Die live-site-texts löschen wir oft, durch die Aktualisierung, und weil es sonst zu lang(weilig)..daher nun hier die Montage der wie immer hervorragenden Agentur-Kolleginnen und Kollegen: zum Bericht des deutschen DATENSCHUTZ-BEAUFTRAGTEN:
Werden wir systematisch beschnüffelt?
(AFP/Montage) Umstrittene Rasterfahndung.
Experten kritisieren die zunehmende Überwachung und Kontrolle der Bundesbürger. Vor allem die Zahl der Telefonüberwachungen hat massiv zugenommen. Ein Großteil davon war nicht einmal rechtmäßig. Sind wir auf dem Weg zum Überwachungsstaat?
Im vergangenen Jahr sei die Zahl auf 21.874 gestiegen, sagte der Datenschutz-Beauftragte der Bundesregierung, Joachim Jacob. „Eine nachvollziehbare, befriedigende Erklärung hierfür gibt es nach wie vor nicht“, bemängelte er.
Jacob kritisierte auch die geplante Speicherung von Gesundheitsdaten auf einer Gesundheitskarte. Die Vielfalt der diskutierten elektronischen Möglichkeiten sei verwirrend, der Bürger drohe den Überblick zu verlieren. „Für mich ist entscheidend, dass der Patient das Verfahren steuert.“ Der Einzelne müsse entscheiden, welche Daten auf die Karte kommen.
BKA erhebt massenhaft persönliche Daten
Zu der im Zuge der Terrorismusbekämpfung angewandten Rasterfahndung sagte Jacob, es müsse gefragt werden, wie effizient dieses Instrument tatsächlich für den Anti-Terror-Kampf genutzt werden könne. Bedenklich sei, dass sich das Verfahren so lange hingezogen habe und erst im März 2003 abgeschlossen wurde. Es sei außerdem fraglich, ob es die Absicht des Gesetzgebers war, dem Bundeskriminalamt eine Befugnis zur massenhaften Erhebung personenbezogener Daten zu geben. Daten, die keine Hinweise ergeben hätten, müssten unverzüglich gelöscht werden.
Führt die technologische Entwicklung und der rasant wachsende Bestand von personenbezogenen Daten zur schleichenden Aufweichung des Datenschutzes?
Die Rechtsprofessoren Otto Backes und Christoph Gusy von der Universität Bielefeld sind dieser Frage nachgegangen. In einer Lausch-Studie analysierten sie 554 Telefonüberwachungen und mussten feststellen, dass nur ein Viertel davon rechtmäßig angeordnet war.
Richter soll vor staatlicher Willkür schützen
Die Zahl der Telefonüberwachungen hat sich seit 1995 mehr als verfünffacht. Um den Bürger vor Willkür zu schützen, darf nur ein Richter eine solche Überwachung anordnen und zwar nur dann, wenn eine sogenannte Katalogtat, wie zum Beispiel Mord, Menschenhandel oder schwere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vorliegen.
In der Praxis herrscht fehlende Routine
In den meisten Fällen erwähnten die Richter jedoch weder eine Katalogtat, noch prüften sie die Rechte des Beschuldigten. Stattdessen wurden tausende Bürger hemmungslos beschnüffelt. Backes macht für diese Versäumnisse die fehlende Routine vieler Ermittlungsrichter verantwortlich: „Wer jahrelang nur Miet- oder Familienrecht gemacht hat, der ist dann nicht mehr in der Lage, eine Telefonüberwachung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen“.
Beschwerden machen Arbeit
Obwohl das Gesetz auch vorsieht, dass alle Betroffenen nach der Abhöraktion über den Vorgang in Kenntnis gesetzt werden müssen, hielten die Ermittler dies nur in drei Prozent der Fälle für nötig. Backes hat dafür eine einfache Erklärung: „Immer wenn jemand benachrichtigt wird und sich dann nicht erklären kann, in welchem Zusammenhang er da in diese Sache reingeraten ist, dann wird er sich beschweren und jede Beschwerde macht Arbeit. Und das will man nicht und deswegen benachrichtigt man nicht.“
Auch Verteidiger bieten kein Schutz vor Willkür
Backes nannte die Vorgehensweise „einen schweren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen.“ Wer nicht erfahre, dass er abgehört werde, könne sich nicht wehren, weil ohne Benachrichtigung durch die Staatsanwaltschaft kein Verteidiger aktiv werden kann. Aber auch ein Verteidiger bietet nicht immer Schutz vor staatlicher Willkür. Obwohl drei Viertel der Anordnungen schon aus formalen Gründen rechtswidrig sind, legen die Anwälte nur in jedem hundertsten Fall Einspruch gegen die Verwendung der Abhörergebnisse vor Gericht ein. Kein Wunder, vertrauen sie doch auf die vorausgegangene Prüfung durch den Richter.