Jeder 3. Deutsche findet seine Arbeit gräßlich/Studie/ 9/07

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Quelle – spiegel-online/Agenturen.
Quelle: spiegel-online vom 11.9.07

GEWERKSCHAFTSSTUDIE
Jeder Dritte findet seine Arbeit schrecklich
Von Hasnain Kazim

Miese Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen und kaum Aufstiegschancen: Jeder dritte Beschäftigte in Deutschland ist laut einer Gewerkschaftsstudie unzufrieden mit seiner Firma. Vor allem Zeitarbeiter sind frustriert.

Hamburg – „Gut ist eine Arbeit, die den Ansprüchen der Beschäftigten gerecht wird“, lautet die Definition des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Für seine Studie befragte er mehr als 6000 Arbeitnehmer und erstellte den „DGB-Index Gute Arbeit“, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Künftig soll dieser Index einmal im Jahr veröffentlicht werden.

DPA
Zimmermann (in Frankfurt am Main): Zeitarbeiter bewerten ihre Jobsituation besonders schlecht
„Wer kann die Arbeitsbedingungen in Deutschland am besten beurteilen, wenn nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst?“, fragt DGB-Chef Michael Sommer im Vorwort der ersten Studie. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage ist ernüchternd: Die Beschäftigten vermissen die Wertschätzung ihrer Arbeit, bemängeln fehlende Kollegialität, sehen kaum berufliche Entwicklungschancen und fühlen sich von Vorgesetzten alleingelassen.

Sozialforscher des DGB sowie externe Experten erstellten einen Index von 0 bis 100 Punkten. Bewertungen von 80 bis 100 Punkten sprechen für „gute Arbeit“, Werte zwischen 50 und 80 Punkten werden als „mittelmäßige Arbeit“ qualifiziert und Werte unter 50 Punkte machen „schlechte Arbeit“ aus. In die Bewertung flossen unterschiedliche Faktoren ein wie Qualifizierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Chancen, die eigene Kreativität einzubringen, Informationsfluss, Führungsqualität der Vorgesetzten und Kollegialität, aber auch körperliche und emotionale Anforderungen sowie Arbeitsplatzsicherheit und das Einkommen.

„Sie leben in großer Unzufriedenheit über ihre Zukunft“

Gut ein Drittel, 34 Prozent der Beschäftigten, stuften ihre Arbeitssituation als schlecht ein. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dieser Gruppe angehören, haben in der Regel hohe Belastungen (wie Mangel an Respekt, körperliche Schwerarbeit, einseitige Belastungen oder emotionale Überforderung) auszuhalten, dabei aber kaum Entwicklungsmöglichkeiten in ihrer Arbeit“, heißt es in der Studie. „Sie erhalten ein Einkommen, das weder ihren Leistungen angemessen ist noch ihren Bedürfnissen gerecht wird, und leben häufig in großer Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft.“

Mehr als die Hälfte, nämlich 54 Prozent, bewerten ihre berufliche Lage als mittelmäßig. „Häufig sind den Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten enge Grenzen gezogen, dafür sind sie etlichen belastenden körperlichen und emotionalen Anforderungen ausgesetzt. Die Arbeitsbedingungen bergen wenig Entwicklungs- und Lernförderliches, es fehlt an einem unterstützenden Führungsstil, die Einkommensbedingungen sind unzureichend, auch die Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft belastet die Beschäftigten“, schreiben die Wissenschaftler.

Nur zwölf Prozent sind zufrieden mit ihrer Arbeit – einer unter acht Beschäftigten. Hier kommt die Studie zu dem Schluss, dass diese Menschen ein „hohes Maß an Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten, eine sinnhaltige Arbeit, wenige körperliche und emotionale Belastungen, ein angemessenes Einkommen samt einem hohen Grad beruflicher Zukunftssicherheit, ein unterstützendes, entwicklungs- und lernförderliches Arbeitsorganisations-Umfeld“ haben.

„Geprägt von Zeitdruck und schweren Belastungen“

Insgesamt erreicht der Index einen Durchschnittswert von 58 Punkten – nur acht Punkte oberhalb der Grenze zur schlechten Arbeit, aber 22 Punkte von der Messlatte für gute Arbeit entfernt. Dies sei ein Ergebnis, das „große Defizite und ein erhebliches Verbesserungspotential signalisiert“, heißt es in dem Papier.

Fazit der Forscher: „Die Arbeitswelt der abhängig Beschäftigten in Deutschland ist eine Welt großer Unterschiede. Dieser Befund ergibt sich aus der großen Spannbreite der Wertungen, mit denen die Beschäftigten ihre Arbeitssituation beschreiben.“ Besorgniserregend sei das Ergebnis, heißt es aus dem DGB, weil die Gruppe, die unter schlechten Arbeitsbedingungen zu arbeiten habe, dreimal so groß sei wie die derjenigen, die zufrieden sind mit ihrem Job.

Vor allem Zeitarbeiter gaben ihrer Arbeitssituation schlechte Noten. Sie fühlten sich schlecht in den Betrieb integriert und sahen kaum eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Auffällig ist auch, dass niedrige Einkommen und schlechte Arbeitsbedingungen häufig zusammenfallen. „Die Schlechtbezahltesten haben ihre Arbeit auch unter den schlechtesten Arbeitsbedingungen auszuführen“, heißt es.

„Der berufliche Alltag ist geprägt von Arbeits- und Zeitdruck, körperlich einseitiger oder schwerer Arbeit oder schweren emotionalen Belastungen“, sagte DGB-Chef Sommer heute bei der Vorstellung des Index. „Für jede Tätigkeit lassen sich Bedingungen schaffen, durch die sie zu einer guten Arbeit wird“, mahnte er an. Die Befragung belege außerdem „miese Bedingungen im Niedriglohnsektor“. Sommer, der den Index gemeinsam mit IG-Metall-Chef Jürgen Peters und Ver.di-Chef Frank Bsirske präsentierte, forderte, die Entlohnung müsse sich durch einen gesetzlichen Mindestlohn ebenso verbessern wie die Arbeitsbedingungen insgesamt.

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