Es handelt sich um das inzwischen höchstrichterliche Weiterhin-Verbot von Max Billers Roman „ESRA“. Seine Ex-Freundin und deren Mutter hatten das Verbot erwirkt. Begründung: Sie seien leicht erkennbar, in dem Roman.
DAS VIELSEITIGE UNBEHAGEN.
In diesem Land ist das Hinterherlaufen gerne üblich. Auch hinter einer Meinung.
Wenn sie denn nur laut und langanhaltend genug dargestelllt wird und – von den „richtigen“ Leuten.
Was aber ja nicht automatisch impliziert, dass diese Ansichten die allein-gültigen oder gar-seligmachenden sind oder sein müssen.
Wir haben oft und immer wieder darüber diskutiert und nicht nur „unter Frauen“ – : was es wohl bedeutete, wenn der Ex-Geliebte plötzlich aus bitterer Rachsucht dann noch in Buchform…“auspackt“…
Seinerzeit, bei der Schriftstellerin Karin Struck, wurde das noch arg moniert. Ihr Roman über die Ex-love-Story mit einem Ex-Knacki. Aber sie ist ja wohl nicht so weit gegangen, mit dem Ausbreiten des Eingemachten, wie es offenbar im Fall „Esra“ geschieht? von Max Biller.
Keines ihrer Bücher wurde verboten.
Das anfangs angesprochene Unbehagen setzt sich aus diversen Mosaik-Stückchen des Fühlens und (Nach-)Denkens zusammen:
Der Autor wird dadurch beschädigt, dass durch die gerichtlichen Schlammschlachten der Eindruck entsteht, der Autor beschreibe primär sein ganz Privates mit der Ex, die offenbar ihn verlassen hat.. und dann auch noch Harabziehendes über deren Mutter: muß ja, so der Eindruck, ne ganz üble Person sein, und noch übler dargestellt…
Das wirft damit fast automatisch ein schräges Licht auf den Autor: Der sich nun auch nicht rechtfertigen kann…und darf…:
Handelt es sich also bloß um ein Rache-Traktat? Dazu angetan, das Leben von zwei Frauen ihres Privatseins zu berauben?
Oder sind das négligeable Mini-Exzesse, innerhalb eines Werkes, das ja nicht wenige Seiten zählt?
Und wird uns damit in Wirklichkeit, durch das Verbot der Veröffentlichung, nicht unsere eigene Meinung total beschnitten?
Indem wir uns selbst gar kein Urteil bilden können, weil nicht dürfen?
Und – darf das sein, hier und heute, und vor allem „in this country“ – der Bücherverbrennungen, einst?<
Gleichwohl….lässt sich der andere immerwiederkehrende Gedanke…nicht einfach so verdrängen:
Wo kämen wir hin, und was hätte es denn wirklich mit der „Freiheit der Kunst“ auf sich, wenn die Literatur mit der Klatschspalte der Yellow-Press verwechselt würde?
Und muß man nicht dieses Urteil, so gesehen, als einen Schutz betrachten, vor allzu wild-gewordenen Ex-Freunden oder Ex-Freundinnen??
Sicher beruht die Mehrzahl der Romane auf Verknüpfungen zum und mit dem wahren Leben, sind nicht nur erfunden, die „Plots“.
Aber – es kommt darauf an, wie man sie verarbeitet.
Wenn es sich bei der/dem Verflossenen dann auch noch um offenbar Menschen des öffentlichen Lebens handelt, also leichter erkennbar, leichter enttarnbar, als „jene Nachbarin, einst, aus dem Dorf xyz“…, dann scheint mir, entgegen allen anderslautenden Empörungen derzeit, die Entscheidung des obersten Gerichtes gerechtfertigt.
Es geht dabei nicht um die Beschädigung der Freiheit der Kunst.
Es geht um den Schutz von Menschen.
Und ein Mensch sollte doch immer noch mehr wert sein, als wohlfeile..??? Ergüsse der Rache und Geschmacklosigkeiten…? die sich unter dem Mäntelchen der vermeintlichen Kunstfreiheit … und ja, damit wäre ich schon wieder am Anfang und auch am Ende: Was ist Geschmack und was ist geschmacklos? Ist darüber verhandelbar? Es muß um mehr gehen. Geschmackloses allein wird nie verboten…. Aber was ist es dann? Und warum soll dies wiederum allein von Richtern beurteilt werden? Und.. uns als unmündig auf diese Weise abwertend? Wie Kinder, denen man sagt, das ist noch nichts für dich…???
Ja, das Unbehagen bleibt.
Dennoch möchte wohl keine und keiner, dass seine Liaison mit einem Schriftsteller/einer Schriftstellerin, hinterher als ein Buch erscheint, das die vermeintlich intimsten Momente ….der Beziehung…. dann als Abarbeitung, um nicht zu sagen ‚Abrechnung‘ nach dem Aus undechiffriert.. ver-öffentlicht.
Und dich entsprechend bloß-stellt. Ohne, dass du dich zunächst dagegen zur Wehr setzen kannst. Was raus ist, ist draußen!
Statt der Anklagen gegen die Justiz…jetzt, schadet zuweilen ja auch ein Funken Selbstkritik nichts: Sorgsamer mit einem heiklen Stoff umgehen..???? Oder …ihn ein paar Jahre in der Schublade wüten lassen….? Bis er sich…abgekühlt hat? Und dann noch mal drangehen…?