Spuren der Vergangenheit…
Mitten in Zagreb
kamen heute
der Verleger und Journalist Ivo Pukanic
und sein Marketing-Chef
Nico Franjic
bei einem Bombenattentat
ums Leben.
Pucanic, dem die Zeitung NACIONAL gehörte,
wurden enge Kontakte
zu hohen Politikern und der MAFIA vorgeworfen.
Gleichzeitig, und das klingt widersprüchlich,
steht sein Blatt für
investigativen Journalismus..
Bereits vor 6 Monaten
sei Pucanic nur knapp
einem Anschlag entgangen,
habe daher bis vor kurzem
unter Polizeischutz gestanden.
Während die Polizei behauptet,
Pucanic selbst hätte inzwischen
auf Polizeischutz verzichtet,
wird anderenorts argumentiert,
die Polizei selbst sei es gewesen,
die Pucanic sogar dazu gedrängt hätte,
auf Polizeischutz zu verzichten.
Schon Anfang des Monats Oktober
hatte ein anderer Mordfall
Kroatien erschüttert:
Am 6. Oktober
war die 26jährige Anwaltstochter Ivana Hodak
am hellichten Tag
im Zentrum Zagrebs ermordet worden.
Die Rechtspraktikantin sei
in einem Hausflur aus unmittelbarer Nähe
mit mehreren Schüssen
regelrecht hingerichtet worden.
Die Ermordung Ivana Hodaks
hatte zu spontanen Protestdemonstrationen
überall in Kroatien geführt.
Von niemandem speziell organisiert.
Durch eine Internet-Mitteilung informiert,
gingen die Menschen auf die Straßen.
Darunter auch Künstler,
Schriftsteller, Schauspieler.
Sie forderten die sofortige Auflösung der Regierung.
Staats-Chef Ivo Sanader trat
jedoch nicht zurück.
Sondern feuerte den Innenminister,
die Justizministerin
und den Polizeichef des Landes.
Sanader kündigte einen großangelegten Kampf
gegen die Mafia,
das insgesamt Organisierte Verbrechen,
und den Terrorismus an.
Nun war Ivanas Vater
nicht irgendein unbekannter Anwalt.
Sondern er vertritt Ex-General Vladimir Zagorec,
der vor kurzem von Österreich
an die kroatische Justiz ausgeliefert worden war.
Während die Frage
nach dem Mordmotiv im Raum steht,
erwartet die Öffentlichkeit
Ergebnisse bei der Suche nach dem Täter.
Wie ihre Eltern war Ivana Hodak in der
kroatischen Öffentlichkeit sehr bekannt.
Ihre Mutter, Ljerka Mintas-Hodak,
war bis vor acht Jahren
Vize-Regierungschefin
und stellvertretende Chefin von Sanaders Partei HDZ
(Kroatische Demokratische Gemeinschaft).
Beim ersten Parteitag
nach dem Tod des ehemaligen HDZ-Chefs
und Staatspräsidenten Franjo Tudjman im Mai 2000
galt Mintas-Hodak als Favoritin
für seine Nachfolge an der Spitze der konservativen Partei,
sie zog aber gegenüber dem jetzigen
Premier den Kürzeren.
Zwei Jahre später trat sie aus der HDZ aus
und zog sich aus dem politischen Leben zurück.
Der Vater der 26-jährigen Ivana Hodak,
Zvonimir Hodak,
ist seit Jahrzehnten
einer der bekanntesten Anwälte in Zagreb.
Als der frühere stellvertretende Verteidigungsminister
und Tudjman-Vertraute Zagorec
sein Mandant wurde,
steigerte sich dieser Bekanntheitsgrad noch mehr.
Die Ermordete selbst
war im Gegensatz zu ihren Eltern
und allgemein der Jeunesse d’oree Kroatiens
fast nie in den Medien präsent.
Diese spekulieren am Tag nach der Tat
über zwei Gründe für den Mord an der jungen Frau,
die sie für möglich halten.
Angeblich habe die Rechtspraktikantin
vor einigen Woche den kroatischen Generalstaatsanwalt Mladen Bajic
getroffen und ihm Namen von Personen genannt,
die während des Kroatien-Krieges (1991-95)
bei Waffengeschäften profitierten.
Es handle sich dabei angeblich um zwei Unternehmer
und einen General.
Ex-General Zagorec wird vorgeworfen,
dem Staat gehörende Edelsteine
im Wert von fünf Millionen Dollar (3,42 Mio. Euro) veruntreut zu haben.
Zagorec war während des Krieges
für die Beschaffung von Waffen zuständig.
Dabei wurde das für Ex-Jugoslawien geltende
UNO-Waffenembargo umgangen.
Später stieg Zagorec
zum zweiten Mann
im Verteidigungsministerium auf,
musste diesen Posten aber
nach der Abwahl der langjährigen Staatspartei HDZ
im Jahr 2000 räumen.
In jenem Jahr zog er nach Österreich,
wo er mehrere Firmen gründete.
Er avancierte mit einem geschätzten Vermögen
von mehr als 26 Mio. Euro
zu einem der reichsten Kroaten.
Das Auslieferungsverfahren gegen sich in Österreich
hatte Zagorec als politisch motiviert bezeichnet.
Seine Anwälte argumentierten vor dem Wiener Landesgericht zudem,
sein Leben sei
„von diversen Clans“
in seiner Heimat bedroht.
Nach eineinhalbjährigem juristischem Tauziehen
wurde Zagorec schließlich Anfang Oktober 2008
an seine Heimat überstellt.
Bei seinem ersten Auftritt
vor einem Zagreber Gericht schwieg Zagorec.
Sollte er sein Insiderwissen
über die kroatische Politik der 1990er Jahre preisgeben,
könnte dies hochrangigen Vertretern
der seit 2003 wieder regierenden HDZ womöglich unangenehm werden.
Ein anderes Motiv – Ivanas Privatleben:
Ein weiteres Mordmotiv,
über das in Kroatien spekuliert wird,
betrifft den Verkauf von Immobilien,
die Zagorec in Kroatien besitzt.
Vor etwa einem Monat
beendete Ivana Hodak ihr Verhältnis mit Ivor Vucelic,
der mit ihrem Vater
über den Verkauf der Zagreber Liegenschaften verhandelt hatte.
Der Anwaltssohn Ljubo Pavasovic Viskovic
wurde ihr neuer Freund.
Dessen Vater wiederum ist Rechtsbeistand von Hrvoje Petrac,
einem wichtigen Belastungszeugen
im kroatischen Prozess gegen Zagorec,
der derzeit wegen der Entführung von Zagorecs Sohn
im Gefängnis sitzt.
Laut kroatischen Medien
war durch die Entwicklungen im Privatleben von Ivana Hodak
ein Deal im Wert von 300 Millionen Kuna (42,1 Mio. Euro) in Gefahr.
Die Lösung des Mordfalls ist nun die Hauptaufgabe
der neuen Minister Tomislav Karamarko (Inneres)
und Ivan Simonovic (Justiz)
sowie des neuen Polizeichefs Vladimir Faber.
Rund 30 Personen wurden unmittelbar nach der Tat verhört;
verhaftet wurde bisher niemand.
Ob vom heutigen Attentat eine Verbindung
zum Mord an Ivana Hodak führt
sind jene wilden Spekulationen,
die sich beinah zwangsläufig..
aufdrängen.
Aber dazu müßte man mehr wissen.
Wer wen wann kannte
und wie gut.
Quellen für den Text:
apa/tan/kurier.at