Die Versprechen des Kanzlers

„Berlin vertraulich“ – BILD-online, vom 11. 3. 2004 – auch mal dokumentiert:

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Was ist aus den Versprechen

des Kanzlers geworden?

Regierungssprecher Béla Anda (40) gestern mit Kanzler Gerhard Schröder (59, SPD) bei der Kabinettssitzung

Ein Redaktionskollege zog dieser Tage um. Dabei fiel ihm ein Buch in die Hand: „Gerhard Schröder – und weil wir unser Land lieben…“ (Verlag Hoffmann und Campe). Es ist der Abdruck von Briefen, die Schröder 1998 vor seiner Wahl zum Kanzler an 26 ausgesuchte Bürger – Prominente wie „Normalos“ – verschickte. Er beschrieb, was er besser machen würde, käme er an die Macht.

Auf Seite 204 attackiert er die Rentenpolitik der Kohl-Regierung: „Und wenn dann das Geld hinten und vorne nicht reicht – weil die Rentenkassen schon 1996 sieben Milliarden Mark mehr ausgeben mussten, als sie eingenommen haben –, greift man kurzerhand den Rentnern in die Tasche: Dann wird das Rentenniveau gesenkt und das Rentenalter erhöht und solch ein Raubzug auch noch als ‚Reform‘ verkauft.“ Eine Seite weiter: „Wir müssen den Leuten also sagen können, dass die Renten, die sie sich erarbeitet haben, sicher sind.“

Die Wirklichkeit nach über 5 Jahren Schröder-Regierung: Nullrunde bei Rentenerhöhung, steigende Krankenkassenbeiträge, doppelter Pflegeversicherungssatz. Und heute will Rot/Grün im Bundestag ein Gesetz verabschieden, in dem von einer Mindestrente (im Jahr 2030) von 43 Prozent die Rede ist. Zur Zeit beträgt das Netto-Rentenniveau nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge rund 53 Prozent!

Am 3. September 1998 wetterte der damalige Kanzlerkandidat Schröder im Bundestag gegen die Kohl-Regierung: „Sie haben eine Rentenformel eingeführt, die ein Absenken der Rente von 70 auf 64 Prozent bedeuten wird.“ Dann zum Kanzler gewählt, stoppte er die Reform seines Vorgängers mit der Begründung, es sei „schlicht unanständig“, alten Menschen wie seiner Mutter das Geld wegzunehmen!

Inzwischen: Wie versprochen, so gebrochen.

Heribert Prantl, Politikchef der „Süddeutschen Zeitung“, damals auch Empfänger eines Briefes von Schröder mit lauter Versprechen, antwortete ein Jahr später im „SZ-Magazin“: „Sie, Herr Schröder, haben die Gabe der Darstellungskunst. Freilich, Aufbruch und Erneuerung muss man praktizieren, nicht darstellen.“