PRESSE-SHOW- Ausschnitt aus: zeit-online vom 4. 11. 08
Hessen-SPD
„Ypsilanti wurde öffentlich hingerichtet“
© ZEIT ONLINE 4.11.2008 – 15:56 Uhr
Schlagworte: Cdu Spd Hessen
Der hessische SPD-Abgeordnete Turgut Yüksel spricht über die vier Abweichler, die Rot-Rot-Grün verhindert haben, Führungsfehler und den Zorn in seiner Partei
Die vier hessischen SPD-Abgeordneten, die Ypsilanti verhindert haben: Dagmar Metzger, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts (v.l.)
© Thomas Lohnes/ddp
Turgut Yüksel, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, wollte eigentlich heute Mittag – gemeinsam mit seinen Fraktionskollegen, den Grünen und den Linken – Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen. Stattdessen sitzt er nun in seinem Wiesbadener Abgeordnetenbüro und kann sich über den unverhofft freien Tag nicht freuen. Als er die Tür öffnet, verschickt einer seiner Mitarbeiter gerade eine Pressemitteilung. Auf ihr steht, dass das Verhalten der vier SPD-Abweichler „menschlich unanständig und hinterlistig“ gewesen sei.
ZEIT ONLINE: Herr Yüksel, wann haben Sie erfahren, dass die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin ins Wasser fällt?
Yüksel: Gestern um 10:30 Uhr rief mich mein Mitarbeiter an und hat es mir erzählt.
ZEIT ONLINE: Wie war ihre Reaktion?
Yüksel: Ich war fassungslos und empört.
ZEIT ONLINE: Hatten Sie denn keine böse Vorahnung? Ihr Parteivize Jürgen Walter hatte ja in seiner Rede auf dem Landesparteitag am Wochenende ja schon gesagt, dass er den Koalitionsvertrag ablehnt.
Yüksel: Tief im Inneren gab es eine Angst, dass es noch scheitern könnte. Ich konnte aus Walter nicht schlau werden. Aber an sich war ich optimistisch eingestellt, weil er in der Fraktion immer gesagt hat, dass er den Weg mitgehe, wenn der Parteitag sich dafür entscheidet.
ZEIT ONLINE: Sind Sie von den vier Abweichlern persönlich enttäuscht?
Yüksel: Natürlich bin ich wütend. Bis auf Frau Metzger haben alle drei bei der Probeabstimmung im September mit „Ja“ gestimmt. Alle haben gesagt, sie richten sich nach den Parteitagsbeschlüssen. Sowohl auf dem Parteitag in Rotenburg als auch in Fulda gab es eine Mehrheit von mehr als 95 Prozent für die Koalition mit den Grünen und die Tolerierung durch die Linken. Hinzu kommt, dass alle am Koalitionsvertrag mitgearbeitet haben. Walter war in der Verhandlungsgruppe. Er rächt sich jetzt dafür, dass er nicht Wirtschaftsminister geworden ist. Everts hat den Kriterienkatalog mitgeschrieben, an den sich die Linkspartei halten musste.
ZEIT ONLINE: Gestern sagte Frau Everts, sie habe insgeheim gehofft, die Linkspartei würde diesen Katalog ablehnen.
Yüksel: Sie beruft sich jedes Mal darauf, promovierte Politologin zu sein und sich mit dem Extremismus gut auszukennen. Aber welches Demokratieverständnis steckt denn dahinter, wenn man solche Scheinangebote formuliert? Das hat mit „Moral und Gewissen“ nichts zu tun. Auf diese Tugenden hat sie sich ja gestern berufen. In Wahrheit ist das Verarschung und Missachtung der Parteitagsbeschlüsse.
ZEIT ONLINE: Angeblich hat Frau Ypsilanti die Abweichler kein einziges Mal persönlich gesprochen oder vorher gefragt, ob sie sie mitwählen.
Yüksel: Es ist infam zu sagen, es habe kein Gespräch gegeben. Auf Nachfrage musste Frau Everts selbst einräumen, dass sie doch 25 Minuten mit Frau Ypsilanti gesprochen hat. Tatsächlich haben die vier gestern Morgen das Gespräch mit Ypsilanti verweigert. Stattdessen haben sie die Presse frühzeitig informiert und ihre Parteichefin öffentlich hingerichtet. Ich glaube ihre Gewissensbisse nicht, da steckt etwas anderes dahinter.
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