„Es sind zu viele gestorben“ (veröffentlicht am 27. März 2009 auf badische-zeitung.de) :
27. März 2009
„Es sind zu viele gestorben“
Das nennt man wohl einen Paukenschlag. Just an dem Tag, an dem die Vertreter der 140 000 deutschen Kassenärzte über die Form ihrer Interessenvertretung berieten, meldete sich ein führender Funktionär der Ärzteschaft mit massiver Kritik zu Wort.
Der Chef der Kassenärzte-Vereinigung (KV) Bayerns, Axel Munte, erklärte der Süddeutschen Zeitung, dass die Interessenvertretung der niedergelassenen Mediziner (es gibt 17 regionale KV sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV) nur noch ein Sinnbild des gierigen Arztes sei. Er schäme sich für eine Standesvertretung, die immer nur nach mehr Geld schreie, damit sich der Patient dafür Qualität kaufen könne. Munte meint, dass gute Mediziner mehr verdienen sollten als mittelmäßige. Schlechte Qualität gefährde das Leben von Patienten: „Es sind schon zu viele gestorben“. Ein miserableres Zeugnis hätte ein Spitzenvertreter des KV-Systems eben diesem System nicht ausstellen können. Immerhin sagt Munte ja, dass ein falsches Honorarverfahren (und dafür ist das System zuständig) zum Tod von Menschen geführt habe.
Entsprechend empört fiel denn gestern auch die Reaktion aus. Die bayerische Ärztekammer erklärte, dass Muntes Behauptung ein Schlag ins Gesicht aller Mediziner sei. Völlig überraschend ist sie auf jeden Fall. Immerhin steht Munte seit Anfang 2001 an der Spitze der KV Bayern. Wie glaubwürdig ist es also, wenn er jetzt plötzlich von der Gefahr für Leib und Leben von Patienten spricht? Dass Muntes Philippika dem KV-System den Todesstoß versetzt, ist jedenfalls nicht zu erwarten. Zwar gibt es gerade in Baden-Württemberg und Bayern viele Ärzte, die sich eher vom Hausärzteverband oder dem Medi-Verbund eine starke Vertretung ihrer Anliegen versprechen. Diese Skepsis gegenüber KV und KBV ist auch gewachsen, nachdem es zu Jahresbeginn gerade im Süden zu massiven Protesten gegen die Reform der ärztlichen Vergütung kam.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat sich am Donnerstag gegen die Abschaffung des KV-Systems ausgesprochen. Dass sie dies just an dem Tag tat, an dem die Mitglieder der KBV-Vertreterversammlung über die Zukunft ihrer Organisationen beriet, war bestimmt kein Zufall. Entsprechend erleichtert werden die Vertreter gewesen sein. In einer Deklaration betonen sie, dass KV und KBV eine verlässliche Interessenvertretung der niedergelassenen Mediziner und Psychotherapeuten sein wollten.
Allerdings ist weder mit dieser Willensbekundung noch mit Schmidts Erklärung eine Garantie für die Ewigkeit verbunden. So macht sich inzwischen die CSU für die Abschaffung von KV und KBV stark. Und wie sehr gerade im Süden der Republik bei vielen Medizinern der Rückhalt für die traditionelle Form der Interessenvertretung schwindet, kann der Vertreterversammlung nicht entgangen sein.
Autor: bwa