„Aus Städten Ruinen..“

Fem’s aktueller PRESSE-SPIEGEL:

Heute – wenn die Städte veröden, weil alle nur noch in EinkaufsCentern am Rande der Städte einkaufen..

Quelle: welt-online vom 3. Juli 2004
… dann werden aus Städten Ruinen

Wie die Kommunalpolitik auf die Entwicklung im Einzelhandel

reagiert – Perspektive: Leerstand und banalisiertes Angebot

von Dankwart Guratzsch

Berlin – Noch sind die Folgen des Umbaus im Einzelhandel auf Existenz und Entwicklungsperspektiven der Kommunen nicht ausgelotet. Doch schon jetzt lässt sich absehen: Gleich mehrere Faktoren wirken zusammen, um eine dramatische Verschiebung einzuleiten. Als jetzt der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt Kommunalvertreter der gesamten Region Rhein/Main zu einer Diskussion über „Zentren- und Einzelhandelsentwicklung“ zusammenrief, stand plötzlich wie ein „Gespenst“ (so ein Kommunalpolitiker) die Drohung im Raum: „Am Ende haben wir nichts mehr als Ruinen, die im Stadtzentrum herumstehen.“

Und das sind die Fakten: Der Anteil des Einzelhandels an den

privaten Konsumausgaben hat sich in zehn Jahren von 39,2 auf 29,9 Prozent zurückentwickelt, im gleichen Zeitraum sind die Einzelhandelsumsätze der kleinen und mittleren Fachgeschäfte um 41 Prozent, die der Warenhäuser um 32,7 Prozent geschrumpft, während Direktvertrieb (+75 Prozent), Discounter (+73,3), SB- Verbrauchermärkte (+51,2) und filialisierte Fachgeschäfte (+50) gewaltig zugelegt haben. Resümee von Dieter Schoenfeld (Einzelhandelsverband Frankfurt-Hochtaunus-Maintaunus): „Immer weniger läuft über die Ladentheke.“

Verlierer in diesem „kannibalistischen“ Prozess sind laut

Schoenfeld speziell Branchen wie Damenbekleidung, Schuhe, Sport und „nahezu alles, was die Innenstädte ausmacht“, während Büromöbel (+27 Prozent), Fotoartikel (+18,6) und Augenoptik (+16,4) noch Zuwächse verzeichnen. Was aber vor allem auf der Strecke bleibt, ist das Raumordnungskonzept der „Zentralen Orte“. Denn die wie Pilze aus dem Boden schießenden Fachmarkt- und Einkaufszentren siedeln sich bevorzugt im Weichbild der Städte an – mit bedrohlichen Folgen: „Wenn die Frequenz rausgeht, kollabiert die City.“ Gerade hier aber wird sich, so warnte in Frankfurt Albrecht Göschel (Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin), die Zukunft der Gesellschaft entscheiden. Bei einem desaströsen Bevölkerungsschwund von 82 Mio. auf 25 Mio. am Jahrhundertende und angesichts von Globalisierung und wirtschaftlichem Wandel von der fordistischen zur Dienstleistungsgesellschaft könne nicht mehr ausgeschlossen werden, dass unsere Städte in „Flickenteppiche“ auseinander fallen — in „Teilräume, die kein Zentrum mehr ergeben“. Göschel: „Was bleibt, sind Kulissen, von denen niemand mehr weiß, was sie repräsentieren.“

Korreferenten wie Folkwin Wolf (Hessisches Ministerium für

Wirtschaft, Verkehr und Landesplanung) malten die sich schon heute mancherorts herausbildende Situation der Innenstädte in drastischen Beschreibungen aus: „Wachsende Geschäftsleerstände, Kümmernutzung, banalisiertes Angebot und ein um sich greifendes Raubrittertum. Im Zentrum von Schlüchtern gibt es keinen Lebensmittelmarkt mehr, in Salmünster hat gerade der letzte geschlossen.“ Und der Ministeriumsvertreter forderte zur Gegenwehr auf: „Diese Entwicklung kann man nicht mehr so weiterlaufen lassen, weil ja hier nicht morsche Strukturen zusammenbrechen, sondern weil in eine intakte Versorgungsstruktur von außen eingegriffen wird.“ Ulrich Müller, Baudezernent in Hanau, rügte die Kommunen: „Wir haben genug Instrumente, aber nicht den Mut sie einzusetzen – oder wir sind ratlos, wie wir mit dem Ansinnen der Investoren umgehen sollen.“