schon allein deshalb durchs Raster. Die Personaler schließen dann daraus, daß der Bewerber einen Mangel haben könnte – einfach weil er noch nirgendwo untergekommen ist. „Das sieht sehr unkonkret aus“, sagt Expertin Barbara Texter dazu.