Nach schweren politischen Rückschlägen übernimmt der Technokrat Olaf Scholz mit dem Arbeitsministerium sein Wunschressort.
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Traumjob für den „Scholzomaten“
von Jens Tartler
Als ministrabel gilt er schon länger, doch jetzt kommt sein Aufstieg überraschend. Nach schweren politischen Rückschlägen übernimmt der Technokrat Olaf Scholz mit dem Arbeitsministerium sein Wunschressort.
Die Wege von Olaf Scholz und Franz Müntefering kreuzen sich immer wieder. 2002 wird Scholz als Nachfolger Münteferings SPD-Generalsekretär. Nach der Bundestagswahl 2005 schlägt der damalige SPD-Chef den Rechtsanwalt als Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer vor. Jetzt übernimmt Scholz das Arbeits- und Sozialministerium von Müntefering. „Olaf ist von seiner fachlichen und politischen Arbeit her immer sehr nah an dem Thema mit dran“, sagt Müntefering über seinen Nachfolger.
Zäher Genosse: Olaf Scholz kämpfte sich nach einem Karrieretief 2004 langsam wieder zurück in das Führungsteam der SPDDer vordergründige Anlass für den Wechsel – die schwere Erkrankung von Münteferings Frau – war für Scholz nicht absehbar. Doch mit dem Gedanken, irgendwann am Chefschreibtisch im Arbeitsministerium zu sitzen, musste Scholz sich in den vergangenen Wochen immer wieder befassen. Während des Machtkampfs zwischen Müntefering und SPD-Chef Kurt Beck um das Arbeitslosengeld I wurde Scholz als einziger ernst zu nehmender Nachfolgekandidat gehandelt, falls Müntefering schon damals zurückgetreten wäre. Die neue SPD-Vize Andrea Nahles würde sich das Amt zwar auch zutrauen, für sie wäre der Wechsel aber noch zu früh gekommen.
Auch wenn die Umstände unerfreulich sind – für den 49-jährigen Scholz ist das Amt ein Traumjob. Der Jurist ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und hat eine Affinität zur Sozialpolitik. Schon vor Jahren wühlte er sich freiwillig in die Details der Riester-Rente hinein. Und wer mit ihm über Rentenanwartszeiten, Arbeitslosengeld I oder das Schonvermögen von Hartz-IV-Empfängern diskutieren will, muss sehr gut vorbereitet sein.
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Diesen Artikel jetzt anhören Dass Scholz schnell und scharf denkt, werden ihm auch politische Gegner nicht absprechen. Defizite hat er an anderer Stelle: Seine manchmal beißende Ironie, im schnoddrigen Hamburger Tonfall vorgetragen, wirkt auf einige seiner Mitmenschen verletzend. Er selbst ist dagegen sehr angetan von seinem Humor.
Dass er eher kühl als einnehmend wirkt, hemmte ihn auch in seiner Zeit als SPD-Generalsekretär. Es war sicherlich kein leichter Job, die unpopulären Agenda-Reformen von Kanzler Gerhard Schröder zu verkaufen. In der Partei nörgelten aber viele, Scholz trete wie ein Regierungssprecher auf und nicht wie ein echter Sozialdemokrat. Seine manchmal technokratische Rhetorik brachte ihm damals den Spottnamen „Scholzomat“ ein. Auf dem Bochumer Parteitag 2003 bekam er blamable 52,6 Prozent. Im Jahr darauf trat er als Generalsekretär zurück und gab anschließend auch den Vorsitz der Hamburger SPD auf – der Tiefpunkt seiner politischen Laufbahn.
Doch der Mann, dem Schröder einst Kanzlerfähigkeiten zugesprochen hatte, kämpfte sich mit der Zähigkeit wieder nach oben, die ihn auszeichnet. Im Visa-Untersuchungsausschuss taktierte er als Obmann geschickt und wendete so noch größeren Schaden vom damaligen Außenminister Joschka Fischer und der rot-grünen Koalition ab. Seine Raffinesse im Umgang mit Geschäftsordnungen und Anträgen machte den Juristen zum idealen Kandidaten für das Amt des Fraktionsgeschäftsführers.
Die Exekutive ist für Scholz aber auch nicht neu: In Hamburg war er Innensenator – wenn auch nur von Mai bis Oktober 2001. Dann wurde die rot-grüne Koalition dort abgewählt. Scholz, in Osnabrück als Sohn eines Textilkaufmanns und einer Verkäuferin geboren, ist dem Arbeiterviertel Hamburg-Altona immer treu geblieben. Als stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos unterstützte er den marxistischen Flügel. Seinen Aufstieg ins Kabinett hat das nicht verhindert.