PRESSE: Rassisten in Ostdeutschland bedrohen Wissenschaftsstandort..

Presse-Schau: Ein Artikel von morgen in zeit-online..bitte sehr – sehr empfehlenswert!!

Von Martin Spiewak | © DIE ZEIT, 16.07.2009 Nr. 30

Rassisten in Ostdeutschland bedrohen auch die Wissenschaft
Teilnehmer einer öffentlichen Trauerfeier für die im Dresdner Landgericht getötete Aegypterin Marwa El-Sherbini legen vor dem Rathaus Blumen nieder

© Sebastian Willnow/ddp
Eine Frau wird in einem deutschen Gerichtssaal ermordet – weil sie anders aussieht, weil sie ein Kopftuch trägt, weil sie eine Muslimin ist. Der Fall der Ägypterin, die vor zwei Wochen von einem Rechtsradikalen in Dresden erstochen wurde, kennt viele Opfer: Marwa al-Sherbiny selbst, die den Verletzungen noch am Tatort erlag; die Angehörigen der Toten, die eine Tochter und Mutter verloren haben; und den Ruf Deutschlands als weltoffenes Land.

Als gewissermaßen tragischen Kollateralschaden gibt es allerdings noch ein weiteres Opfer zu beklagen: die Wissenschaft. Denn der Ehemann der Ermordeten, der verletzt wurde, als er seiner schwangeren Frau zur Hilfe eilen wollte, arbeitet als Doktorand am Max-Planck-Institut (MPI) für Zellforschung in Dresden.

Elwi Ali Okaz gehört damit zu jener globalen Forscherelite, um die alle Industrieländer buhlen. Gerade Deutschland investiert viel Geld in Stipendien und Imagekampagnen. Hochrangige Regierungsvertreter preisen auf ihren Touren durch Asien, Afrika und Lateinamerika die guten Forschungsbedingungen hierzulande. Nun müssen sie sich darauf gefasst machen, nicht nur nach Besoldungsgruppen und Aufstiegschancen gefragt zu werden, sondern auch nach der persönlichen Sicherheit von Ausländern in (Ost)Deutschland.

Okaz ist nicht der erste ausländische Wissenschaftler in Ostdeutschland, der sich rechtsradikaler Gewalt erwehren musste. In Halle wurde ein Physiker koreanischer Abstammung in der Straßenbahn angegriffen. In der selben Stadt musste sich ein Forscher aus Äthiopien in der Innenstadt an einer Phalanx von Skinheads vorbeidrücken und einen Ellbogenstoß einstecken. Laut einer Studie der Universität Halle-Wittenberg schreckt der Ausländerhass in Sachsen, Thüringen und Brandenburg seit Jahren ausländische Fachkräfte ab.

Mittlerweile ist die Fremdenfeindlichkeit zum negativen Standortfaktor geworden. Mehr als zehn Prozent der befragten Firmen im Osten bejahen die Frage, ob Xenophobie betriebliche Entscheidungen beeinflusse. Auch die Max-Planck-Gesellschaft, bei der mittlerweile jede zweite neue Stelle aus dem Ausland besetzt wird, berichtet von Absagen hochkarätiger Forscher, die aus Gründen der Sicherheit nicht in einem Labor in Dresden oder Leipzig arbeiten wollen.

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Daher hilft das MPI für ethnologische Forschung in Halle seinen ausländischen Wissenschaftlern bei der Wohnungssuche, damit sie in sicheren Stadtteilen landen. Das MPI für Mikrostrukturphysik gibt Ausländern Taxigutscheine, damit sie sicher zum Institut kommen, das etwas außerhalb von Halle liegt.

Die Wissenschaftsorganisationen haben zum Glück die Brisanz des Dresdner Attentats sofort erkannt. Schneller als die Politik haben sie den Mord verurteilt und ihren Partnern in Ägypten kondoliert. Sie wissen: Nichts ist so international wie die Wissenschaft. Wenn ausländische Forscher nicht mehr nach Deutschland kommen, versinken unsere Universitäten und Forschungslabors in der Provinzialität.

Schlagworte: Ostdeutschland Wissenschaft

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Von Katana: Korrekt !!!!

Nur nutzlos es zu erwähnen , da hier fast alle damit beschäftigt sind diesen Mord zu instrumentalisieren oder auf die Muslime in Deutschland zu zeigen und sinngemäß „die machen das doch auch “ zu argumentieren . … […]»

Von mko_lutetia: Wieder ein Artikel der ein

Wieder ein Artikel der ein schlimmeres Bild über den den Osten malt, als es tatsächlich der Fall ist. … […]»

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