Allein ein verwaister Vater klagt an…und…
„rettet“ die trüb-zerbröselte Sendung.
PRESSE-SHOW : stern-Online, sehr gut!!
Der Amoklauf von Winnenden kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Im heraufziehenden Wahlkampf aber mag sich kein verantwortlicher Politiker der Großen Koalition äußern. Das ist ein Affront gegenüber den Familien der Opfer. Zu besichtigen bei Maybrit Illner, ZDF.
Der Amoklauf in Winnenden hat die Menschen verstört. Warum hat Tim K. 15 Menschen umgebracht? War er geisteskrank? Wäre die Tat zu verhindern gewesen? Und wenn ja – von wem und wie? Quälende Fragen. Die Eltern der Opfer haben in einem offenen Brief an die Politik Antworten geliefert. Sie fordern, den Zugang zu Waffen einzuschränken. Killerspiele zu verbieten. Den Medien die Gewaltdarstellungen auszutreiben. Damit sich Winnenden nicht wiederholen kann.
Ein Brief, der sich liest wie ein eine Handlungsanweisung. „Die Eltern fordern Konsequenzen – vergeblich?“ fragte ZDF-Talkerin Maybrit Illner am Donnerstagabend. Eingeladen waren Uwe Schünemann (CDU), Innenminister in Niedersachsen; Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen; Jürgen Triebel, Präsident des Verbandes deutscher Büchsenmacher Waffenfachhändler; Dagobert Lindlau, Publizist und Waffensammler; sowie Kilian Ricken, Student und langjähriger Zocker.
Winnenden trägt Trauer
Inhaltlicher Proporz
Allein die Gästeliste verrät, dass Illner ihre Frage (“ – vergeblich?“) richtig formuliert hatte. Von den Verantwortlichen in der Regierung wollte sich offenbar niemand der heiklen Debatte stellen. Selbst Koalitionspolitiker der zweiten Reihe blieben der Sendung fern. Ist ja auch unangenehm, sich mit den Sportschützen anzulegen. Oder den Millionen jugendlichen Zockern. Oder mit Journalisten. Es ist Wahlkampf, jede Stimme zählt, und das sind keine guten Zeiten für Zumutungen. Es sind die Zeiten blumiger Versprechen. Dafür aber eignet sich das grauenhafte Thema Winnenden nicht.
Also blieb für die Besetzung nur der inhaltliche Proporz, die klassisch öffentlich-rechtliche Abgewogenheit. Einer Pro, einer Contra. Schünemann gegen eine Änderung der Waffengesetze, Künast dafür. Kilian gegen ein Verbot von Killerspielen, Lindlau dafür. Gewaltdarstellungen in den Medien? Ach ja. Daran hatten sich wohl alle schon zu sehr gewöhnt. Das war kein großes Thema.
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Die Trauer des Vaters
Am Ende zerbröckelten die Worte und Argumente zu einem großen Haufen Schutt, auf dem Illner ziemlich hilflos saß. Das, was ihrer Sendung Kraft und Authentizität verlieh, waren nicht die Gäste. Es war das eingespielte Interview mit Hardy Schober, 46. Seine Tochter Jana, 16, starb in Winnenden durch einen Schuss in den Hinterkopf. Sie wurde ermordet, „abgeschlachtet“, wie es Schober nennt. Von Tim K.
Schober trägt einen schwarzen Anzug mit einer schwarzen Krawatte. Er ist in Trauer. „Die Eltern sind für mich eigentlich fast die Hauptschuldigen“, sagt er. Sie hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Und überhaupt: Wie kann es möglich sein, dass jemand so viele Waffen zu Hause hat? Schober ist verzweifelt. Es fällt ihm schwer zu reden, Tränen steigen in seine Augen. „Warum hat er kein Gewissen gehabt?“, fragt er. Das sei etwas, das ihn seither beschäftigt. Tim K. habe seine Tochter und ihre Freundin „wahllos hingerichtet“. „Kinder sind doch sowas herrliches.“ Da wird auch Illners Stimme zittrig. Was sein größter Wunsch sei? „Das so was nie wieder passiert. Nie wieder.“
Vielleicht hat Wolfgang Schäuble die Sendung ja zumindest gesehen.
Mitarbeit: Lutz Kinkel
Artikel vom 27. März 2009