PRESSE-SCHAU: Theaterstück über deutsche Ausländerpolitik

Als 18jähriger ausgewiesen, als Lehrer jetzt in diesem Land staatsangestellt. „VERSTECK“ heißt das Theaterstück, das derzeit in Köln Furore macht.

Quelle: Kölner Stadtanzeiger – www.ksta.de
In der Ferne so nah

VON MICHAEL AUST, 04.03.07, 20:03h, AKTUALISIERT 04.03.07, 20:05h

Live-Schaltung ins Taurus-Gebirge: Ercan Arslan.

„Das Versteck“ erzählt von Migration und kommt ohne Schauspieler aus.

Das Stück sei eigentlich gar kein Stück, hatte uns die Mitarbeiterin vom Theater der Keller gesagt. Es sei ziemlich ungewöhnlich, was sich da auf der Bühne abspiele. So ungewöhnlich wie die Bühne: Vorne ein Laufsteg aus Erde, hinten ein mit orientalischen Teppichen ausgekleideter Raum. Darin zwei Koffer, ein Samowar und ein Telefon. Ganz hinten hängt eine Videoleinwand, aus dem Off rieselt türkische Musik.

Dokumentartheater nennt Regisseur Hüseyin Michael Cirpici sein Projekt „Das Versteck“ – ein Stück, das ohne Schauspieler auskommt. Ein Mann in Jeans und T-Shirt betritt die Bühne und sagt: „Ich heiße Ercan Arslan. Ich bin kein Schauspieler, sondern stehe hier als Privatperson. Ich werde Ihnen jetzt die Geschichte meiner Familie erzählen.“ Ein schöner Moment: Jeglicher Hang zum Sich-Berieseln-Lassen wird von gespannter Aufmerksamkeit verdrängt.

Die Arslans sind kurdische Aleviten – eine religiöse Minderheit in der Türkei. Aus Angst vor Verfolgung zogen sie sich 1904 ins entlegene Taurus-Gebirge zurück und gründeten ein Dorf. Ercans Vater ging in den 60ern als Gastarbeiter nach Deutschland, holte später seine Familie nach. Erzählt wird die Geschichte dieser Auswanderung von Ercan und seinen Verwandten in eingespielten Tonmitschnitten. Der Bruder erzählt, wie er als 18-Jähriger in die Türkei ausgewiesen wird und erst nach dem Studium nach Berlin zurückkehren darf. „Jetzt arbeite ich als Lehrer für den Staat, der mich nicht haben wollte – das ist lustig“, sagt er. Und Inci, Ercans Frau, berichtet, wie sie als Kind in einem Zimmer voller Koffer leben musste. In denen verstauten ihre Eltern Dinge, die sie eines Tages mit zurück in die Türkei nehmen wollten. Eines Tages, der nie kam.

Das Dorf, das alte „Versteck“ der Familie, spielt die Hauptrolle. Dorthin kehren alle Emigrierten jeden Sommer zurück. Ständig gleiten Filmbilder der einsam gelegenen Siedlung über die Leinwand. Und dann kommt das Dorf ganz nah: Ercan ruft von der Bühne aus seinen Cousin an. Die Zuschauer können dem live Zugeschalteten Fragen stellen, die Ercan übersetzt: „Werden bei Ihnen nachts die Türen verschlossen?“ oder „Möchten Sie auch nach Europa kommen?“ Der Blick in ein ganz fremdes Leben – eine Aufgabe von Theater.

„Es geht im Theater darum, Geschichten zu erzählen – ob mit Schauspielern oder ohne“, meint Regisseur Cirpici, der „Das Versteck“ in München und Berlin schon mit Schauspielern inszeniert hat. In Köln hat er auf Darsteller verzichtet. Auch wenn das Stück ein paar Längen hat – eine gute Entscheidung: Authentischer kann man das sperrige Wort „Migrationshintergrund“ nicht auf die Bühne bringen.

Aufführungen: 9., 10., 11. März.