Presse-Schau-Quelle: n-tv.de
Mittwoch, 14. Mai 2008
Totalversagen der Junta
Neuer Zyklon droht
Knapp zwei Wochen nach dem verheerenden Zyklon „Nargis“ droht dem schwer verwüsteten Birma schon wieder ein Wirbelsturm. Das teilten die Vereinten Nationen in Bangkok mit. UN-Sprecherin Amanda Pitt sagte, die Neuigkeiten stammten von dem Vereinten Taifun-Zentrum, das zum UN-Meteorologie-Zentrum gehört.
Ein weiterer Zyklon bilde sich derzeit in der Region, sagte sie. Noch könne nicht gesagt werden, wann der Sturm zu einem vollen Zyklon heranwachsen und wo er auf Land treffen wird. Es sei aber wahrscheinlich, dass es einen neuen Zyklon gebe. „Das ist furchtbar“, sagte Pitt.
Opfer werden alleingelassen
In Birma warten unterdessen noch immer Überlebende auf die ersten Hilfslieferungen. Privatleute aus der Hafenstadt Rangun sind inzwischen mit ihren eigenen Autos im Süden unterwegs und verteilen Wasserflaschen und Kekse. Das zeigte ein BBC-Reporter, der eine Kamera in das für Ausländer gesperrte Gebiet geschmuggelt hatte. Von der Armee, die darauf besteht, die verheerende Krise allein zu meistern, fehlte auch am 11. Tag nach dem Unglück in der Region jede Spur. Die Militärjunta geht weiter von gut 60.000 Toten und Vermissten aus. 34.000 sind offiziell als tot gemeldet. Die Zahlen der Junta sind jedoch nicht verlässlich. Die UN gehen von rund 100.000 Toten aus.
Der Geschäftsmann, der mit seinem eigenen Auto in das Irrawaddy-Delta gefahren war, sagte der BBC, seine Mitarbeiter hätten aus ihren eigenen bescheidenen Mitteln ein paar hundert Dollar gespendet. Er habe dafür in Rangun Wasser und Kekstüten gekauft und sei in Richtung Süden losgefahren. Einige private Helfer sollen an Straßensperren zurückgeschickt worden sein, mit dem Hinweis, dass Hilfe nur durch das Militär erfolgen dürfte. Der Reporter zeigte an anderer Stelle eine lange Reihe blauer Zelte, die die Armee aufgestellt hatte – weit und breit war allerdings kein Mensch zu sehen. Etwa eine Stunde weiter drängten sich dagegen Hunderte Überlebende in den Hof eines Klosters. Die Regierung hatte nach Angaben der Mönche bis Mittwoch einen Sack Reis dorthin geliefert.
Nach tagelangen Verzögerungen haben die birmanischen Behörden asiatischen Katastrophenexperten grünes Licht zur Einreise gegeben. Die südostasiatische Staatengemeinschaft (ASEAN) wollte in den nächsten Tagen ein Erkundungsteam losschicken, teilte die Organisation mit, die Birma zu ihren Mitgliedern zählt. Auch in Singapur erhielten sechs Mitarbeiter von zwei Hilfsorganisationen Einreisevisa. Einige wenige Mitarbeiter der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen durften ins Land, allerdings nicht in das Katastrophengebiet.
Ohne Dach im strömenden Regen
Eine der wenigen, die dies schaffte, war die Chefin der Rotkreuz-Delegation in Birma, Bridget Gardner. Sie beschrieb die Situation im überschwemmten Delta nach einer zweitägigen Tour als „überwältigend“. In der verwüsteten Stadt Labutta säßen 10.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf im strömenden Regen. In Myaumya wurde mit den ersten Plastikplanen des Roten Kreuzes das Dach des Krankenhauses notdürftig abgedeckt. „Die Menschen haben sich während des Zyklons an Bäume geklammert“, berichtete Gardner in einer Erklärung, die in Genf veröffentlicht wurde. „Die peitschenden Winde mit Sand und Schmutzwasser rissen ihre Haut wie mit Schmirgelpapier auf.“ Die Wunden müssten dringend behandelt werden, damit sie sich nicht entzünden.
Die EU appellierte am Dienstag bei einem Krisentreffen in Brüssel erneut an die Junta, das Land für internationale Helfer zu öffnen. Sie hoffen darauf, dass auch der UN-Sicherheitsrat sich mit Birma befasst. „Die UN-Charta eröffnet einige Wege“, sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana. Deutschland kündigte unterdessen an, die Hilfe für die Opfer von zwei auf vier Millionen Euro zu verdoppeln.
Kaum Spenden
Das private Spendenaufkommen für Birma ist bislang gering, sagten Sprecher der großen Hilfsorganisationen der „Frankfurter Rundschau“. Die Spender seien misstrauisch, ob das Geld den Menschen in dem abgeschotteten Land auch wirklich helfe. So stünden die aktuell bei der Caritas eingegangenen Spenden von knapp 100.000 Euro „in keiner Relation“ zur benötigten Hilfe, wird Achim Reinke von Caritas International zitiert. „Das reicht gerade mal für 1.500 Zeltplanen.“ Bald beginne in Birma die Regenzeit, und man wolle bis Ende dieser Woche 50.000 Menschen erreichen. „Wir finanzieren das aus unseren Beständen“, sagte Reinke.
„Kein Niemandsland“
Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen erhält viel weniger Spenden als etwa bei der Tsunami-Katastrophe 2004. Nur „mehrere tausend Euro“ habe man bislang bekommen, sagte ein Sprecher. Beim Roten Kreuz waren es bis Dienstag erst 280.000 Euro Spendengeld.
Die Hilfsorganisationen widersprachen dem Eindruck, dass die Hilfe nicht ins Land komme. „Unsere einheimischen Mitarbeiter waren ab dem ersten Tag im Einsatz“, sagte Caritas-Sprecher Reinke. Sie hätten Leichen geborgen, Wasser gekauft, sowie Decken und Nahrungsmittel für die Überlebenden bereitgestellt.
Simone Pott, Sprecherin der Welthungerhilfe, sagte der Zeitung, ihre Organisation habe sofort Reis und Notunterkünfte verteilen können. Zwar könne man nicht mit Fahrzeugflotten anrücken, aber man unterstütze „einheimische Organisationen, die gute Arbeit machen“. Anders als derzeit medial vermittelt, sei Birma für Helfer „kein Niemandsland“. Ein gutes Dutzend ausländischer Organisationen sei dort seit Jahren tätig, die Welthungerhilfe beispielsweise seit 2002.