online-Presse-Spiegel: „Die Supernannies als reaktionäre Antwort auf –

Ein interessanter und in vielen Teilen sehr zutreffender Artikel, meint FEMINISSIMA – hier also der Artikel aus der ROTEN FAHNE, Wochenzeitung der MLPD – vom 26. 5. 05 .

Nr.21/05 26.5.2005

Die Super-Nannies – reaktionäre Antworten auf die Krise der bürgerlichen Familie

In den letzten Wochen entfaltete sich eine lebhafte Diskussion um die Beurteilung von Erziehungssendungen wie ,,Super-Nanny“. Unbestreitbar, dass diese Sendungen ein reales Bedürfnis nach Rat und Beratung bei den komplizierten Fragen der Kindererziehung aufgreifen. Und verführerisch erscheint auch, dass diese Sendemuster eine durchaus berechtigte Kritik an der Untauglichkeit antiautoritärer Erziehungsmuster bieten. Aber wie antworten sie?

Antiautoritäre Erziehungsmethoden waren im Gefolge der 1968er Studentenbewegung die scheinbar demokratische Antwort auf die als unterdrückerisch und undemokratisch empfundene autoritäre Erziehung in Familie und Schule. Besonders in Deutschland hatte diese tiefe Prägungen des Kadavergehorsams des preußischen Militarismus und gar des Faschismus hinterlassen. Aber sehr rasch wurde der moderne Antiautoritarismus in das System der kleinbürgerlichen Denkweise integriert, mit dem die Herrschenden die Massen zu manipulieren versuchen. Ein Heer von Sozialpädagogen wurde an den Universitäten dafür ausgebildet, diese ,,moderne“ Variante der Anpassung von Kindern und Jugendlichen an die bestehenden Verhältnisse in Kindergärten, Jugendhäusern, Schulen, Bauspielplätzen usw. zu praktizieren. Bei all dem guten Willen vieler Beteiligter: der moderne Antiautoritarismus erwies sich als weltanschaulich ebenso reaktionär wie der bürgerliche Autoritarismus. Mit der Ablehnung jeglicher Autorität – unabhängig von ihrem Klassengehalt – bringt er Individualismus, Selbstsucht und Disziplinlosigkeit hervor, traut Kindern und Jugendlichen nichts zu, hält sie von der industriellen Produktion fern, schottet sie vom gesellschaftlichen Leben und Kampf ab und hinterlässt vielfach regelrecht lebensuntüchtige Jugendliche.

Mit der Krise der bürgerlichen Familienordnung ist auch eine regelrechte Erziehungskrise aufgebrochen. Selbst ohne klare Perspektive, unter immer schwierigeren finanziellen oder gesundheitlichen Verhältnissen lebend, wissen tatsächlich viele Eltern nicht recht, wie sie ihre von Fernsehen und Umgebung massiv beeinflussten Kinder erziehen sollen. Der Antiautoritarismus macht hilflos und inkonsequent – und darauf scheinen die Super-Nannies zu antworten. Wenn sie mit ihren einfachen Regeln in Familienstrukturen eingreifen, denen jegliche Alltagsregelung abhanden gekommen ist, dann bewirkt das zweifellos zunächst einmal wahre Wunder.

Sicherlich ist es für Kinder wichtig, sich an Regeln zu orientieren. Und die einzelnen Maßnahmen der Super-Nannies mögen durchaus sinnvoll sein. Auch im Jugendverband REBELL gibt es für die Kinderarbeit die Rotfuchsregeln. Aber Regeln, Ziele und Erziehungswerte haben einen von der Klassengesellschaft geprägten Inhalt. Sie können solidarisches Verhalten, gegenseitigen Respekt, Mut zum Gegen-den-Strom-Schwimmen einüben – oder eben auch Selbstsucht, Anpassung oder Duckmäusertum. Und ein Kind, das samt seiner Familie per RTL in aller Öffentlichkeit bloßgestellt wird, das ohne Erklärung immer wieder auf den ,,stillen Stuhl“ verdonnert wird, wird vielleicht resignieren, solange die Nanny im Haus ist – aber dann?

Eine Auseinandersetzung über den Zweck von Regeln und Konsequenzen wird bei den Super-Nannies tunlichst vermieden. Der Kampf um die Denkweise wird rein administrativ geführt – immer ausgehend von den Schwächen und Unarten der Kinder, ohne zu fragen, wo diese ihre gesellschaftlichen Wurzeln haben. Insofern passen die Super-Nannies in die reaktionäre Wende in der offiziellen Erziehungspolitik. Dieses kapitalistische Gesellschaftssystem hat der Masse der Kinder und Jugendlichen keine Zukunft zu bieten – und Angst vor ihrer Rebellion. Da wird sie sozusagen ,,auf den stillen Stuhl“ verdonnert, wo sie ihr Schicksal hinzunehmen hat.

Charakteristisch ist ebenfalls die strikte Einengung der Erziehungsfrage auf die Kleinfamilie – kein Gedanke an Forderungen nach ausreichender, fachlich qualifizierter und kostenloser Kinderbetreuung trübt die Vorstellungen der Super-Nannies. Kindergarten oder Schule scheint es in den Sendungen kaum zu geben. Und wenn alle Tipps und Rezepte nicht klappen – dann liegt es eben an der Unfähigkeit der Familien und besonders der Mütter. Die gesellschaftliche Verantwortung dafür wird ausgeblendet.

Wir wollen dagegen die Jugend erziehen, als jüngste Kämpfer mit uns gemeinsam für eine sozialistische Gesellschaftsordnung einzutreten. Dafür brauchen sie Disziplin, Ausdauer, die Fähigkeit, sich

in eine Gruppe einzufügen, einen kritischen Geist, Begeisterungsfähigkeit, Neugier, Schwung und Schöpferkraft – sprich all die individuell höchst unterschiedlichen Fähigkeiten, die unsere Kinder entwickeln können – und die für die Masse der Kinder und Jugendlichen in dieser Gesellschaft kaum zur Entfaltung kommen. Eine solche Erziehung dürfen wir deshalb auch nicht den Super-Nannies überlassen.

Anna Bartholomé