„Ohne Bertelsmann geht nichts mehr“

…dieser einmalig-eindeutige AUFKLÄRUNGSartikel steht im Original in TELEPOLIS /Heise und wurde uns gemailt. Er ist unentbehrlich für jede und jeden, die sich über die so seltsam-wundersam-scheinbar-unaufhaltsame ENT-DEMOKRATISIERUNG in diesem Lande wundern. Einerseits und andererseits, warum und wieso dieses Land im „Ranking“ der Standorte …so nieder- und runtergeredet wird: alles Absicht. Und dahinter stehen so mächtige Stiftungen…“Steuerspar-und Machtausdehn-Modelle!! namens Stiftung…)wie die BERTELSMANN-STIFTUNG..Infiltration..? Mehr als das. Nehmt Euch Zeit und lernt den Artikel auswendig. Und Ihr werdet auf alle krummen Fragen eine Antwort wissen. Und mehr denn je werdet ihr „schlagartig“ erkennen, wie dieses Volk, leider auch durch Sendungen wie CHRISTIANSEN, man glaubt ja kaum, dass dies alles vom Gebührenzahler zwangsbezahlt wird, glaubt, Christiansen ist auch bereits eine der ferngesteuerten Gestalten…deliberately in den Abgrund geführt wird.

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von „Ohne Bertelsmann geht nichts mehr“

Florian Rötzer 09.11.2004

Ein Gespräch mit Frank Böckelmann über die stille Macht des

Medienkonzerns und die Privatisierung der Politik

In ihrem Buch über die Bertelsmann AG und die Bertelsmann Stiftung

stellen Hersch Fischler und Frank Böckelmann die Geschichte und

Geschäftspraktiken des mächtigen deutschen Medienkonzerns dar (siehe

dazu: „Apparat der Selbstverklärung“ [1]). Herausgearbeitet aber wird

auch, welchen einzigartigen Einfluss Bertelsmann besonders auf die

deutsche Politik und Gesellschaft hat. Die beiden Autoren schreiben:

„Der Stiftung gelang es, der Agenda 2010 des Reformkanzlers ihren

Stempel aufzudrücken. Bezeichnenderweise ist es nahezu unbekannt, dass

die Stiftung die Hochschul-, Gesundheits-, Wirtschafts-, und

Arbeitsmarktpolitik seit dem Antritt der Regierung Schröder

entscheidend bestimmt hat. An die breite Öffentlichkeit tritt die

Stiftung nämlich meist nur mit publikumswirksamen Aktionen wie

Preisverleihungen, Foren oder Empfängen.“

Florian Rötzer sprach mit Frank Böckelmann über die besondere Rolle von

Bertelsmann, aber auch über die allgemeinen Veränderungen, die die

wachsende Privatisierung der Politik mit sich bringt. Für den

Medienwissenschaftler Böckelmann zeichnet sich ein Strukturwandel der

politischen Parteien ab. Sie können und wollen immer weniger die

wichtigen Fragen entscheiden, sondern klären in Elite-Netzwerken, wie

die Bertelsmann Stiftung sie bietet, zunächst einen Vorab-Konsens ab,

der politische Streit der etablierten Parteien reduziert sich dann nur

noch auf Nuancen. Gefährlich aber könnte diese Form der Konsensbildung

für die Demokratie werden, wenn die nicht in diesen Netzwerken

eingebundenen extremen Parteien und Bewegungen an den radikalen Rändern

die beiseite gelassenen, nicht-konsensfähigen Themen aufgreifen und für

sich nutzen können. Die derzeit neoliberal ausgerichtete

Konsens-Gesellschaft provoziert und produziert hinter ihrem Rücken die

Extreme, die sie womöglich nicht mehr integrieren kann.

Was ist denn das Besondere an Bertelsmann und der Stiftung?

Frank Böckelmann: Der Konzern hat, vor allem dank der Tätigkeit der

Bertelsmann Stiftung, einen guten Leumund in der Öffentlichkeit. Das

geht bis hart an die Grenze der Unangreifbarkeit. Die bloße Aufzählung

der Teilnehmer in den Foren der Stiftung – Staatspräsidenten,

Regierungschefs, Minister und EU-Kommissare – imponiert und verschafft

der Marke Bertelsmann Reputation. Vor wenigen Tagen fand in Berlin eine

Konferenz unter dem Titel „Beyond Cold Peace“ über den Wiederaufbau in

Krisengebieten statt, im Beisein von Außenminister Joschka Fischer und

dem Sonderberater des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Lakdhar

Brahimi. Die Bertelsmann Stiftung hat sie gemeinsam mit dem Auswärtigen

Amt organisiert.

Die Firma Bertelsmann hat sich immer unter das Dach eines höheren

Auftrags gestellt. Im 19. Jahrhundert und bis Ende der zwanziger Jahre

hat sie als theologischer Verlag Gottes Werk verrichtet. Später hat sie

für sich reklamiert, dem deutschen Volk „das Buch“ zu bringen. Bei

Bertelsmann war und ist alles schlicht und kurzschlüssig. Auch Reinhard

und Liz Mohn sind schlichte Gestalten, gesegnet mit ehrlicher Einfalt,

die im persönlichen Kontakt durchaus Sympathie erweckt. Aber viele

andere Verlage und Medienunternehmen haben sich geniert, mit den

Methoden von Bertelsmann vorzugehen. Es wäre ihnen peinlich gewesen zu

behaupten, den Menschen „das Buch“ zu bringen. Bertelsmann wurde

bekannt und groß mit dem Vertrieb von Kriegserlebnisbüchern und

Feldausgaben für die Wehrmacht. In den fünfziger Jahren folgte der

Lesering, natürlich im Dienste der Volksbildung. Und heute wird der

Leistungsbeitrag für die Gesellschaft erbracht. Das bringt neben dem

politischen Flankenschutz auch große Wettbewerbsvorteile. Bei

Bertelsmann durchdringen sich Provinzialität und Globalität

ununterscheidbar.

Patentrezept zur Reform von Politik, Verwaltung und Gesellschaft

Wie ist denn diese Motivation, politisch durch eine solche Stiftung

wirken zu wollen, bei Bertelsmann entstanden? Verdankt sich das

bestimmten Personen oder gehört das bereits zur Geschichte des

Konzerns?

Frank Böckelmann: Die Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn als

steuerbegünstigtes Aushängeschild gegründet. 1993 übertrug Reinhard

Mohn der Stiftung die Majorität des Grundkapitals der Bertelsmann AG.

Das war ein strategischer Geniestrich. Mohn sparte Steuern und

entmachtete zugleich seine Nachkommen. Die hätten nach seinem Tod

vielleicht große Teile des Konzerns verkauft oder an die Börse

gebracht. Man weiß ja nie. Mit der Stiftung hat sich Mohn selbst ein

Denkmal gesetzt. Eine ausgeklügelte Konstruktion. Heute hält die

Stiftung 57 Prozent der Aktien. Aber sie hat kein Stimmrecht. Das wird

von der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft ausgeübt. In diesem

achtköpfigen Gremium ist die Familie Mohn mit vier Personen vertreten:

Reinhard, Liz, Brigitte und Christoph. Und die vier Vertreter von

Aufsichtsrat, Vorstand und Betriebsrat werden sich hüten, gegen die

Familie Mohn aufzubegehren. Die Familie hat sich die Macht gesichert

und zugleich den Ruf der Uneigennützigkeit erworben.

Lässt sich denn eine bestimmte politische und kulturelle Zielrichtung

der Stiftung ausmachen?

Frank Böckelmann: Durchaus. Reinhard Mohn und seine Helfer glauben,

sie hätten mit ihrer „Führungsphilosophie“ das Patentrezept zur Reform

von Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Offiziell heißt es, der

Konzern erbringe mit der Finanzierung der Stiftung einen

„Leistungsbeitrag für die Gesellschaft“. Das ist die Standardaussage.

Die Stiftung führt Projekte in den Bereichen Bildungs- und

Hochschulpolitik, Sozialpolitik, Gesundheits- und Familienpolitik,

Wirtschafts- und Sicherheitspolitik durch und ist mit ihren Experten in

allen maßgeblichen Gremien auf deutscher und europäischer Ebene

präsent. Ohne Bertelsmann oder gar gegen Bertelsmann geht hier nichts

mehr. Man kann dennoch nicht sagen, dass Deutschland von Bertelsmann

regiert wird. Schon deswegen nicht, weil es ja die Politiker sind, die

zu Bertelsmann kommen. Bertelsmann hat es gar nicht nötig, die deutsche

und europäische Politik zu infiltrieren.

Die Ambivalenz der scheinbaren Neutralität

Man muss sich also die Stiftung wie einen großen Think Tank

vorstellen.

Frank Böckelmann: Die Begriffe Think Tank, Denkwerkstatt oder

Reformwerkstatt vermitteln ein falsches Bild. Die Bertelsmann Stiftung

ist keine neutrale Forschungsstätte für kluge Köpfe. Ihre ganze

Bedeutung zeigt sich erst vor dem Hintergrund des Strukturwandels in

unserer Parteien-Demokratie. Die Fürsorglichkeit der politischen Klasse

nimmt ständig zu. Das Wahlvolk soll möglichst von allen historisch

wichtigen Entscheidungen entlastet werden. Wichtige Fragen sind heute

gerade dadurch gekennzeichnet, dass über sie NICHT abgestimmt wird.

Die politische Klasse meidet es immer häufiger, sich zu polarisieren,

und stimmt sich in Elite-Netzwerken erst einmal über das Mögliche und

Durchsetzbare ab, bevor das Ringen um öffentliche Zustimmung beginnt.

Der Bevölkerung soll ja die Logik der globalen Ökonomie beigebracht

werden, aber zu dieser selbstlosen Lernleistung ist sie nur bis zu

einem bestimmten Grad imstande. Die Schritte der Anpassung an die

globale Wettbewerbslogik werden immer unpopulärer, sind kaum noch zu

„vermitteln“. Die Parteien haben enorme Selbstdarstellungsprobleme. Und

in dieser Lage bewähren sich solche Einrichtungen wie die Bertelsmann

Stiftung. In ihrer Entscheidungsnot suchen die Politiker Zuflucht bei

Foren und Experten, die dem politischen Streit scheinbar enthoben sind.

Das wäre dann auf derselben Ebene wie die Versuche der Regierung,

schwierige Themen in Expertenrunden und Kommissionen auszulagern?

Frank Böckelmann: Ja, es ist sehr riskant für eine Partei oder

einzelne Politiker, sich einseitig auf bestimmte Positionen

festzulegen, die dem politischen Gegner die Chance eröffnen, den

Volksanwalt zu spielen. Deshalb wächst der Bedarf nach Vorabsprachen

zwischen allen Entscheidungsträgern. Diese suchen einen Rahmen-Konsens.

Wer da nicht mitmacht, den trifft die „Populismus“-Keule.

Bertelsmann eignet sich hervorragend als ehrbarer Kontakthof für solche

Vorabsprachen. Was die Politiker dabei aber gern übersehen, ist, dass

der Kontakthof seine eigene Reformpolitik betreibt. Die Bertelsmann

Stiftung verfolgt ganz im Sinne von Reinhard Mohn das ehrgeizige Ziel,

Staat und Gesellschaft zu perfektionieren, und zwar nach Grundsätzen

der Effektivitätssteigerung, die sich angeblich in den

Bertelsmann-Stammbetrieben bewährt haben. Mohn hat sich schon in den

achtziger Jahren darüber beklagt, dass Politik und Verwaltung unfähig

zu wirtschaftlichem Denken seien. Er möchte allen Ernstes die

Unterschiede zwischen Wirtschaft und Politik einebnen. Und er spricht

sämtlichen Politikern die Fähigkeit zur energischen Rationalisierung

und Kosteneinsparung ab.

Eine solche Gleichsetzung von Politik und Wirtschaft wäre wohl ja auch

letztlich eine Entdemokratisierung. Wenn man einen Staat wie ein

Unternehmen führen will, dürften demokratische Prozesse eher

nebensächlich oder störend sein.

Frank Böckelmann: Richtig. Aber Mohn ist der Auffassung, daß das

sozialpolitische Monopol des Staates aufgelöst werden muss. Wo die

sozialen Netze sind beziehungsweise gewesen sind, soll Wettbewerb

einkehren. Rationalisierungsmaßnahmen sollen Kosten senken. Der

öffentliche Dienst soll dem Wettbewerb der Anbieter und Sachbearbeiter

geöffnet werden. Entwicklungen in Verwaltung und Gesellschaft sollen

durch Kennziffern gemessen werden. Wie in der Wirtschaft, wie bei

Bertelsmann. In der Finanzverwaltung beispielsweise wird dann gefragt:

Wie viele Steuererklärungen werden in sächsischen Finanzämtern pro

Mitarbeiter in einer Durchschnittsstunde bearbeitet? Wie viele in

Bayern, wie viele in Nordrhein-Westfalen? Sind die Steuerzahler

zufrieden mit dem Kundendienst der Finanzverwaltung? Das lässt sich

beziffern und grafisch darstellen. Dann werden Vergleiche angestellt.

Und dann werden die Ergebnisse in den Medien veröffentlicht,

vorzugsweise in den Bertelsmann-Medien. Stichwort: Transparenz.

Das neueste Beispiel ist das internationale Standort-Ranking der

Bertelsmann Stiftung vom Oktober 2004. Deutschland landete auf dem

letzten Platz. Gemessen wurde nach schlichten Kriterien wie

Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum. Gegen eine solch simple

Aufrechnung erhob sich viel Widerspruch. Sie ist typisch für die

radikal neoliberale Wirtschaftspolitik von Bertelsmann. Der Standort

Deutschland wird schlechtgeredet, um den Reformdruck zu erhöhen. Das

Genfer Weltwirtschaftsforum etwa kam zu ganz anderen Ergebnissen. In

dessen letzter Vergleichsstudie landete Deutschland auf einem guten

Mittelplatz, weil auch andere Faktoren berücksichtigt wurden, zum

Beispiel der Ausbildungsgrad der Mitarbeiter oder die internationale

Wettbewerbsfähigkeit einzelner Firmen.

Daraufhin hat die Bertelsmann Stiftung eine Presseerklärung verbreitet.

Thorsten Hellmann, Projektmanager im Themenfeld Wirtschaft und

Soziales, hat zur Kritik am Standort-Ranking Stellung genommen und

unter anderem gesagt: „Einem Schüler, der dauerhaft

unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, wird man kaum mit dem

Argument ‚Schlechte Noten sorgen für schlechte Stimmung‘ ein gutes

Zeugnis ausstellen.“ Er spricht dann von „Lernzielen“ für den Standort

Deutschland und fährt fort: „Das Ranking (gleicht) durchaus einem

Zeugnis, in dem die Leistungen von Politik, Wirtschaft und

Tarifparteien benotet und Schwächen aufgedeckt werden, die in den

Disziplinen ‚Arbeitsmarkt‘ und ‚Wachstum‘ bestehen.“ Gleichzeitig

bietet Hellmann „Lernhilfen“ an. Es gehe darum, sagt er, „nationale

Entscheider unter Legitimations- und Rechtfertigungsdruck“ zu setzen.

Deutschland ist also ein Schüler, und die Bertelsmann-Stiftung

übernimmt die Rolle einer übergeordneten nationalen Vormundschaft. Man

könnte von einer „Non Governmental Guardianship“ sprechen.

Zusammenspiel von Stiftung und Konzern

Inwieweit spielt denn bei diesen „Erziehungsprogrammen“ auch der

Medienkonzern eine Rolle?

Frank Böckelmann: Die Bertelsmann Stiftung bestreitet, dass sie

direkt oder indirekt vom UNTERNEHMEN Bertelsmann abhängig sei und ihm

Hilfestellung gebe. Am 28. September 2004 hat die Stiftung zu einem

Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ über unser Buch Stellung

genommen. Sie räumt ein, dass es in der Vergangenheit gewisse

„Schnittstellen“ gegeben habe, unter anderem die „Befassung der

Stiftung mit der Kommunikationsordnung“ oder mit „Internetprojekten“.

Doch sie betont, inzwischen habe man sich „konsequent von diesen

Bereichen getrennt“. Aber in unserem Buch weisen wir nach, dass die

Stiftung als Türöffner für die Interessen des Bertelsmann-Konzerns

arbeitet. Das geschieht in aller Öffentlichkeit und doch völlig

unauffällig bei den von der Stiftung organisierten Konferenzen. Wenn

der Konzern beispielsweise in den drei baltischen Staaten Fuß fassen

will – mit Druckereien, Buchclub und Fernsehen – dann spricht

zufälligerweise die lettische Präsidentin Vike-Freiberga auf einer

Bertelsmann-Veranstaltung. Wenn in Zagreb ein neuer RTL-Sender eröffnet

wird, empfängt gleichzeitig der kroatische Ministerpräsident Sanader

Liz Mohn und andere Bertelsmann-Manager in Zagreb. Und vorher hat

dieser Ministerpräsident schon in Berlin mit der Leitung von

Bertelsmann konferiert.

Ein schönes Beispiel für das Zusammenspiel von Stiftung und Konzern ist

der Marktzutritt in China. 2002 legt das Institut für

Auslandbeziehungen (IFA) in Stuttgart eine Studie vor, mitfinanziert

durch die Bertelsmann-Stiftung. Das Ergebnis: Die deutsch-chinesischen

Kulturbeziehungen sind defizitär. Kurz darauf findet im Berliner

Auswärtigen Amt ein Workshop statt. Der Direktor des IFA verschickt

anschließend eine Pressemitteilung mit der Aufforderung an die

deutschen Konzerne, ihre Infrastruktur in den chinesischen

Provinzhauptstädten für kulturelle Zwecke besser zu nutzen.

Bertelsmann wird als einziges Unternehmen lobend erwähnt. Im Dezember

2003 übernimmt die Bertelsmann Direct Group, also der Buch- und

Musikclub, 40 Prozent an der größten chinesischen Buchhandelskette, und

zwar während eines offiziellen Besuchs von Bundeskanzler Schröder in

China. Im Mai 2004 findet ein groß angelegtes internationales

Kulturforum in Peking statt, veranstaltet vom chinesischen

Kulturministerium und von der Bertelsmann Stiftung. Es sprechen

Repräsentanten der Stiftung, die zugleich dem Konzernvorstand

angehören. Und wenig später unterzeichnet die RTL Group mit dem

chinesischen Staatsfernsehen einen Programmlieferungsvertrag. Im Geiste

der Völkerfreundschaft. Die Kooperation zwischen Stiftung und Konzern

ist eng und kontinuierlich. Es ist geradezu grotesk, dass sie

bestritten wird.

Wie ist denn Bertelsmann weltweit positioniert?

Frank Böckelmann: Bertelsmann liegt derzeit auf Platz 5 in der Liste

der weltweit führenden Medienkonzerne. In den neunziger Jahren lag der

Konzern einmal auf dem ersten, später auf dem dritten Platz. Daß er nun

auf den fünften Platz abgerutscht ist, resultierte vor allem aus

Fusionen der anderen führenden Medienkonzerne. Es heißt, Bertelsmann

sei international besser diversifiziert als die Wettbewerber.

Allerdings ist Bertelsmann der Zutritt zum amerikanischen Markt nicht

gelungen.

Die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner und Thomas Middelhoff

setzten alles daran, ein Hollywood-Studio zu übernehmen und sich an

einer der großen amerikanischen Fernsehkettender zu beteiligen. Das ist

gründlich misslungen. Bertelsmann versucht, diesen Rückschlag durch

Expansion in Ostasien und in Ost- und Südosteuropa zu kompensieren.

Zuerst kommt die Druckerei, dann kommt der Club und schließlich das

Fernsehen. Aber es ist absehbar, dass die Konzerne, die den

amerikanischen Markt beherrschen, künftig Bertelsmann auch in Asien und

Europa verstärkt herausfordern werden. Und diese Konzerne verfügen über

weitaus mehr Investitionskapital. Das hängt auch mit dem starken

Kontrollbedürfnis der Familie Mohn zusammen. Die Bertelsmann AG soll

nicht fusionieren oder an die Börse gehen.

Es gab bei Bertelsmann immer einen Konflikt zwischen dem Wunsch nach

Expansion und dem Wunsch nach hohen Renditen. Wenn man expandieren

will, braucht man Investitionskapital, aber dann schrumpft die Rendite.

Die Bertelsmann-Firmen stecken im Korsett einer rigorosen

Renditevorgabe. Gefordert werden pro Einzelunternehmen 15 Prozent

Gesamtkapitalrendite. Wenn sie verfehlt wird, werden die angeblich

unabhängigen Geschäftsführer zu einer hochnotpeinlichen Befragung

einberufen. Sie erhalten dann noch eine Bewährungsfrist, aber wenn sie

erneut scheitern, kommt die ganze Firma auf den Prüfstand. Sie wird

dann geschlossen oder verkauft oder in andere Konzernteile

eingegliedert.

Gibt es nicht auch konkurrierende Think Tanks oder Stiftungen auf

europäischer Ebene?

Frank Böckelmann: Sicher. Da gibt es beispielsweise die

Siemens-Stiftung und die Stiftungen großer Banken und Sparkassen. Aber

keine dieser Stiftungen finanziert sich durch einen Medienkonzern.

Deshalb stellt Bertelsmann – als größte europäische Stiftung – einen

brisanten Sonderfall dar. Die Politiker, die hier eingebunden werden,

haben der Bertelsmann Stiftung viel zu verdanken, nicht nur die

Gelegenheit zum unverfänglichen Informationsaustausch und zur

unverfänglichen Vorabsprache. Die Auftritte in den Bertelsmann-Foren

verbessern auch das persönliche Image. Und die Projekte der Stiftung

liefern politische Legitimation.

Die Macht der Bertelsmann-Stiftung resultiert also aus den

Möglichkeiten, Beziehungen zwischen wichtigen gesellschaftlichen

Akteuren herzustellen und öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Personen

zu lenken?

Frank Böckelmann: Natürlich ist allgemein bekannt, dass hinter der

Stiftung ein Medienkonzern steht. Die Nähe der Stiftung zur Bertelsmann

AG sei allen bewusst, sagt die Stiftung. Kein Politiker macht

ausdrücklich Propaganda für den Konzern. Die Unterstützung erfolgt

indirekt und subtil. In Berlin und Brüssel legt man Bertelsmann keine

großen Steine in den Weg, räumt sie vielmehr diskret beiseite. Manchmal

muckt die Fusionskontrolle auf, das ist alles.

Privatisierung der Politik

Eingebunden von der Stiftung werden bislang nur die traditionellen

deutschen Parteien, die mittlerweile, die Grünen eingeschlossen, für

die Mitte stehen. PDS und die rechten Parteien sind in diesem Sinne

noch Parias und stehen außerhalb der Mechanismen der Vorabsprachen und

der Konsensbildung. Besteht nicht die Gefahr, dass diese extremen

Parteien auch deshalb stärker werden könnten, weil sie politisch und

personell nicht in diese Integrationsmechanismen eingebunden sind, für

die auch die Bertelsmann-Stiftung sorgt?

Frank Böckelmann: Zweifellos. Aber an diesem Punkt muss ich ein

wenig weiter ausholen. Die flächendeckende Politikberatung durch die

Bertelsmann Stiftung forciert die Tendenz zur Privatisierung der

Politik. Diese Tendenz ist allerdings unvermeidlich und irreversibel.

Sie ist auch nicht grundsätzlich von Übel. Im Prozess der

Globalisierung ist es nicht zu verhindern, dass internationale

Elite-Netzwerke und Organisationen, deren Tätigkeit nicht im

klassischen Sinne politisch legitimiert ist, immer mehr Einfluss

gewinnen. Ein einziges globales Wahlvolk wird es nicht geben, machen

wir uns keine Illusionen. Und denken Sie an die Tätigkeit von NGOs wie

Amnesty, Attac oder Greenpeace. Auch das sind private Organisationen.

Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen einer Privatisierung von

Politik im Sinne von Unternehmensinteressen und einer Privatisierung,

die durch die sogenannte Zivilgesellschaft geschieht.

Frank Böckelmann: Richtig. Das Schlimmste, was geschehen könnte,

wäre, dass wir künftig von Unternehmen wie Bertelsmann regiert werden.

Auch und insbesondere unter diesem Aspekt haben Hersch Fischler und ich

das Buch geschrieben. Die Reformkonzepte von Gütersloh sind

standardisiert, häufig sachfremd und in politischer Hinsicht geradezu

dilettantisch. Und sie haben sich – im Gegensatz zu dem, was Reinhard

und Liz Mohn behaupten – in der Unternehmenspraxis gerade nicht

bewährt.

Eine kurze Zwischenfrage: Wenn die Stiftung nach dieser Beschreibung

so sehr auf betriebswirtschaftliche Quantifizierung aus ist, dann

scheint sich dies doch mit den Geschäftsinteressen eines Medienkonzerns

zu reiben, der eigentlich ja auch mit Inhalten zu tun haben sollte.

Oder ist das eine naive Annahme?

Im Content-Geschäft geht es nicht nur um die Programmproduktion,

sondern auch um die Mehrfachverwertung der Inhalte, um Synergieeffekte,

um die Einbindung des Publikums in Nutzungsketten. Der

Bertelsmann-Konzern propagiert keine konkrete politische Ideologie. Bei

RTL, bei Gruner+Jahr, bei Random House, dem größten Buchverlag der

Welt, dürfen sich alle möglichen Gesinnungen und Geschmäcker tummeln,

wenn nur das Renditeziel erreicht wird. Man gibt sich betont liberal.

Und dennoch übt Bertelsmann Meinungsmacht aus. Eine verhindernde,

prophylaktische, ausschließende Macht. Bestimmte Themen und

Gesichtspunkte haben in den großen Medien von vornherein keine Chance

mehr.

Es ist keine Frage, dass sich wirtschafts- und sozialpolitisch vieles

ändern muss und ändert. Aber als Leser und Zuschauer gewinnt man heute

den Eindruck, einem geschlossenen, fast totalitären Spektrum weniger

und einander sehr ähnlicher Auffassungen gegenüberzustehen. Wir hören

nur noch die Litanei von Einsparung, Wettbewerb der Ich-AGs,

Effizienzsteigerung – nach dem abstrakten Maß von Produktivität – und

internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Alternative, flexible, innovative

Denkungsarten erscheinen heute fast obszön. Und das frustriert die

Menschen.

Vor wenigen Wochen hat Albrecht Müller sein Buch „Die Reformlüge“

vorgelegt. Dieses Buch hat es fast ohne Rezensionen und fast ohne

Werbung auf Platz acht in der Bestsellerliste gebracht. Das ist eine

unabhängige, eine eigensinnige Stimme. Deswegen ist das Buch wohl auch

so populär geworden. Etwas Ähnliches könnte sich im großen politischen

Kontext vollziehen. Hier schaffen heute Elite-Netzwerke aus großen

Parteien und Konzernen vollendete Tatsachen. Aber die Leute spüren,

dass fast alles, was sie bei Sabine Christianen hören und auf den

Meinungsseiten der großen Blätter lesen, in gewisser Weise vorsortiert

und aufeinander abgestimmt ist und im gemeinsamen Kielwasser kreist.

Das ist eine Art von politischer Autopoiesis, um mit Luhmann zu

sprechen. Es kommt einem alles unendlich bekannt vor. Und daraus

erwachsen Politikmüdigkeit und Parteienverdrossenheit. Die an den

Elite-Netzwerken beteiligten Konzerne und Parteien werden als

monolithischer Block wahrgenommen. Das erhöht die Chancen von

Protestparteien linker und rechter Couleur und außerparlamentarischer

Oppositionen neuen Stils.

Nun wurde Reinhard Mohn auch gelegentlich der „rote Mohn“ genannt,

weil er angeblich eine größere Nähe zur Sozialdemokratie hat. In dem

Buch wird ja auch betont, dass die Reformprojekte der rot-grünen

Regierung praktisch alle auf dem Hintergrund der Bertelsmann-Stiftung

entstanden seien. Jetzt nähern sich die nächsten Bundestagswahlen. Hat

sich die Bertelsmann-Stiftung schon den Einfluss auf eine mögliche

Regierung von CDU/CSU mit FDP gesichert?

Frank Böckelmann: Selbstverständlich. Seitdem sich Angela Merkel

gute Chancen ausrechnen darf, die erste Bundeskanzlerin zu werden,

schmeichelt man in Gütersloh der CDU. Liz Mohn trat als Laudatorin von

Angela Merkel auf, als diese den Zukunftspreis der CDU-Sozialausschüsse

entgegennahm. Ihre schwärmerische Rede hat sie, leicht überarbeitet, im

April 2004 in der Zeitschrift „Cicero“ veröffentlicht. Da trägt sie

Angela Merkel eine Art Solidarität der Spitzenfrauen an und raunt von

femininer „emotionaler Intelligenz“. Ganz ähnlich, nur weniger plump,

agierte früher Reinhard Mohn gegenüber der SPD. Kurz nach dem Wahlsieg

1998 und der Regierungsübernahme pilgerten Gerhard Schröder und Joschka

Fischer nach Gütersloh und statteten dort ihren Dank ab. Jeder

Wahlsieger weiß, wem er viel zu verdanken hat, ob er nun Schröder oder

Merkel heißt. Bertelsmann kann mit allen.

Die Unsichtbarkeit des Allgegenwärtigen

Wegen der Kritik an Bertelsmanns Einfluss auf die Politik in Eurem

Buch wurdet ihr auch schon als Verschwörungstheoretiker gegeißelt.

Frank Böckelmann: Der Kennzeichnung „verschwörungstheoretisch“ für

unser Buch stammt originär aus Gütersloh. Journalisten, die diesen

Ausdruck verwendeten, gaben sich somit unabsichtlich als Insider zu

erkennen. Aber wenn man weiß, dass jeder Bundesbürger über 14 Jahre

durchschnittlich pro Tag eine Stunde mit der Nutzung von

Bertelsmann-Produkten verbringt, und wenn man erfährt, dass in allen

bedeutsamen sozial-, bildungs- und sicherheitspolitischen Gremien

Europas die Gutachter der Bertelsmann-Stiftung sitzen und die meisten

einschlägigen Entscheidungen ihre Handschrift erkennen lassen, gelangt

man zu dem Schluss, dass Bertelsmann eine deutsche und europäische

Großmacht ist.

Die Bertelsmann-Stiftung ist in den erwähnten Bereichen nahezu

allgegenwärtig. Sie operiert als eine Art selbstverständlicher

gesellschaftlicher Infrastruktur – und eben daher völlig unauffällig,

so wie man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Hersch Fischler und

ich haben die Entwicklungen und Strategien mit Kälte, aus der Distanz

heraus, analysiert. Daher ist das Buch auch keine Polemik geworden. Wer

sich als Journalist oder Politiker in der ganz normalen „Bertelswelt“

eingerichtet hat, findet zwei Leute, die behaupten, eine kritische

Unternehmensgeschichte von Bertelsmann geschrieben zu haben,

wahrscheinlich hochstaplerisch und anmaßend. Was wollen denn Böckelmann

und Fischler? Wollen sie dem Giganten ans Bein pinkeln, um sich

aufzuspielen? Ich kann diese Reaktion nachempfinden.

Journalisten, Politiker und Medienwissenschaftler sehen jeweils nur

einen kleinen Ausschnitt der „Bertelswelt“. Sie sind Spezialisten für

RTL oder die Jahresbilanzen des Konzerns oder bestimmte

Forschungsbereiche. Und viele von ihnen unterhalten auf die eine oder

andere Weise langjährige Arbeitskontakte mit Gütersloh. Aber Böckelmann

und Fischler sind in die weitgreifende Kommunikation von Bertelsmann

nicht eingebunden – übrigens die Voraussetzung für einen

Gesamtüberblick. Bertelsmann ist eine selbstfinanzierte und

selbstlegitimierte Institution, die eine glänzende Fassade der

Gemeinnützigkeit errichtet hat. Diese Fassade blendet die äußerst

fragwürdigen Geschäftsmethoden vieler Bertelsmann-Firmen erfolgreich

aus.

Links

[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18748/1.html

Telepolis Artikel-URL:

http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/18749/1.html