PRESSE-SCHAU – faz.net „Wowereit, der unsichtbare Kultursenator“

Hervorragend!
Feminissima hatte es vor längerer Zeit kurz und knapp formuliert: „Wowereit(SPD)kann nichts.“
Außer Parties. Und Talk-Shows.
Wowereit, der unsichtbare Kultursenator

Von Heinrich Wefing

Der eingebildete Kultursenator: Klaus Wowereit?
06. Februar 2007
Wo ist eigentlich Wowereit? Wo steckt der Regierende Kultursenator von Berlin, der auf den Tag genau vor drei Monaten lächelnd verkündet hat, er werde die Kultur fortan zur Chefsache in der Hauptstadt machen?

Was tut der Mann, der nach den letzten Wahlen im Herbst nicht nur seinen ungeliebten Kultursenator Thomas Flierl von der Linkspartei demontierte, sondern kurzerhand auch dessen Amt, um dann breit grinsend vor der Presse mitzuteilen, mehr Gewicht als in seiner Hand an der Regierungsspitze könnten die schönen Künste doch gar nicht erlangen? Selten ist eine Blase so schnell geplatzt. Als Kulturpolitiker ist Wowereit unsichtbar.

Mörderischer Parcours aus Partys und roten Teppichen

Natürlich kann man ihn überall sehen, wo es Scheinwerfer gibt und sich die anderen Granden der Berliner Republik herumtreiben. Am Donnerstagabend saß er bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“ prächtig gelaunt in der Ullstein-Halle, vierundzwanzig Stunden später schmückte er das Benefizkonzert des Bundespräsidenten in der Philharmonie, nicht ohne dort den Chefdirigenten der Philharmoniker ausdrücklich als Preisträger der „Goldenen Kamera“ zu begrüßen.

Unlängst sprach er sogar bei der Eröffnung der Ausstellung von Graft Architekten in der Galerie Aedes ein Grußwort, und von Mittwoch an, wenn die Berlinale eröffnet wird, stehen dem Mann wieder mörderisch viele Partys, Empfänge, Galaaufführungen und rote Teppiche bevor; ein Parcours, um den man ihn nicht beneiden muss. Schon klar, dass da die Lider schwer werden und sich die dicken Akten noch fader lesen.

Kultur als Fehlstelle im Roten Rathaus

Aber wenn Kulturpolitik mehr sein soll als Repräsentation und Bussiwirtschaft, dann muss sich der Regierungschef und Richtlinienfürst Wowereit als Kulturbeauftragter möglichst rasch auswechseln. Bislang nämlich gibt es von ihm keinen Plan, keinen Gedanken, keine konzeptionelle Rede. Die Kultur ist eine Fehlstelle im Roten Rathaus. In der unsäglich peinlichen Causa Biermann, die nun heute endlich im Senat angekommen ist, wo sie schon vor Wochen hingehört hätte, war von Wowereit nichts zu hören: kein Satz, keine Silbe, weder als Regierender noch als Kulturmensch.

Zum Humboldt-Forum auf dem Berliner Schlossplatz, dessen Realisierung dank einer neuen Initiative aus dem Bauministerium plötzlich doch noch möglich zu werden scheint, lässt sich Wowereits Kulturstaatssekretär André Schmitz euphorisch vernehmen, nicht aber der Chef selbst – was, nebenbei bemerkt, nur konsequent ist, hatte Wowereit doch gleich nach der Wiederwahl bockig erklärt, die Gestaltung der historischen Mitte Berlins sei Sache des Bundes, nicht der Stadt.

Lahmer Start der zweiten Amtszeit

Und die leidige Opern-Frage? Die soll nun hau ruck bis zur Sommerpause gelöst werden. Wie, wird nicht verraten. Und selbst wenn es gelingen sollte – das wäre kein Wurf, sondern allenfalls eine Reparaturaufgabe, die überfällige Korrektur einer jahrelangen Politik des Verschiebens, Verschleierns, Herumtricksens, für die ohnehin niemand anders als Wowereit die Verantwortung trägt.

Nun wäre man vielleicht noch geneigt, Wowereits kulturelle Abstinenz hinzunehmen, wenn man tagtäglich verfolgen könnte, wie er sich Arme und Beine für seine Stadt ausreißt: Wowereit im heroischen Kampf gegen die Gettoisierung ganzer Innenstadtquartiere; Wowereit, der die unruhigen Straßen von Neukölln und Kreuzberg befriedet; Wowereit, der die maroden Schulen der Hauptstadt saniert und den Schuldenberg von sechzig Milliarden Euro abbaut.

Doch ach, außer einer Reise nach Namibia, einem Ausflug nach Paris – als deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter -, einigen patzigen Bemerkungen nach dem Karlsruher Urteil über die Berliner Haushaltslage und der Berufung des achtundzwanzigjährigen Juso-Chefs Björn Böhning zum Chefberater im Rathaus ist aus den ersten drei Monaten der zweiten Amtszeit von Klaus Wowereit wenig zu vermelden.

Der Bauchpolitiker hat seinen Instinkt verloren

Dass sich in Berlin die drängenden sozialen und kulturellen Fragen der Republik dramatisch verdichten; dass sich hier eine moderne Großstadtsozialdemokratie erproben könnte, die auch dorthin geht, wo es schmerzt, mit allen Ausstrahlungen auf die Bundespolitik – das scheint Wowereit gleichgültig zu sein.

Oder es ist ihm entgangen. Selbst in seinem näheren Umfeld wird kaum mehr bestritten, dass den Bauchpolitiker seit der jüngsten Wahl sein Instinkt verlassen hat. Spätestens seit dem verheerenden Karlsruher Urteil macht er Fehler, die ihm früher kaum unterlaufen wären. So wispert das Rote Rathaus nun in Ermangelung anderer Erfolge und Vorhaben gern von der Gründung einer Berliner Kunsthalle, für die sich Wowereit einsetzen wolle. Das, immerhin, wäre verdienstvoll, als kulturpolitisches Regierungsprogramm aber mehr als dürftig.

Text: F.A.Z., 06.02.2007, Nr. 31 / Seite 37