mit Augenzwinkern…/übernommen von unserer www.future-daily.com /online seit dem 21. 2. 2011
Wir Frauen sind zuweilen exzentrisch und dazu ausgesprochen gezierte und extravagante Wesen.
Etwa, wenn wir uns in den Kopf gesetzt haben, ein paar reizende Menschen zu einem Essen einzuladen (von einer Geburtstagsfeier erst gar nicht..zu sprechen..!), kann es durchaus passieren, dass unser Perfektionismus mit uns durchgeht. Sicher ist auch das uns mit der Muttermilch, Unsinn, wer hat dieses Sprachbild..? nun, der Zauber beginnt ja bereits genüßlich….bei der gedanklichen Planung…..Einen besonderen Anlass brauchst du nicht. Jeder wird gerne zum Essen eingeladen. Und erst recht von mir! Denn selbstverständlich bin ich eine hervorragende Gastgeberin. Und ein paar Sachen kann ich auch …auf den Tisch bringen. Ich bin lässig, weltgewandt, fröhlich, gutgelaunt, und natürlich finde ich es toll, wenn man neben mir in der Küche auf dem Stuhl hockt und mir erzählt, wie die eigene Mutter dies und jenes Essen zubereitet, und du versuchst rasch abzulenken, weil du dich gerade konzentrieren wolltest, und auf was noch einmal…denn ein Essen für mehrere bedeutet ja vor allem…Planung…Reihenfolge und so …also – : “Ach bitte…kannst Du mal…du wolltest doch noch das Regal aufhängen…die Dübel vergessen…na, macht nichts…”
Nein, ganz anders.
Meine Gäste brauchen nicht bei mir zu arbeiten.
Das haben sie bittschön schon vorher erledigt.
Der Tag der Essenseinladung soll ganz entspannt sein.
Und bitte – nicht zu früh kommen. Lieber eine halbe Stunde zu spät, aber bitte bloß keine Minute zu früh! (Denn da hetze ich noch ins Bad..denn ungeschminkt meine Gäste zu empfangen, das wäre ja wie nur halb angezogen, also da bin ich sehr pingelig…,um nicht zu sagen “manisch” – wirklich!).
Vor den eigentlichen “Feiertagen” sind ja stets gern angenommene Termine der Gastlichkeit. Es war also kurz vor Ostern. Es sollte ein kleines Abendessen zu viert werden, nein, zu fünft. Ein Pärchen, zwei meiner Freunde, und ich.
Lammbraten, grüne Bohnen, runde Kartöffelchen…Salat..auch noch..? Oder wird das zu viel..? Und Dessert..? Mmmh..ich mag nur das Dessert..diese Kreationen.. meiner Freundin Johanna, und die wird vom Gault empfohlen, ich selbst kann keine Desserts. Und der Vanille-Pudding meiner Mutter war gerne angebrannt..Also…ich mußte mir ewas einfallen lassen. Denn ich wollte meine Gäste ganz ungemein verwöhnen, klar, was sonst. Und Johanna wohnte 600 Kilometer entfernt, inzwischen. Oh – und die Vorspeise – Les Hors d’oeuvres! Natürlich.
Das logistische Problem meines viel zu kleinen runden Eßtisches, meinen einladenden Weichholztisch, ein Tisch zum dran leben, hatte ich vor ein paar Jahren verliehen, als ich mal Lust auf “möbliert wohnen” verspürt hatte –
ja auf jeden Fall….der Tag der Einladung war da. Noch ein paar Stündlein…und es würde ein ….ja, der Lammbraten…seit Stunden…im Backofen bei 100 Grad…die Nacht im Kühlschrank mariniert..knoblauchgespickt…in Rosmarin-Marinade und so…zuletzt die kleinen runden Kartoffeln in Schale auch noch in den Rost…damit sie..klar…und die grünen Bohnen, les haricots verts…doch, sie sahen gut aus. Das Baguette die richtige Temperatur auch, zartes Fast-warm, gereicht zu den Amuses-Gueules und ja, der Tisch gedeckt..ein paar Beistelltischlein anbei…dafür hatte ich mein Malzeug abgeräumt, der eine Tisch diente als mein Malzeug-Tisch..alles perfekt, wirklich, die Gläser..für Wasser und Wein..
Das Hauptproblem weißt Du…ist ja…das alles auch noch wohltemperiert auf den Tisch zu bringen. Nicht schon vorher erkaltet…unterwegs..oder weil die Platte aus dem Kühlschrank statt dem Wärmeherd…das Lampenfieber kann Dir ja jeden Streich spielen…Wann zuletzt für 5 Personen ein Essen vorbereitet? Nur in Johannas Restaurant, als Küchenhilfe, wenn ihr mal wieder das Personal davongerannt war, und sie uns alle telefonisch um Hilfe anflehte, das Gemüse müsse geputzt werden, der Schnittlauch geschnitten und die Petersilie, das Weißbrot in mundgerechte Scheiben…und wir eilten hin…zu ihr, um sie zu retten…wir fühlten uns wie Marathonläufer und Johanna, zwischen all ihren hochmodernen riesigen chromblitzenden Profi-Öfen, und wehe, das Baguette war ein Grad zu wenig warm…die Teller nicht vorgewärmt und so…
Ich fühlte mich allmählich leicht irre. Und umgezogen und angezogen und geschminkt war ich auch noch nicht.
Wie sollte ich das Problem der Gleichzeitigkeit lösen? Ich wollte keine hin-und- herrennende und damit Hektik verbreitende Gastgeberin sein. Nein, alles sollte zugleich und gleichzeitig auf den Tischen sein, voll gemütlich alles, ein Réchaud wäre jetzt nicht unpassend…okay, das Teelicht unter die haricots verts…vielleicht..? die bildschönen runden, wie rundgeschnittenen Kartöffelchen in Schale…sie kämen gemeinsam mit dem Lammbraten auf eine runde Porzellanplatte? Genau. Das sparte Platz und sah gut aus. In der Mitte der rundliche Lammbraten und die Kartöffelchen außen-herum, irgendwie optisch bezwingend…ob das aber aussah..?
Es klingelte. Und die Gastgeberin gutgelaunt, das Gesicht vielleicht etwas erhitzt…aber das Make Up verdeckte alles..und kommt doch rein, und ja , wie das hier gut duftet..oh..mmh…ja… und oh bitte…nein…keine langen…Begrüßungs-Zeremonien…ja, gut, natürlich hatte ich mit dem Strauß Blumen gerechnet…zu dumm…dass nun jede Minute…nicht, dass die letzten Sekunden noch alles…denn der Braten noch im Ofen, aber bereits auf der für ihn vorgesehenen Platte, und sie sollte ja nicht zerspringen….und, wie gewitzt…die himmlisch runden Kartöffelchen auf der einen Seite des Bratens, die haricots verts, also die grünen Bohnen, auf der anderen Seite…wie raffiniert von mir, so viel Platz gespart, auf dem Tisch..und alles würde gleichmäßig warm gehalten. Das Baguette auch noch im Backofen, ja, alles auf niedriger Temperatur.. aber trotzdem…es sollte jetzt…bald…
Ja, auch Peter hatte einen Rotwein mitgebracht. Er erklärte, nein, bitte jetzt nicht, nachher, später, Peter…wie nett von Dir, supi, meine Lieblingsmarke…dabei trinke ich fast nie Rotwein…und Lothar…mit vielsagendem Lächeln, packte etwas aus..na ..er war gerne etwas umständlich, ehe er zur Sache kam…also Roswitha…ich dachte…du interessierst dich doch für…und habe dir dieses Büchlein mal mitgebracht…
Ja, zauberhaft, Lothar du bist so ein Schatz…aber….bitte sehr…ein Apéritif oder später….?
“Nö, ich hab so einen Hunger” – sagte Lothar,
“lass uns mal lieber gleich loslegen…So’n Sherry vorher iss auch nich’ so mein Ding!”
Genau. Kichernd eilte ich in die Küche. Ich fühlte mich wie auf Schlittschuhen.
Das Pärchen bewunderte unterdessen den so hübsch gedeckten Tisch und das improvisierte Ambiente..Die kleinen Vorspeisen standen auf einem Biedermeier-Beistell-Tischlein. Eines der letzten Relikte aus meiner bürgerlichen Vergangenheit. Ja. Es sah gut aus. Tatsächlich.
“Taraa..!” Stolz trug ich die runde Platte, eigentlich ist sie in Wirklichkeit einer dieser riesigen Pizzateller, multifunktional, wirklich, vor mir her ins Wohnzimmer, wie eine Trophäe. Doch, in der Tat…es sah gut aus, es roch auch gut und – vor allem – es war heiß! Das Essen.
Für die Platte hatte ich einen speziellen Beistelltisch gewählt, eigentlich ein Blumenstock-Tisch, aber wen stört das schon, Blumenstöcke hatte ich eh nur auf dem Balkon – aufatmend stellte ich sie ab…und ließ mich…ziemlich erschöpft, um ehrlich zu sein, auf einem Stuhl nieder. Alle hatten sich kurzfristig ihrer bürgerlichen Vergangenheit erinnert und waren stehengeblieben, bis die Gastgeberin..sich niedergelassen hatte. Peter mit der ironischen Andeutung..mir den Stuhl anzureichen… Wie gerne hätte ich jetzt erst mal eine gequalmt. Daran war nicht zu denken. Wir waren inzwischen tierisch hungrig, nicht wahr.
Einen Augenblick lang wurde der Anblick des Bratens, der Rosmarin-Pellkartöffelchen und der wunderschönen grünen schmalen Bohnen ..bewundert…ja, ich hatte mir schon das Messer parat gelegt…gleich würde ich den Braten anschneiden…freute mich schon drauf…ob er so zart und rosa war…wie er sein sollte, beim Garen bei 100 Grad bloß..über mehrere Stunden…Ich war gespannt…Ja, regelrecht mit einer gewissen Zärtlichkeit betrachtete ich den Braten. Er schien zu atmen. Frisch gebackener Kuchen flüstert ja auch, wenn er aus dem Backofen geholt wird. Doch, es sah sehr ansprechend aus. Ich hatte noch hauchdünne, halbierte Scheiben von Zitrone und Apfelsine, paarweise auf der Platte dekorativ..ja, um noch etwas Farbe…Doch, der Braten war knusprig…und innen ..oh, wie mir das Wasser im Munde zusammenlief…ganz gewiß zartrosa..butterweich…
Da fiel mir ein – oh! Das Baguette. Es fehlte! Entschuldigt, das Baguette ist noch im Ofen, konnte ich ja mit einer Hand nicht tragen…den Braten…die Bratenplatte UND das Baguette..nicht wahr…den grünen Salat hätte ich ja fast vergessen.
Hastig schnitt ich in der Küche das Baguette auf, okay…strahlend eilte ich zurück ins Wohnzimmer.
Da traf mich fast der Schlag.
Der männliche Part des Pärchens hatte in der Zwischenzeit mit der Bemerkung –
“Ich dachte, ich mach mich mal nützlich, du mußt ja tierisch gearbeitet haben!” –
das Messer in die Hand genommen und war dem Lammbraten zu Leibe gerückt!
Hatte ihn sozusagen in Stücke zerlegt.
Und schmetterte gerade – “Na, Lothar, Du willst doch bestimmt das größte Stück, oder?”
Während der feine verbliebene Saft des Bratens sich zwischen Pellkartöffelchen und Haricots verts verzog, die Bratenstücke über dem Teller querlagen, sich auf den grünen Böhnchen und den zuvor knusprig blickenden Rosmarin-Kartöffelchen breitmachten, die vor 2 Minuten noch Frühlingsfrische signalisierenden Zitrone-und Apfelsinen-Scheibchen färbten sich in aufgeweichtes Rosa des herumirrenden Bratensaftes..kurz:…Es sah grauenvoll aus.
Ich rang nach Fassung. Contenance…! Kein Mensch schnitt mehr einen Braten vorher auf, wie zu Urgroßmutters Zeiten..! Die Stücke waren doch im Nu kalt und vor allem..es sieht so brutal aus, so roh…so ungehobelt, irgendwie . Ich rettete mich in einen Husten, rief erstickt, ach bitte, Kinder, fangt doch schon mal an, ich komme gleich…eilte in die Küche…kramte in meiner Handtasche…und zündete mir eine Zigarette an. Dann spürte ich diesen Lachreiz in mir aufsteigen.
Ich ging zurück ins Wohnzimmer, mit der Kippe in der Hand…die Tränen liefen mir übers Gesicht, vor Lachen..und Peter schrie begeistert: – au ja, das finde ich gemütlich, dass du dir erstmal eine Kippe genehmigst…Mensch, das Fleisch ist dufte und alles und – , und – Lothar fiel ein – “Ehrlich, meine Mutter hätte das auch nicht besser gekonnt…!”
Und während ich dachte, ich ersticke vor Lachen, fielen mir Szenen mit meiner Mutter ein, zu Weihnachten…oder zu anderen “bedeutenden” Anlässen, dass sie zuletzt zusammengebrochen war, an ihrem eigenen Ehrgeiz und Perfektionismus gescheitert, und wir sie dann alle dafür trösteten, die geronnene Butter-Crème einer unsäglich kalorienreichen Weihnachtstorte, der umgekippte Baum kurz vor der Bescherung am Heiligen Abend…und immer mehr Tränen liefen mir das Gesicht runter, während das Pärchen verlegen und unsicher schaute, und der junge Mann fragte – “Habe ich etwas falsch gemacht..?Hätte ich den Braten nicht…? Ich hätte auf Sie warten sollen…nicht..? Ich hätte nicht einfach…mich so selbstherrlich..Sie so überrollend, aber ich hatte es ja nur gut gemeint…”
Na klar, Dominique…na klar….!
Ich wischte meine Lachtränen ab.
“Ist denn noch etwas übrig..?”